Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wer hat es besser: Land oder Stadtkinder?
Ein paar Häuser irgendwo im Nirgendwo, gackernde Hühner und ein Bus, der einmal am Tag den Staub von der Straße aufwirbelt: Das typische Dorf. Das krasse Gegenteil ist die Stadt, in der das Leben scheinbar pulsiert, Menschen aus allen Ecken der Welt leben – und es überall Highspeed-Internet gibt. Aber ist der Unterschied zwischen dem Land- und Stadtleben wirklich so extrem? Gegeneinander treten an: der 17-jährige Lennart Miller aus Deubach (linke Spalte) stellvertretend für das Team „Land“und der Neusässer Sascha Christl (rechte Spalte), 18 Jahre alt, für das Team „Stadt“ „Ich habe eine mittelmäßige Zuganbindung, weil ich mit dem Fahrrad fünf Minuten nach Gessertshausen fahren muss. Unter der Woche bin ich durchgetaktet und habe wenn, dann am Wochenende Zeit.“
„Ich bin nicht so der Feiertyp, aber wenn ich feiern gehe, dann auf Dorfpartys oder in den Sportklub, das ist quasi die Dorfbar. Dort sitzt die Dorfgemeinschaft gemütlich zusammen. Wir treffen uns oft spontan. Mit dem Freundeskreis fährt man eher in die Stadt rein.“
„Der Zusammenhalt im Musikverein ist sehr gut. Es ist eine recht junge Kapelle, und man spielt auf Konzerten und im Bierzelt. Manchmal machen wir auch einen Spieleabend. Es ist alles freundschaftlich, und ich fühle mich sehr wohl im Verein.“
„Ich gehe auf das Schmuttertal-Gymnasium Diedorf. Dort sind die Schüler und Lehrer nett. Es gibt sicherlich ein paar Ausnahmen, aber auch die sind passabel.“
„Der Freundeskreis macht vielleicht manchmal mit, aber ich eigentlich nicht. Vor allem über Instagram bekomme ich Trends schnell mit. Ich benutze keine Jugendsprache. Bei Mode halte ich mich neutral und relativ unbeeinflusst.“
„Klamotten kaufe ich im Internet, Drogeriebedarf selbst beziehungsweise meine Mutter. Geschenke habe ich für diese Weihnachten in der Stadt, also Augsburg, gekauft. Wenn ich ein Geschenk spontan brauche, muss ich eher nach Diedorf, denn in Deubach wird das kritisch.“
„Wir haben eine gute Dorfgemeinschaft: Wenn Dorffest ist, kommen alle zusammen, und als vor zwei Jahren Fest der Freiwilligen Feuerwehr war, haben auch alle zusammengeholfen. Wenn sich die Gelegenheit bietet, kommen die Nachbarn vorbei.“
„Früher, wenn meine Eltern arbeiten waren, bin ich zur Oma gegangen. Allein war ich eigentlich nie. Die Selbstständigkeit ist mit der Zeit gekommen. Es gab also kein Trauma, wo ich auf mich gestellt war oder allein gelassen wurde.“ „Ich kann spontan handeln, da ich eine gute Bus- und Zugverbindung habe. Jetzt kann ich Auto fahren, aber auch davor hat es gut geklappt. Ich treffe mich oft mit Freunden.“
„Um ehrlich zu sein, bin ich persönlich nicht der riesige Feiermensch. Was mir eher liegt: Ich schlendere lieber mit Freunden durch die Stadt. Wenn, dann feiere ich daheim im Freundeskreis relativ spontan.“
„Ich bin im Tanzverein in Neusäß und habe dort enge Freundschaften. Ich bin Jugendwart und daher relativ eingebunden in den Verein. Meistens bin ich zur Stelle, wenn dort Hilfe benötigt wird.“
„Ich mache schon eine Ausbildung, aber an der Realschule in Neusäß gab es fast kein Mobbing, dafür aber einen großen Zusammenhalt. Allerdings habe ich auch schon vom Gegenteil an anderen Schulen gehört.“
„Obwohl ich Trends schnell mitbekomme, da ich Freunde habe, die jeden Schmarrn mitmachen, bin ich relativ unabhängig und lasse mich nicht beeinflussen. Jugendsprache wird zwar in meinem Freundeskreis verwendet, aber ich passe mich da nur leicht an.“
„Es sind ein paar Gehminuten zu allen Geschäften. Was ich in der Nähe kaufen kann, besorge ich dort, den Rest im Internet. Auch hier kann ich relativ spontan sein, da ich guten Zugriff auf alles habe.“
„Man grüßt sich, plaudert hin und wieder, aber sonst macht man eigentlich nichts zusammen. Wenn etwas ist, was die ganze Straße angeht, hilft man schon zusammen. Mit einem Nachbarn versteht man sich besser und trifft sich auch, mit dem anderen hat man gar keinen Kontakt.“
„Ich hatte immer viel Freiraum, und mein Vater hat mir, wenn nötig, den Rücken freigehalten. Gefühlt bin ich schon immer allein unterwegs gewesen. Ich hatte schon im Grundschulalter ein Tastenhandy, damit ich immer erreichbar war. Insgesamt war ich relativ früh selbstständig.“
Fazit: Ganz so extrem, wie am Anfang dargestellt, ist es also nicht. Zwar unterscheiden sich Stadt und Land in Sachen Selbstständigkeit, Nachbarschaft und Einkaufen. Trotzdem haben Lennart und Sascha auch einiges gemeinsam. Die Kategorien Hobby, Schule und Familie ähneln sich nämlich durchaus. Aber ganz egal, ob Land oder Stadt: Nette Leute gibt es überall. Die Interviews führte Lena Angerer.