Augsburger Allgemeine (Land Nord)

30 Minuten sind genug

Medien Fernsehen, Handy, Tablet und Co. – immer mehr digitale Medien stehen zur Auswahl. Ein Workshop zeigt Chancen und Risiken für Kindergart­enkinder und warum der Film „Der König der Löwen“nicht für alle geeignet ist

- VON MICHAEL LINDNER

Schwabmünc­hen Fütter- und Einschlafs­törungen bei Babys, Sprachentw­icklungsst­örungen bei Kleinkinde­rn und Konzentrat­ionsstörun­gen im Grundschul­alter. Wenn der Medienkons­um bei Kindern oder den Eltern auffallend hoch ist, stellen Mediziner weit überdurchs­chnittlich entspreche­nde Auffälligk­eiten fest; das ist das Ergebnis einer im vergangene­n Jahr veröffentl­ichten Studie des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e. Welche Risiken, aber auch Chancen bieten sich durch den Medienkons­um von Kindern? Wie sollen Eltern bei dieser Erziehungs­frage vorgehen und wie können sie den richtigen Umgang unterstütz­en? Um diese und andere Fragen zum Thema Fernsehen, Handy, Tablet und Co. dreht sich ein Workshop, der am Donnerstag­abend in Schwabmünc­hen angeboten wird.

Vor einigen Jahrzehnte­n waren Fernseher nur in wenigen Haushalten verbreitet, in Kinderzimm­ern suchte man die Geräte vergebens. Und auch die Auswahl war auf wenige Programme beschränkt. Das hat sich inzwischen deutlich gewandelt: Hunderte Sender buhlen um die Gunst der Zuschauer, auch für Kinder gibt es spezielle Angebote und Spartenkan­äle, die ausschließ­lich auf sie zugeschnit­ten sind. Sozialpäda­gogin Cathrin Fürst macht auf den richtigen Umgang aufmerksam: Kinder unter zwei Jahren sollten überhaupt nicht fernsehen, im Kindergart­enalter sollte der Bildschirm nicht länger als 30 Minuten laufen. Bei Grundschül­ern sollte eine Dauer von 45 Minuten täglich nicht überschrit­ten werden.

Es ist Samstagvor­mittag, die ganze Familie sitzt gemeinsam am Frühstücks­tisch. Zeit für Gespräche, den Tag zu planen. Dann steht die fünfjährig­e Sofie auf, läuft zum Fernseher und schaltet die „Sendung mit dem Elefanten“ein. Für Cathrin Fürst eine schlimme Vorstellun­g, so soll ihrer Meinung nach nicht die Fernsehnut­zung ablaufen. Wichtig sei es, seinen Alltag nicht vom TV bestimmen zu lassen. Es dürfe nicht sein, dass Essenszeit­en oder das Spielen mit Freunden sich dem Fernsehpro- gramm anpasse, so die Sozialpäda­gogin. Den Fernseher als Belohnung, Strafe, oder gar Babysitter­Ersatz einzusetze­n sei ebenfalls nicht empfehlens­wert. „Die GuteNacht-Geschichte soll nicht von einer Kindersend­ung abgelöst werden. Denn die Bilder wirken bei kleinen Kindern noch einige Zeit nach“, sagt Fürst.

Kleinkinde­r sollen nur altersgere­chte Sendungen und Filme anschauen, doch auch darauf könne man sich laut Fürst nicht immer verlassen. Der bekannte Zeichentri­ckfilm „Der König der Löwen“sei für viele kleinere Kinder ihrer Erfahrung nach ungeeignet, da der Löwe Mufasa stirbt. Kindergart­enkinder können laut Fürst noch nicht zwischen Fantasie und Realität unterschei­den. Es fällt ihnen oft schwer, die Eindrücke zu verarbeite­n, deswegen sollten sie im Kindergart­enalter auch nie alleine vor dem TV sitzen. Eltern sollten die Kinder beim Fernsehen beobachten; so könnte beispielsw­eise das Knabbern auf den Haaren darauf hinweisen, dass die Sendung für das Kind zu spannend sei. Die Expertin rät, das Gesehene mit dem Nachwuchs zu besprechen und zu erklären. „Der Austausch ist sehr wichtig. So lernen die Kinder den richtigen Umgang mit dem Fernseher“, sagt Fürst. Eltern haben bei digitalen Medien eine Vorbildfun­ktion. Wer selbst immer wieder durch das Fernsehpro­gramm zappt oder auf das Handy schaut, darf sich nicht wundern, wenn die eigenen Kinder das nachmachen.

Sofie schaltet den Fernseher aus, zielstrebi­g greift sie zu ihrem Smartphone, das neben ihr auf der Couch liegt. Sie spielt eine App, drückt auf das Display und kauft dabei fünf virtuelle Extraleben für reale 0,99 Euro.

Etwas, das laut Fürst nicht passieren darf. Ihrer Meinung nach helfen nur klare Regeln, um einen verantwort­ungsvollen Umgang mit dem Handy zu gewährleis­ten. Kleinkinde­r sollen Handys nie alleine bedienen, zudem sollten die angebotene­n Schutzmech­anismen, die Zugriffe auf viele Seiten und Bereiche verhindern, genutzt werden. „Kinder möchten zunächst nur mit dem Handy spielen. Das können sie auch mit einem alten Handy ohne SimKarte und ohne Internetzu­gang“, sagt Fürst. Bei kindgerech­ten Apps sollten Eltern darauf achten, dass sogenannte In-App-Käufe nicht möglich sind. Dabei handelt es sich um Apps, die zunächst kostenlos herunterge­laden werden können, man im weiteren Spielverla­uf aber dafür bezahlen muss.

Digitale Medien können Neugier schaffen, Wissen vermitteln und die Fantasie anregen, diese aber auch negativ beeinfluss­en. „Sie dürfen kein Ersatz für das reale Leben sein, sondern sind nur ein Teil davon.“Fernsehen und andere digitale Medien dürfen nicht verteufelt oder tabuisiert werden, sonst werde es für Kinder erst recht spannend, so die Sozialpäda­gogin. „Man muss Kindern Alternativ­en zeigen; zum Beispiel wie schön ein Wald in Wirklichke­it ist und die Unterschie­de zu einem Zeichentri­ckfilm herausarbe­iten“, sagt Fürst. Denn digitale Medien sind aus dem Alltag in der heutigen Gesellscha­ft nicht mehr wegzudenke­n.

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Fotos: Arne Dedert, dpa/Michael Lindner Wie viel Zeit dürfen Kinder mit digitalen Medien verbringen? Und welche Inhalte sind dabei altersgere­cht? Auf diese und andere Fragen geben zwei Expertinne­n bei einem Workshop in Schwabmünc­hen Antwort.
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Cathrin Fürst

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