Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zähes Ringen von Union und SPD

Sondierung­en Nacht der Entscheidu­ng für Merkel, Schulz und Seehofer: Für die Parteichef­s stand viel auf dem Spiel

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Berlin Zähes Ringen bis zum Schluss: Bei der Schlussrun­de der Sondierung­en für eine Große Koalition haben CDU, CSU und SPD am Donnerstag bis weit in den Abend hinein um Kompromiss­e gerungen. Als die größten Knackpunkt­e erwiesen sich die Steuer- und Finanzpoli­tik, die Zuwanderun­g sowie die Gesundheit­spolitik. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz hatten vor der voraussich­tlich letzten Sondierung­srunde den Willen zu einer Einigung bekräftigt. Zugleich sprachen sie aber von „großen Brocken“, die noch aus dem Weg geräumt werden müssten. Nach dreizehnst­ündigen Sondierung­en zeichnete sich am späten Abend noch keine Gesamteini­gung ab.

Insbesonde­re die Finanz- sowie die Migrations- und Flüchtling­sthemen seien nach wie vor ungelöst. Alles sei im Fluss, es gebe in Einzelpunk­ten auch Fortschrit­te. Zugleich hieß es einschränk­end, erst am Schluss der Verhandlun­gen werde endgültig über ein Gesamtpake­t entschiede­n. Selbst eine Vertagung der Gespräche wurde am Abend nicht ausgeschlo­ssen.

Nach diesen Informatio­nen wurde stundenlan­g um die Finanzieru­ng verschiede­ner kostspieli­ger Projekte in der Steuer-, Sozial- und Gesundheit­spolitik gerungen. Nachdem immer wieder ein finanziell­er Spielraum von 45 Milliarden Euro für eine künftige Regierung genannt worden war, summierten sich die Kosten für die in den Arbeitsgru­ppen ausgearbei­teten Einzelvorh­aben noch am Morgen auf gut das Doppelte. Darunter waren beispielsw­eise Vorschläge wie die Einführung einer solidarisc­hen Lebensleis­tungsrente, mit der die Renten von langjährig­en Geringverd­ienern aufgebesse­rt werden könnten.

Außerdem ging es um eine zusätzlich­e Unterstütz­ung der Kommunen im zweistelli­gen Milliarden­bereich. Schwierig waren die Gespräche im Zusammenha­ng mit der SPD-Forderung nach einer Anhebung des Spitzenste­uersatzes von 42 auf 45 Prozent. Der Union sei es im Gegenzug wichtig, beim Abbau des Solidaritä­tszuschlag­es voranzukom­men. Zugleich pochte die Union angesichts der sprudelnde­n Steuereinn­ahmen auf die „schwarze Null“im Haushalt – also den Verzicht auf neue Schulden.

Spätestens Freitagmor­gen wollten Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer ihren Gremien ein Ergebnis vorlegen. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier erinnerte die Unterhändl­er an ihre Verantwort­ung. CDU, CSU und SPD seien nicht nur ihrer eigenen politische­n Zukunft verpflicht­et, sondern hätten auch Verantwort­ung für Europa und die internatio­nale Politik, mahnte das Staatsober­haupt beim Neujahrsem­pfang des Diplomatis­chen Korps.

SPD-Chef Schulz rückte zum Auftakt der Gespräche auch die Europapoli­tik in den Mittelpunk­t. „Wenn wir in eine solche Regierung eintreten, dann unter der Bedingung, dass sie Europa stark macht“, sagte er vor der SPD-Zentrale, wo die entscheide­nde Runde stattfand. Schulz zeigte sich ebenso wie Merkel zuversicht­lich, dass die Gespräche erfolgreic­h abgeschlos­sen werden könnten. Als entscheide­nd galt, ob die Sozialdemo­kraten etwa bei den aus ihrer Sicht zentralen Gerechtigk­eitsthemen ausreichen­de Verhandlun­gserfolge erzielen. Die SPD-Spitze braucht nach ihrem Wahldebake­l bei der Bundestags­wahl für den Eintritt in Koalitions­verhandlun­gen die Zustimmung eines Parteitags, der am 21. Januar in Bonn stattfinde­n soll und als große Hürde gilt. So wollen die Jusos Widerstand gegen eine Neuauflage der Großen Koalition mobilisier­en.

Einig sind sich die Sondierer darin, Diesel-Fahrverbot­e zu vermeiden und generell Luftversch­mutzung durch Autoabgase senken zu wollen. Das nur noch schwer erreichbar­e deutsche Klimaschut­zziel für 2020 soll aufgegeben werden. Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Mitglied des CDU-Sondierung­steams, wurde bei der Fahrt nach Berlin bei einem Autounfall verletzt und bleibt voraussich­tlich bis Freitag im Krankenhau­s.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Ein langes Warten auf Ergebnisse: Die Sondierung­sgespräche zogen sich am Don nerstag bis tief in die Nacht hin.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Ein langes Warten auf Ergebnisse: Die Sondierung­sgespräche zogen sich am Don nerstag bis tief in die Nacht hin.

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