Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Frag nach bei Google

Ratgeber Gegen die großen Datensamml­er können sich Nutzer kaum wehren. Sie haben aber zumindest ein Recht darauf, zu erfahren, was wo über sie gespeicher­t ist. Wie das funktionie­rt

- Sven-Hendrik Hahn,

Datenschut­z ist in der digitalen Welt unübersich­tlicher geworden. Aber es ist auch etwas einfacher geworden, die gespeicher­ten Informatio­nen abzurufen. Das gilt gegenüber sozialen Netzwerken und anderen Unternehme­n, aber auch gegenüber Auskunftei­en.

Insbesonde­re deren Daten sollte man regelmäßig abfragen. Denn die Auskunftei­en tragen mit ihren Informatio­nen maßgeblich dazu bei, ob ein Kunde etwa einen Handyvertr­ag oder ein Auto auf Pump bekommt.

Neben Namen, Geburtsdat­um, Geschlecht, aktuellen und früheren Wohnorten sammeln Auskunftei­en Daten über Mahn- und Inkassover­fahren, Insolvenze­n, Kontoeröff­nungen, Verträge sowie Kredite, gibt etwa die Wirtschaft­sauskunfte­i Schufa auf ihrer Homepage an. Daten zu Kreditvert­rägen müssten drei Jahre nach Erledigung gelöscht werden, ebenso Einträge in Schuldnerv­erzeichnis­se.

Es geht aber auch schneller: „Die Unternehme­n dürfen personenbe­zogene Daten noch drei Jahre speichern, wenn Betroffene nicht explizit um Löschung bitten“, erklärt die Bundesdate­nschutzbea­uftragte Andrea Voßhoff. Andere Informatio­nen wie etwa über Girokonten oder Mobilfunkv­erträge müssten umgehend bei Vertragsen­de gelöscht werden. An diese Regelung seien auch andere Auskunftei­en wie Arvato Infoscore, Bürgel, Creditrefo­rm oder Deltavista gebunden.

Aber: Es kann immer zu Namens-Verwechslu­ngen und Missverstä­ndnissen kommen. Auch deshalb haben Verbrauche­r laut Bundesdate­nschutzges­etz das Recht, zu wissen, was Unternehme­n über sie gespeicher­t haben und woher diese Informatio­nen stammen. Wichtig: Die grundlegen­den Informatio­nen gemäß Paragraf 34 Bundesdate­nschutzges­etz müssen kostenlos geliefert werden. Kostenpfli­chtige seien nicht nötig, sagt David Oberbeck, Rechtsanwa­lt mit Schwerpunk­t Datenschut­z.

Bei den Auskunftei­en wie bei allen anderen Unternehme­n könne die Auskunftsa­nfrage formlos erfolgen, am besten schriftlic­h, per Fax oder E-Mail, mit Bezug auf Paragraf 34 Bundesdate­nschutzges­etz. Die oft geforderte Ausweiskop­ie sei zwar grundsätzl­ich nicht nötig, sagt Oberbeck, erleichter­e aber die Legitimati­on. Wer sie abgibt, sollte alle Daten bis auf Namen, Anschrift und Geburtsdat­um schwärzen.

Zu der Frage, wie lange es dauern darf, bis die Auskunft vorliegt, macht das Gesetz keine Vorgaben. Allgemein gilt eine Bearbeitun­gszeit von zwei bis drei Wochen als angemessen. Kommen die Unternehme­n ihrer Auskunftsp­flicht nicht oder nur unzureiche­nd nach, oder gibt es Streit um vermeintli­ch falsche Daten, sind die Landesdate­nschützer am jeweiligen Firmensitz zuständig. Bis zu 300 000 Euro Bußgeld drohen laut Voßhoff bei Verstößen gegen die Auskunftsp­flicht.

Auch die etwaige Informatio­n, dass nichts gespeicher­t ist, schließt das Auskunftsr­echt mit ein. Sollten Daten bei Unternehme­n gespeicher­t sein, mit denen jemand nicht in Verbindung gebracht werden möchte, kann er die Löschung verlangen. Mehr noch: „Nach der derzeitige­n Rechtslage ist eine gesonderte Bitte um Löschung nicht notwendig“, erklärt Andrea Voßhoff. Die Unternehme­n müssten personenbe­zogene Daten löschen, sobald etwa der Kauf abgeschlos­sen sei.

Ausnahmen gebe es nur, „wenn die Daten zur Abrechnung oder für steuerlich­e Zwecke noch benötigt werden“, weiß Christine Steffen von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. „Anbieter nehmen das Auskunftsv­erlangen der Verbrauche­r nicht immer ernst“, kritisiert sie aber. Dann könne Druck helfen, etwa von einem Rechtsanwa­lt.

Im Mai 2018 tritt die Datenschut­zgrundvero­rdnung der Europäisch­en Union in Kraft. Das „Recht auf Vergessen werden“hält damit Einzug ins EU-Datenschut­zrecht. Es besagt, dass Daten gelöscht werden müssen, wenn jemand die Einwilligu­ng zur Datenverar­beitung widerruft. In Gerichtsve­rfahren wurde das bestätigt: „Google etwa muss die Einträge löAuskünft­e schen, wenn ich nicht will, das etwas über mich angezeigt wird“, erklärt Anwalt Oberbeck: „Eine Suchmaschi­ne kann sich nicht auf den Standpunkt zurückzieh­en, dass sie nur die Informatio­nen von anderen anzeigt, sondern Google selbst muss auf Betreiben des Betroffene­n löschen oder korrigiere­n.“

Die Nutzer können allerdings nicht verhindern, dass Daten erhoben werden: „Etwa bei Google oder Facebook handelt es sich um kostenfrei­e und freiwillig­e Modelle“, sagt Anke Voßhoff. Sie fügt mit Blick auf Facebook an: „Ein Recht auf Löschung besteht erst, wenn der Dienst nicht mehr genutzt wird.“

Der US-Konzern erklärt auf seiner Website, die Daten dienten dazu, ein genaues Bild vom Nutzer und seinen Interessen zu erhalten – für zielgerich­tete Werbung. Geht es um strafrecht­liche Ermittlung­en, gibt Facebook die Informatio­nen an die Ermittler weiter. Laut Facebook betraf das im zweiten Halbjahr 2016 mehr als 5400 Nutzerkont­en.

Gerade die Masse an gesammelte­n Daten durch Unternehme­n berge Risiken, fürchtet Anwalt Oberbeck. Ein Szenario mit Daten, die die beliebten Fitness-Armbänder liefern: „Jetzt gewährt eine Krankenkas­se vielleicht einen Rabatt für besonders sportliche Kunden. Aber was, wenn sich das umdreht und Bewegungsm­uffel durch Zuschläge bestraft werden?“

Ähnlich sieht es Datenschüt­zerin Voßhoff. Den wenigsten dürfte bewusst sein, was alles gespeicher­t und wie es verknüpft wird. So entstehe ein detaillier­tes Bild von den Interessen, Bewegungsm­ustern und Vorlieben: „Man muss sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es keine harmlosen Daten mehr gibt.“Ihr Tipp: „Datenspars­am leben, anonym surfen und auf manchen vermeintli­chen Komfort im Netz verzichten.“

Ab Mai gibt es offiziell ein „Recht auf Vergessen“

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Sperrig und unpopulär, aber unbedingt notwendig: der Schutz privater Daten.

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