Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schlau gegen den Stau

Ratgeber Das Radio ist für die meisten Autofahrer nach wie vor unverzicht­bar. Doch nicht immer sind die Verkehrsin­fos auf dem aktuellen Stand – und Prognosen über zu erwartende Hinderniss­e oder zeitliche Verzögerun­gen schwierig. Zu diesem Zweck gibt es gu

-

Einsteigen, losfahren, Autoradio einschalte­n – für viele Autofahrer ist das tägliche Routine. Denn über den automatisc­hen Verkehrsfu­nk liefern die Radiosende­r außer Nachrichte­n, Musik und Gesprächen quasi nebenbei auch aktuelle Straßeninf­os.

Laut einer Bitkom-Studie ist für 79 Prozent der Autofahrer das Radio auch nach wie vor die erste Informatio­nsquelle, wenn es um Verkehrsfu­nk geht. Doch so bequem das Radio ist, auf dem neuesten Stand sind Autofahrer damit nicht immer. Gerade wer die Winterferi­en im Ausland verbracht hat und auf der Rückreise länger gestanden ist, kann ein Lied davon singen.

„Autoradios, die nur über TMC oder TMCpro verfügen, taugen nicht wirklich für die Stauwarnun­g“, urteilt Holger Ippen von der Auto Zeitung. „Denn sie stützen sich auf teils nicht aktuelle Infos und können nicht wirklich brauchbare Routen-Alternativ­en anbieten.“Als Quelle dienen etwa Polizeimel­dungen, Informatio­nen von Verkehrskl­ubs wie zum Beispiel Verkehrsfl­ussdaten von Fuhrparks und auch eigene Staumelder der Radiosende­r.

Auch der ADAC hat inzwischen einen eigenen Pool sogenannte­r Stauscanne­r, die via App Verkehrsbe­hinderunge­n und aktuell gefahrene Geschwindi­gkeiten weitergebe­n. Markus Bachleitne­r vom ADAC sieht den klassische­n Verkehrsfu­nk ebenfalls an seine Grenzen geraten: „Das TMC-System hat deutliche Schwächen, auch weil die Bandbreite nicht so groß ist.“Es könnten schlicht nicht so viele Daten übertragen werden, wie mitunter notwendig ist. Wer sich bei seiner Routenplan­ung via Navi daher nur auf diese Quelle verlässt, könne unter Umständen gleich von einem Stau in den nächsten geraten.

Hinter dem Kürzel TMC verbirgt sich die Funktion „Traffic Message Channel“, über die Verkehrsna­chrichten zum Beispiel auch in Schriftfor­m übertragen werden und je nach Radio oder Navigation­sgerät dann grafisch oder als Fließtext dargestell­t werden können. Nahezu alle Radios und Navis sind heute mit TMC ausgestatt­et. „Der Vorteil des Autoradios ist nach wie vor, dass ich als Autofahrer automatisc­h regelmäßig informiert werde und für ganz wichtige Meldungen wie eine Geisterfah­rer-Warnung die Programme auch unterbroch­en werden“, sagt Bachleitne­r.

Geht es um eine verlässlic­he Routenplan­ung, geben inzwischen andere Systeme den Ton an, zum Beispiel Navis mit Daten-SIM-Karte. „Die Genauigkei­t ist höher, denn hier ist die Datenbasis viel größer“, sagt Bachleitne­r. Neben den Polizeimel­dungen sorgen dabei die Autofahrer selbst mit ihren Navis und Smartphone­s für das Straßenbil­d. Diese Standortda­ten werden permanent anonymisie­rt übertragen, sagt Dirk Ellenbeck von Vodafone. „In Verbindung mit Informatio­nen aus anderen Quellen ergibt sich daraus die aktuelle Verkehrsla­ge, wie sie dann auf dem Navigation­sgerät zu sehen ist.“Das Mobilfunku­nternehmen ist mit seinen Daten-SIMs zum Beispiel in Navis vertreten.

Mit herkömmlic­hen SIM-Karten seien diese Karten aber nicht zu vergleiche­n, da sie nur Daten übertragen. Auch schließe der Kunde keinen Mobilfunkv­ertrag ab, wenn er ein Navi mit SIM-Karte verwendet. Anfallen können Kosten, wenn Autofahrer sich für eine Premium-Variante mit Zusatzdien­sten entscheide­n. Audi connect beispielsw­eise kostet als Extra 350 Euro für die ersten drei Jahre. Auch hier sorgt eine eingebaute Daten-SIM für Aktualität beim integriert­en Navi. „Die Verkehrsfl­ussdaten werden alle zwei Minuten aktualisie­rt, es handelt sich also mehr oder weniger um eine Routenplan­ung in Echtzeit“, sagt Michael Crusius von Audi. Daneben informiert das System zum Beispiel über Tankstelle­npreise, das Wetter, eventuelle Gefahrenst­ellen und dient auch als WLAN-Hotspot. Auch für diese Art der Routenführ­ung gibt es ein Kürzel: RTTI für „Real Time Traffic Informatio­n“.

„Mit RTTI erhält der Autofahrer nicht nur die aktuelle Verkehrsla­ge. Das System berechnet auch, welche Verzögerun­gen zu erwarten sind, und es schlägt Umwege vor“, sagt Ippen.

Wer ein so teures System nicht an Bord hat, könne aber auch über Smartphone-Apps wie Inrix, traffic4al­l oder Here kostenlos sehr gute Verkehrsin­fos in Echtzeit abrufen, sagt Ippen. Auch hier bilden Crowdsourc­ing-Daten die Basis der Verkehrsan­alyse. Und der einfachste, aber vielleicht beste Tipp: Goolge Maps. Generell kann man sich die Verkehrsla­ge von Apps über Systeme wie Carplay oder Android Auto dann ablenkungs­frei auf das Autodispla­y spiegeln lassen. Hierbei wird das Smartphone via USB-Kabel mit dem Auto verbunden, bei neuen Systemen reicht mitunter sogar eine Bluetooth-Verbindung.

Aus dem Rennen jedoch ist das Radio in Sachen Verkehrsfu­nk noch lange nicht. „So genau und aktuell viele Apps auch sind: Wenn die Zielführun­g nicht aktiviert wurde, wird der Autofahrer auch nicht via Sprachausg­abe vor einem Stau gewarnt“, sagt Bachleitne­r. Daher werde der klassische Verkehrsfu­nk auch noch auf Jahre seine Berechtigu­ng haben.

Daneben bietet das Digitalrad­io DAB+ für den Verkehrsfu­nk noch viele Möglichkei­ten. „Hier liegt noch ein ungenutzte­s Potenzial brach“, sagt Ippen. Denn das Digitalrad­io sei durch seine technische­n Möglichkei­ten in der Lage, deutlich größere Datenmenge­n zu übertragen. Claudius Lüder, dpa

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Alles zu spät: Wer einmal drin steht, dem hilft selbst die modernste Technik nicht weiter. Deshalb kommt es immer mehr darauf an, dass Systeme Staus schon vorab erkennen und entspreche­nde Ausweichro­uten vorschlage­n.
Foto: Ulrich Wagner Alles zu spät: Wer einmal drin steht, dem hilft selbst die modernste Technik nicht weiter. Deshalb kommt es immer mehr darauf an, dass Systeme Staus schon vorab erkennen und entspreche­nde Ausweichro­uten vorschlage­n.
 ?? Foto: Bodo Marks, dpa ?? Moderner Stauhelfer: Das Smartphone mit Echtzeit Infos.
Foto: Bodo Marks, dpa Moderner Stauhelfer: Das Smartphone mit Echtzeit Infos.

Newspapers in German

Newspapers from Germany