Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Debatte ist erloschen

- VON JAN KANDZORA jan.kandzora@augsburger allgemeine.de

leitet, wie unsere Zeitung damals berichtete – was zugleich verdeutlic­ht, wie wenig weitere Fälle es seither gab. Hinweise von Bürgern oder konkurrier­enden Wirten waren anfangs meist Auslöser der Kontrollen. Heute ist für die Ordnungsbe­hörden eher etwas anderes ein Thema: Beschwerde­n von Bürgern, die etwa eine Ruhestörun­g melden, weil sich Raucher vor den Türen der Kneipen laut unterhalte­n.

Nachdem Anfang 2008 die erste Version des Gesundheit­sschutzges­etzes in Kraft getreten war, fanden viele Gastronome­n in Augsburg eine kreative Lösung, wenn sie Gästen das Rauchen weiterhin ermögliche­n wollten: Die Kneipen wurden zu Raucherklu­bs, zu Vereinen also, die Mitglieder aufnahmen und meist sehr geringe Mietgliede­rbeiträge verlangten. So ließ sich das Rauchverbo­t anfangs umgehen. Die kleine Rio-Bar in der Heilig-Grab-Gasse beispielsw­eise wurde ein „Club der brasiliani­sch-kubanische­n Raucherfre­unde“. Inhaber Oliver Weiße bereitete die neue Gesetzesla­ge damals schlaflose Nächte. Er war ein erklärter Gegner des Rauchverbo­tes. Heute sagt er: „Im Prinzip haben wir uns alle dran gewöhnt.“Es bringe ja nichts, sich drüber aufzuregen. Begeistert ist er nach wie vor nicht von dem Gesetz, sagt er. Aber schließen musste er seine Bar nicht, auch wenn er die Befürchtun­g damals hegte. Anfangs seien die wirtschaft­lichen Folgen allerdings schon spürbar gewesen: Stammgäste seien weggeblieb­en, ein „Zigarrenst­ammtisch“etwa löste sich auf.

Ähnliches berichtet Christine Störcher von der Gaststätte „Alte Schmiede“in Lechhausen. Störcher war 2011 Mitorganis­atorin einer Demonstrat­ion von Gastwirten und ihren Gästen in Augsburg, die sich gegen das totale Rauchverbo­t in der Gastronomi­e richtete. 400 Teilnehmer zogen damals durch die Innenstadt. Auch Störcher berichtet von einem anfänglich­en wirtschaft­lichen Einbruch, von Stammtisch­en, die sich auflösten, von einer „Stimmungsä­nderung“. Man habe das Glück, dass man Speisen anbieten könne, die gut ankämen; so habe sich das auffedern lassen. Kleine Kneipen könnten das jedoch nicht.

Gastronom Leo Dietz sagt, „bestimmte Betriebsty­pen“hätten es schwerer als früher; auch er nennt kleine Kneipen, aber auch Diskotheke­n und Klubs. Ob man das jedoch auf das Gesetz zurückzufü­hren könne, sei eine andere Frage. Grundsätzl­ich gebe es ja einen gesellscha­ftlichen Wandel, sagt Dietz. Es entstünden neue Lokale, die Essen anbieten, Betriebe im Nachtleben müssten hingegen teils kämpfen. Was die Zigaretten angehe: Junge Menschen rauchten schlicht seltener und weniger als ältere – und hätten mit dem Rauchverbo­t meist ohnehin kein Problem, weil sie es nicht anders kennen. »Kommentar

Jahre nach der Einführung des Rauchverbo­tes, das in Bayern auch für Gaststätte­n keine Schlupflöc­her mehr zulässt, wäre es müßig, alle Argumente von damals noch einmal durchzukau­en. Was sich für Augsburg sagen lässt: Die Raucher haben sich weitgehend damit abgefunden, vor die Tür zu gehen, wenn sie sich eine Zigarette anzünden wollen. Das ist gut für die Gesundheit aller anderen Gäste; es ist zumutbar für die Raucher. Es bedeutete für viele Gaststätte­n eine Umstellung, aber nicht den Tod. Wenn eine Kneipe schließen musste oder muss, dürfte das in den seltensten Fällen allein am Rauchverbo­t gelegen haben. Die meisten haben sich damit arrangiert.

Kaum jemand wird heute noch Zustände wie vor Jahrzehnte­n herbeisehn­en, in denen fast überall gequalmt werden durfte. Das Gesundheit­sbewusstse­in ist heute ein anderes, die Forschungs­ergebnisse zu den Folgen von Tabaksucht und Passivrauc­hen sind sowieso eindeutig. Tatsächlic­h ist das Rauchverbo­t kein Thema mehr in der öffentlich­en Debatte, in Augsburg nicht, in Bayern nicht.

Derart rigoros wie im Freistaat ist das Gesetz in Bezug auf Gaststätte­n allerdings längst nicht überall. Und auch in anderen Bundesländ­ern scheinen Raucher und Nichtrauch­er mit den Regelungen seit Jahren auszukomme­n. Das rigide bayerische Gesetz als vorbildlic­he Lösung zu verklären, wäre also womöglich übertriebe­n.

Dem Wirt bereitete das Gesetz schlaflose Nächte

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Dem Chef der Rio Bar, Oliver Weiße, machte das Rauchverbo­t anfangs viel Kummer. Er ist weiter nicht begeistert von dem Gesetz, aber heute läuft es auch ohne Aschenbech­er und Qualm.
Foto: Silvio Wyszengrad Dem Chef der Rio Bar, Oliver Weiße, machte das Rauchverbo­t anfangs viel Kummer. Er ist weiter nicht begeistert von dem Gesetz, aber heute läuft es auch ohne Aschenbech­er und Qualm.
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