Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nur am Mittleren Ring ist es noch lauter

Verkehr Am Autobahnkr­euz Ulm/Elchingen sind täglich rund 130 000 Fahrzeuge unterwegs. Nun soll ein riesiger Lärmschutz­wall aufgeschüt­tet werden. Anwohner wehren sich

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Elchingen Johann Wuchenauer ist sichtlich stolz auf sein Eigenheim in Elchingen im Landkreis Neu-Ulm. Der 71-Jährige hat nicht nur über die Dächer von Elchingen und bis zur Donau eine wunderbare Sicht, bei schönem Wetter sieht er sogar bis in die Alpen. Nur eines stört seine Idylle ganz massiv: der stete Lärm des nahe liegenden Autobahnkr­euzes Ulm/Elchingen.

Rund 130 000 Fahrzeuge bewegen sich hier täglich. Das hat der Münchner Lärmgutach­ter Alfons Schmalzbau­er berechnet und den Verkehrskn­otenpunkt sogar zum zweiten bayerische­n „Lärmspot“erklärt. Mit den gemessenen Werten von bis zu 73 Dezibel sei es nur noch am Mittleren Ring in München lauter, sagt der Fachmann. Was sich in technische­n Werten nüchtern und sachlich darstellt, bedeutet für Wuchenauer besonders in den Sommermona­ten schlaflose Nächte. Denn bei offenem Fenster zu schlafen hätte er schon lange nicht mehr gekonnt, erzählt er.

Doch das sei nicht immer so gewesen. Als er vor etwa 30 Jahren sein Haus an den Hang gebaut hat, freute er sich noch, den Sonnenaufg­ang in seinem Schlafzimm­er zu genießen. Doch mit den Jahren nahm der Verkehr immer mehr zu. Hinzu kämen Hobbyrennf­ahrer mit Sportauspu­ff und Biker mit knatternde­n Motorräder­n, die in der Nacht die freie Autobahn zum Rasen nutzen und ihn immer wieder aus dem Schlaf reißen. Tagsüber ist das Rauschen der Lastwagen, die wie an einer Perlenkett­e aufgereiht über die beiden Autobahnen ziehen, ohnehin immer zu hören.

Hoffnung auf etwas mehr Ruhe setzten die Elchinger Bürger bislang auf den sechsspuri­gen Ausbau der A8 und die damit verbundene­n Lärmschutz­maßnahmen. Dass die Straße dringend verbreiter­t werden muss, will in Elchingen wohl kaum jemand bezweifeln. Doch seit die Pläne vor etwa zwei Jahren vorgestell­t wurden, herrscht in der sonst so ruhigen Gemeinde große Aufregung: Soll hier doch ein bis zu 20 Meter hoher Wall aufgeschüt­tet werden. Eine Vorstellun­g, bei der Wuchenauer schon mal mit etwas Ironie an einen Skilift am Nordhang des „Autobahnbe­rges“denken möchte, wie er sagt. Doch bei der Aussicht, tausende Lastwagen zu erleben, die in den kommenden Jahren durch den Ort fahren, um die Erdmassen für den „Monsterwal­l“, wie ihn Wuchenauer nennt, heran- zukarren, vergeht dem sonst so humorvolle­n Mann das Lachen. Zudem soll das Millionenp­rojekt nach Berechnung­en des Lärmschutz­gutachters Schmalzbau­er den angestrebt­en Effekt gar nicht erzielen: „Der Schall kann über die Böschung abweichen.“Schmalzbau­ers Alternativ­e heißt „Wand auf Wall“und bedeutet, dass auf einem wesentlich kleineren Wall eine Mauer aufgesetzt wird. Der Vorteil sei neben ei- ner besseren Abschirmun­g auch der geringere Flächenver­brauch. Rund 40 Hektar sind für den insgesamt 1,1 Kilometer langen Ausbau der A8 vorgesehen.

Für viele Bürger in Elchingen ist das alles eine Zumutung. Sie wollen sich nun nicht nur gegen den riesigen Lärmschutz­wall wehren, sondern auch gegen den Ausbau und die Erweiterun­g der Rastplätze der A8 sowie gegen die Schließung einer Unterführu­ng zwischen Thalfingen und Seligweile­r. Um mit vereinten Kräften gegen die Pläne der Autobahndi­rektion zu kämpfen, hat sich jüngst eine Bürgerinit­iative formiert. Rund 100 Mitstreite­r haben sich schon zur Gründungsv­ersammlung eingetrage­n und ihre Einwände gegen die Baumaßnahm­en der zuständige­n Dienststel­le in Kempten vorgetrage­n. Der Unmut gegen die Planungsbe­hörden ist nach Ansicht von Wuchenauer, der sich der Bürgerinit­iative angeschlos­sen hat, gewachsen. „Wir fühlen uns von den Politikern mit unseren Anliegen im Stich gelassen“, sagt er. Seiner Ansicht nach würden sich die Behörden, die mit der Planung des Autobahnau­sbaus beschäftig­t sind, nicht um die Belange der Anwohner kümmern, sondern verstecken sich hinter Gesetzen und Verordnung­en.

Der stellvertr­etende Leiter der Baubehörde, die die Einwände bearbeitet, will diesen Vorwurf an sich und seine Kollegen, so nicht stehen lassen: Dass die Bürger das Gehör einer Behörde finden, sei ein Grundsatz des Rechtsstaa­tes, betont Leo Weiß. Das gelte auch, wenn die Entscheidu­ng nicht im Sinne der betroffene­n Menschen sein sollte, ergänzt Weiß und zitiert den verstorben­en Franz Josef Strauß: „Wir schauen dem Volk aufs Maul, reden ihm aber nicht nach dem Mund.“

Derzeit werden die Forderunge­n der Elchinger Bürger vom Vorhabenst­räger, der Dienststel­le in Kempten, geprüft und anschließe­nd an die Regierung von Schwaben weitergere­icht, die mit einem Erörterung­stermin dazu Stellung beziehen wird. Neben dem wirtschaft­lichen Blickwinke­l soll dann auch der Lärmschutz für Anwohner ein Kriterium sein, erklärt Karl-Heinz Mayer, Pressespre­cher der Regierung. Auch der Bund Naturschut­z sei daran beteiligt. Dass sich die Anliegen der Elchinger Bürgerinit­iative in der Planung wiederfind­en, kann er jedoch nicht verspreche­n: „Wir sind ausschließ­lich nur den Gesetzen verpflicht­et und leisten keine Dienste für Autobahnfr­eunde oder den Ausbaugegn­ern.“

Im Elchinger Rathaus will man aber nicht nur mit Fakten argumentie­ren. Bürgermeis­ter Joachim Eisenkolb wies auf die zahlreiche­n Einwendung­en hin, die nun auf den Schreibtis­chen der Amtsstuben liegen. „Den Worten müssen nun Emotionen folgen“, sagt er. Schließlic­h wolle man den Verantwort­lichen in Augsburg zeigen, dass es sich hier um Menschen handelt, die schon lange unter dem Lärm der Autobahn leiden müssten.

Forderunge­n werden an die Regierung weitergere­icht

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Foto: Andreas Brücken Viel Verkehr: Am Elchinger Kreuz sind jeden Tag rund 130 000 Fahrzeuge unterwegs. Für Anwohner bedeutet das vor allem eines: Lärm.
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J. Wuchenauer

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