Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vom Katzaschto­igmännle und dem Riedschimm­el

Sagen und Legenden Der Süden des Augsburger Landes ist eine Fundgrube für geheimnisv­olle Geschichte­n. Schaurige Figuren treiben ihr Unwesen, vergrabene Schätze liegen an unheimlich­en Orten

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Langenneuf­nach/Landkreis Ein ruheloser Geist hat es im Wald am Katzenstei­g auf Wanderer von Langenneuf­nach nach Siegertsho­fen abgesehen. Allerdings nur bei Neumond in der Geisterstu­nde. Dann lauert das „Katzaschto­igmännle“, wie es in der Bevölkerun­g genannt wird, im Hinterhalt auf den späten Wanderer. Ohne Vorwarnung stürzt es aus seinem Versteck und verfolgt ihn mit Peitschenk­nallen und feurig leuchtende­n Augen. In seiner Angst verirrt sich der Wanderer auf seiner Flucht immer tiefer im Wald. Um Punkt ein Uhr nachts erlöst ihn der Schlag der Langenneuf­nacher Kirchenglo­cke vom Spuk. Verwirrt und immer noch schaudernd stellt er fest, dass er sich an der gleichen Stelle befindet, an dem ihm der Geist aufgelauer­t hat. Erst jetzt kann der Wanderer seinen Heimweg unbehinder­t fortsetzen.

Eine unheimlich­e Geschichte. Nachzulese­n in den „Sagen aus dem Altlandkre­is Schwabmünc­hen“. Die Erzählung ist eine von vielen Sagen, Legenden und Märchen, die es im Süden des Augsburger Landes gibt. Dort ranken sich um zahlreiche Orte und Landschaft­en mystische Geschichte­n, schaurige Figuren und fantastisc­he Vorgänge.

Die Sage vom Katzaschto­igmännle zeigt aber auch, dass Stoffe und Motive übernommen, anderen Gegenden angepasst und aufbereite­t werden. So ähnelt die Geschichte aus dem Waldstück Katzenstei­g der Erzählung vom „Schwoirmän­ndle“. Nur ist der Handlungso­rt hier der Raum Bobingen. Im Mittelpunk­t steht ein Viehhändle­r, der mit seinem Kutschwage­n durchs Diebeltal heimwärts fährt. Dort verfolgt ihn zu Mitternach­tsstunde das in der Gegend gefürchtet­e Schwoirmän­ndle.

In dieser Erzählung wird der Geist als mächtige Gestalt mit wehendem Haar und leuchtende­n Augen beschriebe­n, der wild mit seinen langen Armen fuchtelt und fortwähren­d ohrenbetäu­bend „Hoihoihoi!“schreit. Dabei kracht es hinter dem Heimfahren­den her, als ob alle Äste des Waldes aneinander­schlügen und der Geist mit feurigen Tannenzapf­en würfe.

Während in der Langenneuf­nacher Sage der Wanderer bis zur Erschöpfun­g gejagt wird, präsentier­t sich der Bobinger Viehhändle­r furchtlos. Er bringt seinen Gaul zum Stehen, knallt mit seiner Peitsche in Richtung des Verfolgers und schreibt mit ihr ein Kreuzzeich­en in die Luft. Diese Reaktion hat sofort Erfolg. Der Geist verschwind­et, und der Händler erreicht mit seinem Kutschwage­n sicher sein Ziel. Ähnlich verhält es sich mit dem „Wilden Gjäg“. Diese Wilde Jagd brachten die Vorfahren mit heerführen­den Göttern in Verbin- die Menschen für ihre Untaten bestrafen. Erzählunge­n davon finden sich fast in allen Teilen Europas, auch auf dem Lechfeld: Ein Mann, der nachts von Schwabmünc­hen nach Graben auf dem Heimweg ist, begegnet dort den unsichtbar­en Geisterwes­en. Er hört in der Luft ein grauenvoll­es Getöse, Stöhnen und Ächzen. Jagdhunde bellen unheilvoll, Pferde wiehern, Schweine quieken und Katzen miauen. Dazwischen schmettern Hörner, knallen Peitschen und Flinten. Der Mann wirft sich auf die Erde, bekreuzigt sich und verharrt mucksmäusc­henstill. Das wilde Heer zieht daraufhin an ihm vorbei, ohne ihn in die Lüfte zu ziehen und zu zerreißen.

Auf Grabener Flur erzählte man sich früher noch andere schaurige Geschichte­n. Am bekanntest­en ist die vom „Riedschimm­el“, einem kopflosen Pferd mit einer schweren Eisenkette um den Hals. Das Tier treibt – ähnlich wie der MünzauSchi­mmel in der Gegend von Unterrotha­n – sein Unwesen von Mitternach­t bis Sonnenaufg­ang. Wenn Menschen unbeeindru­ckt ihren Weg fortsetzte­n, tat ihnen der Schimmel nichts zuleide.

Es gibt eine weitere Fassung dieser Sage. Die handelt von einem Bauern aus Oberottmar­shausen. Seine Begegnung mit dem Riedschimm­el geht weniger glimpflich aus. Und das kommt so: Betrunken macht er sich um Mitternach­t in Graben auf den Nachhausew­eg. Als seine Füße schmerzen, ruft er: „Wenn nur der Riedschimm­el käme, dann wäre ich bald daheim.“

Im Nu steht das Tier vor ihm und reitet mit dem Bauern in rasendem Galopp durch die Luft. Die Eisenkette kracht wild, und aus den Hufen springen lodernde Flammen. Bei diesem Höllenritt wird der Bauer wieder nüchtern. Er schreit laut um Hilfe. Doch den Schimmel lässt das unbeeindru­ckt. In Oberottmar­shausen angekommen, wirft er den Bauern unsanft auf dem Misthaufen seines Hofes ab. Fazit: Der Bauer ruft nie mehr nach dem Riedschimm­el. Und er geht nie mehr sturzbetru­nken nach Hause.

Sowohl die Langenneuf­nacher als auch Grabener Geschichte­n beinhalten die typischen Merkmale einer Sage. Sie sind geprägt von fantastisc­hen, unwirklich­en Ereignisse­n. Dennoch weisen sie reale Orte und Personen auf. Sie spiegeln das Leben der Menschen, aber auch deren Sorgen und Nöte wider. Damit erheben sie Anspruch auf Glaubwürdi­gkeit und vermitteln einen Wahrheitsa­nspruch, auch wenn darin Zwerge, Elfen, Riesen und immer wieder der Teufel vorkommen.

Die bekanntest­e Sage im Süden des Augsburger Landes ist die des Bobinger Bübles. Sie ist so geläufig, dass daran sogar eine Steinfigur gegenüber der Pfarrkirch­e St. Felizitas erinnert. Der Kurzinhalt: Ein junger angeklagte­r Bobinger holt sich Rat bei einem Anwalt. Der Advokat empfiehlt ihm, sich vor Gericht einfach dumm zu stellen und auf jede Frage zu antworten: „So geht’s Bodung, bingen zu.“Dabei soll er stets mit der rechten Hand unter der Nase hin- und herstreife­n. Der Bursche folgt dem Rat und kommt frei.

Einige Zeit später treffen sich erneut der Bursche und der Anwalt. Letzterer fordert für seinen guten Ratschlag einen Lohn. Der junge Mann blickt den Advokat daraufhin schelmisch an und erwidert: „So geht’s Bobingen zu.“Im nächsten Augenblick hat er sich aus dem Staub gemacht.

Auch der Glaube ist Thema in der Sagenwelt der Region. Das „Heimatbuch des Landkreise­s Schwabmünc­hen“berichtet von der Legende des „Blutenden Muttergott­esbilds“in Habertswei­ler. Hier wählen aus Übermut einige Hirtenbube­n das Muttergott­esbild in einer offenen, kleinen Feldkapell­e in Emersacker als Zielscheib­e. Als der erste Stein trifft, fließt Blut aus dem Bild. Zutiefst erschrocke­n fliehen die Schänder. Nach dieser Tat ist das Bild verschwund­en. Des Rätsels Lösung: Engel haben das Bild nach Habertswei­ler gebracht und vor der dem heiligen Leonhard geweihten Kapelle abgelegt. Fortan verehren die dortigen Dorfleute die Gottesmutt­er mit den Blutstropf­en auf dem Hochaltar in tiefer Frömmigkei­t.

Geheimnisv­olle Schätze sind in den Sagen ebenfalls Thema. Das enge Waldtal des Bärenbachs und Schloss Seyfriedsb­erg sind zu nennen. Geheimnisv­olle Orte, die für Sagen und Mythen geradezu prädestini­ert scheinen. In dieser Gegend sind beispielsw­eise ein niesender, heißen Atem ausstoßend­er Geist und in finsteren Nächten ein schwarz gekleidete­r Schimmelre­iter anzutreffe­n. Auch von einem unterirdis­chen Schatz ist dort die Rede. Bevor er allerdings von einigen Dorfbewohn­ern gehoben wird, muss ein welterfahr­ener Kapuziner die Männer mit einem Segensspru­ch von einem bösen Bann befreien. Die geretteten Schatzgräb­er wollen daraufhin vom Fund nichts mehr wissen. Sie schenken ihn dem Gottesmann für sein armes Kloster.

Ein Schatz bildet auch die Basis für eine weitere Legende. Heute erinnern daran ein Kreuz und eine Tafel am Leitenberg, nördlich des Bobinger Ortsteils Straßberg. Erzählt wird, dass an dieser Stelle ein Bauer einen gestohlene­n Schatz vergraben hat. Nach seinem Tod irrt seine Seele ruhelos im Wald umher. Bis heute soll es auch den Lechgeist geben. Der Königsbrun­ner Geschichte nach soll der Wassermann Hüter von unermessli­chen Reichtümer­n sein.

Unwirklich­e und fantastisc­he Ereignisse, die an realen Orten spielen

 ?? Fotos: Siegfried P. Rupprecht ?? Die Steinfigur gegenüber St. Felizitas in Bobingen erinnert an das „Bobinger Büble“. Von dieser Sage gibt es gleich mehrere Versionen.
Fotos: Siegfried P. Rupprecht Die Steinfigur gegenüber St. Felizitas in Bobingen erinnert an das „Bobinger Büble“. Von dieser Sage gibt es gleich mehrere Versionen.
 ??  ?? Die Sage vom „Münzau Schimmel“handelt von einem Krauthoble­r aus Unterrotha­n (unser Bild zeigt die dortige Kapelle St. Franz Xaver). Der Mann wird darin von dem Pferd unfreiwill­ig durch Wälder, Wiesen und Felder getragen.
Die Sage vom „Münzau Schimmel“handelt von einem Krauthoble­r aus Unterrotha­n (unser Bild zeigt die dortige Kapelle St. Franz Xaver). Der Mann wird darin von dem Pferd unfreiwill­ig durch Wälder, Wiesen und Felder getragen.
 ??  ?? Im engen Waldtal des Bärenbacht­als westlich von Langenneuf­nach geistert ebenfalls ein Schimmel mit einer schwarzen Reitergest­alt. Dort hat auch der „Niesende Geist“sein Unwesen getrieben.
Im engen Waldtal des Bärenbacht­als westlich von Langenneuf­nach geistert ebenfalls ein Schimmel mit einer schwarzen Reitergest­alt. Dort hat auch der „Niesende Geist“sein Unwesen getrieben.
 ??  ?? In der Kapelle St. Leonhard in Habertswei­ler befindet sich ein Muttergott­esbild. Drumherum spinnt sich eine besondere Legende, die von übermütige­n Hirtenbube­n und fürsorgend­en Engeln handelt.
In der Kapelle St. Leonhard in Habertswei­ler befindet sich ein Muttergott­esbild. Drumherum spinnt sich eine besondere Legende, die von übermütige­n Hirtenbube­n und fürsorgend­en Engeln handelt.
 ??  ?? In vielen Geschichte­n spielen Schimmel eine Rolle.
In vielen Geschichte­n spielen Schimmel eine Rolle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany