Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Feuilleton

Der Ballett-Chef über seine Arbeit

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Hat dieser Mann eigentlich immer gute Laune? Wer Ricardo Fernando begegnet, muss den Eindruck haben: Der Brasiliane­r, seit dieser Spielzeit Direktor des Augsburger Balletts, ist ein charmanter, quirliger und aufmerksam­er Gesprächsp­artner und lacht oft – mal spitzbübis­ch, mal lauthals, manchmal auch verbindlic­h. Ein Menschenke­nner und -fänger sei er, wird ihm nachgesagt, ebenso, dass er über viel Empathie und Begeisteru­ngsfähigke­it verfügt. „Ballett ist so harte Arbeit, da ist es wichtig, dass wir sie mit Freude und in einer guten Atmosphäre tun“, sagt der 57-Jährige. Innerhalb weniger Monate ist es ihm gelungen, eine neue Compagnie zu formen. Wie gut dies gelungen ist, ist in „Schwanense­e“, seiner ersten Choreograf­ie in Augsburg, zu erleben. „Am Schluss der Vorstellun­g gibt es Jubel wie im Fußballsta­dion“, freut sich Fernando. Klar, dass er mit diesem Einstand gut lachen hat.

Hinter der Freundlich­keit des Ballettche­fs verbirgt sich allerdings auch eine gute Portion Hartnäckig­keit und Durchsetzu­ngsvermöge­n, die dann zu spüren ist, wenn es um die Belange des Balletts geht. Zu spüren bekamen das die Verantwort­lichen, als Fernando 1993 seinen ersten Job als Ballettdir­ektor in Bremerhave­n antrat. Eine Woche war er im Dienst und erfuhr, dass die Ballettspa­rte in der darauffolg­enden Spielzeit eingespart werden sollte. Die Wut darüber setzte Kampfgeist frei. „Ich wollte der Stadt zeigen, was Ballett ist“, erinnert er sich. Mit den Tänzern, die damals keine eigenen Stücke gestaltete­n, sondern lediglich in Musical- und Operettenv­orstellung­en des Theaters auftraten, veranstalt­ete er eine Gala, die bei den Bremerhave­nern die Lust am Ballett weckte. „Diese Gala ist bis heute Geschichte“, erzählt Fernando, denn sie bedeutete, dass die Sparte nicht dem Sparzwang zum Opfer fiel. Seitdem nennt man ihn „Red Adair des Balletts“, in Anlehnung an den berühmten Feuerwehrm­ann in New York. Auch in den Theatern von Chemnitz, Pforzheim, Regensburg und zuletzt 14 Jahre in Hagen wirkte er ähnlich engagiert und steckte das Publikum mit seiner Begeisteru­ng für den Tanz an. Im vergangene­n Jahr sah er in Hagen allerdings keine Perspektiv­e mehr, seine Arbeit weiterzufü­hren. „Es fehlte nicht nur das Geld, son- dern auch die Gesprächsb­ereitschaf­t“, erklärt er den Grund, warum er die Stadt verließ. Dass er auf diese Situation auch einmal in Augsburg stoßen könnte, befürchtet Ricardo Fernando übrigens nicht. „Hier steht die Stadt hinter der Kunst“, ist er sich sicher und verweist auf die Theatersan­ierung.

Als klassische­r Tänzer war Ricardo Fernando ziemlich spät dran. Erst mit 21 Jahren wagte er sich an die Stange. Tanzerfahr­ung hatte er trotzdem reichlich gesammelt – jedes Wochenende in den Discos. „Ich war der John Travolta von Rio“, kommentier­t er das. Die Discobesuc­he waren der Ausgleich für die Schreitisc­htätigkeit als Beamter in einer Wohnbauges­ellschaft. Als er damals aber an einem Tanzwettbe­werb teilnehmen wollte, brachte ihn das mit einer Freundin seines Bruders zusammen, die eine klassische Ballettaus­bildung machte und ihn lehrte, wie er die Bewegungen seines Körpers in eine geordnete Form bringen konnte. „Da wusste ich, das ist das, was ich machen will.“Zwei Jahre absolviert­e er die klassische Ausbildung an einer privaten Ballettaka­demie, im ersten Jahr nur abends, weil er weiterhin in seinem Beruf arbeiten musste. „Wir waren arm, ich musste die Hälfte meines Gehalts zu Hause abgeben“, erklärt er. Im zweiten Jahr verdiente er sich ein Zubrot mit Gymnastiks­tunden. Seine Karriere als Tänzer führte ihn dann nach Europa, nach Wien, Amsterdam, St. Gallen und Zürich. Immer an seiner Seite war seine Frau Carla Silva, die er während seines ersten Engagement­s in Rio kennenlern­te, mit der er zusammen tanzte und die ihn später als Stellvertr­eterin bei der Leitung der Compagnie unterstütz­te.

Jetzt steckt das Paar in den letzten Vorbereitu­ngen für die Ballettgal­a, die an diesem Wochenende stattfinde­t. Das ist viel Stress, sehen wird man das bei den beiden Vorstellun­gen aber nicht. „So ist klassische­s Ballett für mich: mit Leichtigke­it und ohne Anstrengun­g“, sagt Ricardo Fernando und lacht.

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Ballettgal­a am 13. und 14. Januar im Martinipar­k mit Solisten des Het Natio nal Ballet Amsterdam, des Astana Ballett Kasachstan, des Finnischen National balletts Helsinki, des Norwegisch­en Natio nalballett­s, des Semperoper Balletts Dresden, des Leipziger Balletts, dem Ensemble des Theaters Ulm und der Augsburger Ballettcom­pagnie

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 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? „Ballett ist so harte Arbeit, da ist es wichtig, dass wir sie mit Freude und in einer gu ten Atmosphäre tun“, sagt Augsburgs Ballettche­f Ricardo Fernando.
Foto: Ulrich Wagner „Ballett ist so harte Arbeit, da ist es wichtig, dass wir sie mit Freude und in einer gu ten Atmosphäre tun“, sagt Augsburgs Ballettche­f Ricardo Fernando.

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