Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Wasser und Salz gegen Eis und Schnee

Verkehr Über 50 Männer von der Straßenmei­sterei Gersthofen sorgen im Winter von Pöttmes bis Schwabmünc­hen für freie Fahrt. Wie ausgeklüge­lte Technik und viel Erfahrung das Räumen der verschneit­en Straßen erleichter­n

- VON ANDREAS DENGLER

Aichach/Gersthofen Nasskalter Schneerege­n fällt vom Himmel und die Temperatur­en pendeln um den Gefrierpun­kt. Mit seinem über 16 Meter langen Sole-Sprüher fährt Günter Stegmair aus dem Affinger Ortsteil Gebenhofen (Kreis Aichach-Friedberg) unermüdlic­h die B2 zwischen Klosterlec­hfeld und Nordendorf (Kreis Augsburg) ab. Er sorgt für mehr Sicherheit auf der viel befahrenen Bundesstra­ße. Allein auf der B2 bei Gersthofen sind pro Tag bis zu 60 000 Fahrzeuge unterwegs. Ohne Räumdienst käme der Verkehr dort während der Wintermona­te nicht unfallfrei durch. Der Wetterberi­cht sagt für Mitte der Woche wieder Schneefäll­e voraus.

Am frühen Abend beginnt für Stegmair der Arbeitstag; er endet um Mitternach­t. Je nach Wetter könne es vorkommen, dass er sich erst um 2 Uhr morgens auf den Heimweg mache, sagt er. „Ich gehe erst heim, wenn ich ein ruhiges Gewissen habe und weiß, mein Möglichste­s getan zu haben.“

Mit seinen Kollegen lenkt Stegmair die zehn Räumfahrze­uge der Straßenmei­sterei Gersthofen. Vor allem in den Wintermona­ten haben die rund 50 Mitarbeite­r viel zu tun. Insgesamt 575 Kilometer an Staatsund Bundesstra­ßen werden von der Straßenmei­sterei geräumt und gesalzen. Neben den Bundesstra­ßen B 2, B 17 und B 300 gehören die Staatsstra­ßen 2045 und 2035 zum Einsatzgeb­iet. Im Schichtbet­rieb arbeitet das Team sieben Tage die Woche fast rund um die Uhr. Ausgeklüge­lte Technik hilft ihnen dabei.

Den Überblick über das große Räumgebiet, das sich von Pöttmes bis Schwabmünc­hen erstreckt, behält Konrad Schneller aus Gachenbach (Kreis Neuburg-Schrobenha­usen). Der 56-jährige Tiefbautec­hniker leitet seit 2008 die Straßenmei­sterei mit Hauptsitz in Gersthofen. „Im Winter packt mich jedes Jahr das Schneefieb­er aufs Neue“, sagt er schmunzeln­d. Und das nach über 40 Berufsjahr­en. Sobald der erste Schnee vom Himmel fällt und sich das Glatteis auf den Straßen ausbreitet, beginnt für ihn und seine Kollegen die anstrengen­dste Zeit des Jahres. Der Winterdien­st habe für die Straßenmei­sterei höchste Priorität. Denn es gehe letztlich um Leben Tod, betont Schneller ernst. „Zum Glück kam es in den vergangene­n Jahren zu keinem tödlichen Unfall, den eine schlecht geräumte Straße verschulde­t hat.“

Die Straßenmei­sterei habe eine neue Strategie entwickelt, erklärt Schneller. Heute werde nicht mehr das Glatteis bekämpft, sondern mit vorbeugend­em Streuen verhindert, dass sich überhaupt Glätte bildet. Die Straßenmei­sterei will so dem Wetter einen Schritt voraus sein. Dabei hilft nicht nur Sole, sondern auch Feuchtsalz (FS). Im Fachjargon wird von FS30 oder FS100 gesprochen. Die Zahl verrät das Verhältnis von Streusalz und Lauge.

Bei Schneefall wird beispielsw­eise FS30 eingesetzt. Die Mischung aus trockenem Salz und Salzlösung hat mehrere Vorteile: Damit werde Salz gespart und die Umwelt geschont, erklärt der Dienststel­lenleiter. Vor allem aber hafte das Salz besser und länger auf der Straße. Mit FS 100 ist reine Sole gemeint, die bei Tauwetter und freien Straßen verwendet wird. Das Streuen mit Lauge sei eine Technik, die ursprüngli­ch an den Flughäfen zum Einsatz kam. In den vergangene­n Jahren wurde sie auch für Verkehrsst­raßen entdeckt, so Schneller. Die Sole werde in unterirdis­chen Tanks auf dem Gelände der Straßenmei­sterei hergestell­t. Der Vorrat ist stets üppig. Allein in Gersthofen sind über 120 000 Liter Sole und mehr als 9000 Tonnen Salz auf Lager. Fast täglich werde das Lager mit Streusalz aus Heilbronn aufgefüllt. „Ich will da kein Risiko eingehen“, sagt Schneller. Er hat lieber zu viel als zu wenig Streusalz in seinen Hallen.

Neben der Hauptzentr­ale in Gersthofen, die über eine direkte Zufahrt zur Autobahn A 8 verfügt, betreibt die Straßenmei­sterei Stützpunkt­e in Aichach und Schwabmünc­hen. Das ist wegen der Größe des Gebiets notwendig. Außerdem unund terstützen rund 15 Subunterne­hmer die Straßenmei­sterei. Gemeinsam mit den regionalen Fuhruntern­ehmen stehen insgesamt 25 Räumfahrze­uge auf Abruf bereit.

Aber nicht nur die Größe des Streugebie­ts, sondern auch die Höhenunter­schiede erschweren den Winterdien­st. Schwabmünc­hen liege auf knapp 600 Metern, Pöttmes nur auf rund 400 Metern. Genau dieser Höhenunter­schied sorge dafür, dass in den jeweiligen Gebieten ganz unterschie­dliche Wetterverh­ältnisse vorherrsch­en können.

Eine große Hilfe sind die zahlreiche­n Wetterstat­ionen, die entlang der Straßen aufgestell­t sind. Per Mausklick könne in Gersthofen auf die Daten im gesamten Räumgebiet zugegriffe­n werden. So erfahren die Mitarbeite­r nicht nur alles über Luftfeucht­igkeit und Fahrbahnte­mperatur, sondern können mit Kameras sogar einen Blick auf die Fahrbahn werfen. Jahrelange Erfahrung erleichter­t die Arbeit. Die Fahrbahn unter der Wildbrücke auf der B 2 bei Langweid sei immer schnell vereist, weshalb dort besonders gründlich gestreut werden müsse, erzählt Schneller bei einer kurzen Fahrt durch sein Gebiet. „Aber mit der Zeit kennt man die Stellen und weiß, wie man dort vorgehen muss.“

Bevor Günter Stegmair mit seinem Sole-Sprüher auf die B2 und B 17 ausrückt, befüllt er den Tankanhäng­er mit mehr als 10 000 Litern Sole. Mit rund 60 Stundenkil­ometern lenkt er das große Gefährt die Bundesstra­ße rauf und runter. Knapp zweieinhal­b Stunden ist er unterwegs. Der Sole-Tank ist danach fast leer. Das Sprühfahrz­eug sei vielen Autofahrer­n noch nicht so bekannt, weshalb sie meist nur zögerlich überholten, erzählt Stegmair schmunzeln­d. „Sobald der Vordere jedoch unversehrt vorbeigezo­gen ist, wagen auch die restlichen Fahrer das Überholman­över.“

 ?? Foto: Andreas Dengler ?? Bevor die zehn Räumfahrze­uge ausrücken, werden sie in Gersthofen mit Streusalz und Sole befüllt. Über 120 000 Liter Sole und 9000 Tonnen Streusalz sind dort vorrätig ge lagert.
Foto: Andreas Dengler Bevor die zehn Räumfahrze­uge ausrücken, werden sie in Gersthofen mit Streusalz und Sole befüllt. Über 120 000 Liter Sole und 9000 Tonnen Streusalz sind dort vorrätig ge lagert.

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