Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vom Katzaschtoigmännle und dem Riedschimmel
Sagen und Legenden Der Süden des Augsburger Landes ist eine Fundgrube für geheimnisvolle Geschichten. Schaurige Figuren treiben ihr Unwesen, vergrabene Schätze liegen an unheimlichen Orten
Langenneufnach/Landkreis Ein ruheloser Geist hat es im Wald am Katzensteig auf Wanderer von Langenneufnach nach Siegertshofen abgesehen. Allerdings nur bei Neumond in der Geisterstunde. Dann lauert das „Katzaschtoigmännle“, wie es in der Bevölkerung genannt wird, im Hinterhalt auf den späten Wanderer. Ohne Vorwarnung stürzt es aus seinem Versteck und verfolgt ihn mit Peitschenknallen und feurig leuchtenden Augen. In seiner Angst verirrt sich der Wanderer auf seiner Flucht immer tiefer im Wald. Um Punkt ein Uhr nachts erlöst ihn der Schlag der Langenneufnacher Kirchenglocke vom Spuk. Verwirrt und immer noch schaudernd stellt er fest, dass er sich an der gleichen Stelle befindet, an dem ihm der Geist aufgelauert hat. Erst jetzt kann der Wanderer seinen Heimweg unbehindert fortsetzen.
Eine unheimliche Geschichte. Nachzulesen in den „Sagen aus dem Altlandkreis Schwabmünchen“. Die Erzählung ist eine von vielen Sagen, Legenden und Märchen, die es im Süden des Augsburger Landes gibt. Dort ranken sich um zahlreiche Orte und Landschaften mystische Geschichten, schaurige Figuren und fantastische Vorgänge.
Die Sage vom Katzaschtoigmännle zeigt aber auch, dass Stoffe und Motive übernommen, anderen Gegenden angepasst und aufbereitet werden. So ähnelt die Geschichte aus dem Waldstück Katzensteig der Erzählung vom „Schwoirmänndle“. Nur ist der Handlungsort hier der Raum Bobingen. Im Mittelpunkt steht ein Viehhändler, der mit seinem Kutschwagen durchs Diebeltal heimwärts fährt. Dort verfolgt ihn zu Mitternachtsstunde das in der Gegend gefürchtete Schwoirmänndle.
In dieser Erzählung wird der Geist als mächtige Gestalt mit wehendem Haar und leuchtenden Augen beschrieben, der wild mit seinen langen Armen fuchtelt und fortwährend ohrenbetäubend „Hoihoihoi!“schreit. Dabei kracht es hinter dem Heimfahrenden her, als ob alle Äste des Waldes aneinanderschlügen und der Geist mit feurigen Tannenzapfen würfe.
Während in der Langenneufnacher Sage der Wanderer bis zur Erschöpfung gejagt wird, präsentiert sich der Bobinger Viehhändler furchtlos. Er bringt seinen Gaul zum Stehen, knallt mit seiner Peitsche in Richtung des Verfolgers und schreibt mit ihr ein Kreuzzeichen in die Luft. Diese Reaktion hat sofort Erfolg. Der Geist verschwindet, und der Händler erreicht mit seinem Kutschwagen sicher sein Ziel. Ähnlich verhält es sich mit dem „Wilden Gjäg“. Diese Wilde Jagd brachten die Vorfahren mit heerführenden Göttern in Verbin- die Menschen für ihre Untaten bestrafen. Erzählungen davon finden sich fast in allen Teilen Europas, auch auf dem Lechfeld: Ein Mann, der nachts von Schwabmünchen nach Graben auf dem Heimweg ist, begegnet dort den unsichtbaren Geisterwesen. Er hört in der Luft ein grauenvolles Getöse, Stöhnen und Ächzen. Jagdhunde bellen unheilvoll, Pferde wiehern, Schweine quieken und Katzen miauen. Dazwischen schmettern Hörner, knallen Peitschen und Flinten. Der Mann wirft sich auf die Erde, bekreuzigt sich und verharrt mucksmäuschenstill. Das wilde Heer zieht daraufhin an ihm vorbei, ohne ihn in die Lüfte zu ziehen und zu zerreißen.
Auf Grabener Flur erzählte man sich früher noch andere schaurige Geschichten. Am bekanntesten ist die vom „Riedschimmel“, einem kopflosen Pferd mit einer schweren Eisenkette um den Hals. Das Tier treibt – ähnlich wie der MünzauSchimmel in der Gegend von Unterrothan – sein Unwesen von Mitternacht bis Sonnenaufgang. Wenn Menschen unbeeindruckt ihren Weg fortsetzten, tat ihnen der Schimmel nichts zuleide.
Es gibt eine weitere Fassung dieser Sage. Die handelt von einem Bauern aus Oberottmarshausen. Seine Begegnung mit dem Riedschimmel geht weniger glimpflich aus. Und das kommt so: Betrunken macht er sich um Mitternacht in Graben auf den Nachhauseweg. Als seine Füße schmerzen, ruft er: „Wenn nur der Riedschimmel käme, dann wäre ich bald daheim.“
Im Nu steht das Tier vor ihm und reitet mit dem Bauern in rasendem Galopp durch die Luft. Die Eisenkette kracht wild, und aus den Hufen springen lodernde Flammen. Bei diesem Höllenritt wird der Bauer wieder nüchtern. Er schreit laut um Hilfe. Doch den Schimmel lässt das unbeeindruckt. In Oberottmarshausen angekommen, wirft er den Bauern unsanft auf dem Misthaufen seines Hofes ab. Fazit: Der Bauer ruft nie mehr nach dem Riedschimmel. Und er geht nie mehr sturzbetrunken nach Hause.
Sowohl die Langenneufnacher als auch Grabener Geschichten beinhalten die typischen Merkmale einer Sage. Sie sind geprägt von fantastischen, unwirklichen Ereignissen. Dennoch weisen sie reale Orte und Personen auf. Sie spiegeln das Leben der Menschen, aber auch deren Sorgen und Nöte wider. Damit erheben sie Anspruch auf Glaubwürdigkeit und vermitteln einen Wahrheitsanspruch, auch wenn darin Zwerge, Elfen, Riesen und immer wieder der Teufel vorkommen.
Die bekannteste Sage im Süden des Augsburger Landes ist die des Bobinger Bübles. Sie ist so geläufig, dass daran sogar eine Steinfigur gegenüber der Pfarrkirche St. Felizitas erinnert. Der Kurzinhalt: Ein junger angeklagter Bobinger holt sich Rat bei einem Anwalt. Der Advokat empfiehlt ihm, sich vor Gericht einfach dumm zu stellen und auf jede Frage zu antworten: „So geht’s Bodung, bingen zu.“Dabei soll er stets mit der rechten Hand unter der Nase hin- und herstreifen. Der Bursche folgt dem Rat und kommt frei.
Einige Zeit später treffen sich erneut der Bursche und der Anwalt. Letzterer fordert für seinen guten Ratschlag einen Lohn. Der junge Mann blickt den Advokat daraufhin schelmisch an und erwidert: „So geht’s Bobingen zu.“Im nächsten Augenblick hat er sich aus dem Staub gemacht.
Auch der Glaube ist Thema in der Sagenwelt der Region. Das „Heimatbuch des Landkreises Schwabmünchen“berichtet von der Legende des „Blutenden Muttergottesbilds“in Habertsweiler. Hier wählen aus Übermut einige Hirtenbuben das Muttergottesbild in einer offenen, kleinen Feldkapelle in Emersacker als Zielscheibe. Als der erste Stein trifft, fließt Blut aus dem Bild. Zutiefst erschrocken fliehen die Schänder. Nach dieser Tat ist das Bild verschwunden. Des Rätsels Lösung: Engel haben das Bild nach Habertsweiler gebracht und vor der dem heiligen Leonhard geweihten Kapelle abgelegt. Fortan verehren die dortigen Dorfleute die Gottesmutter mit den Blutstropfen auf dem Hochaltar in tiefer Frömmigkeit.
Geheimnisvolle Schätze sind in den Sagen ebenfalls Thema. Das enge Waldtal des Bärenbachs und Schloss Seyfriedsberg sind zu nennen. Geheimnisvolle Orte, die für Sagen und Mythen geradezu prädestiniert scheinen. In dieser Gegend sind beispielsweise ein niesender, heißen Atem ausstoßender Geist und in finsteren Nächten ein schwarz gekleideter Schimmelreiter anzutreffen. Auch von einem unterirdischen Schatz ist dort die Rede. Bevor er allerdings von einigen Dorfbewohnern gehoben wird, muss ein welterfahrener Kapuziner die Männer mit einem Segensspruch von einem bösen Bann befreien. Die geretteten Schatzgräber wollen daraufhin vom Fund nichts mehr wissen. Sie schenken ihn dem Gottesmann für sein armes Kloster.
Ein Schatz bildet auch die Basis für eine weitere Legende. Heute erinnern daran ein Kreuz und eine Tafel am Leitenberg, nördlich des Bobinger Ortsteils Straßberg. Erzählt wird, dass an dieser Stelle ein Bauer einen gestohlenen Schatz vergraben hat. Nach seinem Tod irrt seine Seele ruhelos im Wald umher. Bis heute soll es auch den Lechgeist geben. Der Königsbrunner Geschichte nach soll der Wassermann Hüter von unermesslichen Reichtümern sein.
Unwirkliche und fantastische Ereignisse, die an realen Orten spielen