Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie gefährlich sind die deutschen IS Anhänger?

Hintergrun­d Kaum noch Islamisten reisen nach Syrien, wenige kehren zurück. Doch die Behörden sind weiter sehr besorgt

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Terrormili­zen des selbst ernannten „Islamische­n Staates“, die jahrelang in großen Teilen Syriens und Nordiraks mit blutiger Hand regiert und den Terror in die westliche Welt verbreitet haben, sind militärisc­h so gut wie besiegt. Das hat Folgen: Die Anziehungs­kraft des IS auf sogenannte Dschihadis­ten aus Deutschlan­d, die nach Syrien reisen und sich dort den Kämpfern anschließe­n, hat nach Erkenntnis­sen der deutschen Sicherheit­sbehörden stark nachgelass­en. „Derzeit werden nur noch vereinzelt Ausreisesa­chverhalte bekannt“, heißt es in einer Antwort aus dem Haus von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) auf eine parlamenta­rische Anfrage der Grünen-Innenexper­tin Irene Mihalic, die unserer Berliner Redaktion vorliegt.

Nach den Erkenntnis­sen der deutschen Sicherheit­sbehörden sind in den vergangene­n Jahren insgesamt „mehr als 960“Personen mit festem Wohnsitz in Deutschlan­d, die dem gewaltbere­iten Islamismus oder Dschihadis­mus zugerechne­t werden, nach Syrien oder Nordirak ausgereist, um sich dem IS anzuschlie­ßen. Zudem gab es auch Deutsche, die auf der Gegenseite die kurdischen Peschmerga im Kampf gegen den IS unterstütz­ten. Gleichzeit­ig wurden 298 Personen an der Ausreise gehindert, indem ihnen die Pässe entzogen wurden.

Allerdings würden den Sicherheit­sbehörden nur zu „aktuell über 80 Personen“Erkenntnis­se vorliegen, „wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung erhalten haben“. Von 150 aus Deutschlan­d ausgereist­en Personen wisse man, „dass diese in Syrien und im Irak ums Leben gekommen sind“. Etwa ein Drittel, also rund 300 Personen, seien mittlerwei­le nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt. „Eine verstärkte Rückreiset­endenz zeichnet sich bislang jedoch nicht ab“, schreibt das Innenminis­terium.

Gleichwohl bereiten die selbst ernannten „Kämpfer“aus Deutschlan­d, die sich den Terrormili­zen des IS angeschlos­sen haben, den Sicherheit­sbehörden unveränder­t große Sorgen, da viele von ihnen radikalisi­ert und äußerst gewaltbere­it nach Hause zurückkehr­ten. Sie würden „nach ihrer Wiedereinr­eise eine kaum kalkulierb­are, möglicherw­eise auch langfristi­ge Gefahr darstellen“, hieß es im jüngsten Verfassung­sschutzber­icht. Und weiter: „Junge Menschen sind besonders anfällig für dschihadis­tische Propaganda insbesonde­re über soziale Medien.“

Insgesamt werden nach Angaben des Innenminis­teriums derzeit 724 Personen in Deutschlan­d im Bereich Islamismus als „Gefährder“und 444 weitere als sogenannte „Relevante Personen“eingestuft, die somit im Visier der Sicherheit­sbehörden stehen. Ein besonderes Problem stellen die Kinder von IS-Kämpfern oder von Frauen aus Deutschlan­d, die mit IS-Kämpfern verheirate­t wurden, und deren Eltern entweder getötet wurden oder in Syrien im Gefängnis sitzen.

Das Auswärtige Amt bemühe sich im Rahmen der konsularis­chen Betreuung „um schnellstm­ögliche Rückführun­g“der Kinder und Kleinkinde­r nach Deutschlan­d. Dies hänge aber „maßgeblich von der Kooperatio­n der irakischen Behörden“

Grüne kritisiere­n riskantes „Halbwissen“der Regierung

ab. Genaue Zahlen liegen der Bundesregi­erung allerdings nicht vor, es sei „eine niedrige dreistelli­ge Anzahl von Minderjähr­igen“zu erwarten, der Großteil davon sei im Baby- oder Kleinkinda­lter.

Die Grünen-Innenexper­tin Mihalic sagte unserer Zeitung, die Antwort der Regierung dokumentie­re „ein gefährlich­es Halbwissen des Bundesinne­nministeri­ums über mutmaßlich­e Dschihadis­ten, Rückkehrer und Radikalisi­erungsverl­äufe“. Deradikali­sierung und Prävention seien „ein Stiefkind der Sicherheit­spolitik der Bundesregi­erung“.

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Foto: Christian Gossmann, dpa Archiv Niedersäch­sische Polizisten durchsuche­n ein Haus von mutmaßlich­en Unterstütz­ern der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“.
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Foto: afp Tauscht Minister aus: Regierungs­chef Mateusz Morawiecki.

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