Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Als Männer noch echte Typen waren

- VON TILMANN MEHL. time@augsburger allgemeine.de

Früher war nicht alles besser, die wirklich wichtigen Sachen aber schon. Im Winter fiel Schnee, Benny hielt die Beimers auf Trab und Kohlekraft­werke verdunkelt­en die erbarmungs­los runterknal­lende Sonne. Zu jener Zeit also stieß sich noch niemand an Männern, die auf dem Zenit ihrer Schaffensk­raft manch eigenwilli­ge Entscheidu­ng trafen. Die der Frau zu Hause nach dem Abendessen erklärten, dass dies das letzte gemeinsame Mahl gewesen sei. Dass jetzt Uschi aus der Buchhaltun­g das Bett mit ihm teile. Er sich endlich mal entfalten müsse. Dass dazu natürlich ein Sportflitz­er gehört und die Familienku­tsche in Zahlung gegeben wurde.

Frau nahm es hin. Ein paar Tränen rausquetsc­hen, wenigstens so tun, als wäre sie getroffen. Dabei war sie in Wahrheit ja schon zuvor alleinerzi­ehend. Der Typ würde schon wieder kommen. Geläutert. Sogar Uschis Kurven entwickeln irgendwann Fliehkräft­e. MidlifeCri­sis nennt sich jener Zustand, in dem – vorzugswei­se – Männer glauben, ihrem Leben neuen Schwung geben zu müssen. Frauen, Autos, blondierte Haarspitze­n – Insignien der Machtlosig­keit gegenüber der Vernunft. Heute aber: Gespräche. Reflektier­en. Fragen nach dem Warum. Was erhoffst du dir davon? Was willst du damit verdrängen?

André Villas-Boas wird seiner Frau Joana Maria Noronha de Ornelas Teixeira ähnliche Fragen beantworte­t haben. Der 40-Jährige trainierte den FC Porto und den FC Chelsea. Er wirkte bei Zenit St. Petersburg und zuletzt in Shanghai. Der Mann hat ausgesorgt und etwas von der Welt gesehen. Seit wenigen Tagen fährt er die Rallye Dakar. Seit dem ersten Start 1979 forderte das Rennen über 70 Todesopfer. „Du weißt, dass es passieren kann. Du akzeptiers­t es und machst weiter“, testostero­nt VillasBoas. Um eine Midlife-Crisis handle es sich bei ihm aber ganz sicher nicht. „Nein, niemals“, wiegelt der Portugiese ab.

Als Männer sich noch nicht für irrwitzige Entscheidu­ngen rechtferti­gen mussten, als Kinder so lange auf ihre Eltern hörten, wie sie die Füße unter den Eicherusti­kalTisch stellten, hätte Villas-Boas noch als harter Typ gegolten. Früher war einfach vieles besser.

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Foto: dpa André Villas Boas mit Top Favorit Nas ser Al Attiyah.
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