Augsburger Allgemeine (Land Nord)
30 Minuten sind genug
Medien Fernsehen, Handy, Tablet und Co. – immer mehr digitale Medien stehen zur Auswahl. Ein Workshop zeigt Chancen und Risiken für Kindergartenkinder und warum der Film „Der König der Löwen“nicht für alle geeignet ist
Schwabmünchen Fütter- und Einschlafstörungen bei Babys, Sprachentwicklungsstörungen bei Kleinkindern und Konzentrationsstörungen im Grundschulalter. Wenn der Medienkonsum bei Kindern oder den Eltern auffallend hoch ist, stellen Mediziner weit überdurchschnittlich entsprechende Auffälligkeiten fest; das ist das Ergebnis einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Welche Risiken, aber auch Chancen bieten sich durch den Medienkonsum von Kindern? Wie sollen Eltern bei dieser Erziehungsfrage vorgehen und wie können sie den richtigen Umgang unterstützen? Um diese und andere Fragen zum Thema Fernsehen, Handy, Tablet und Co. dreht sich ein Workshop, der am Donnerstagabend in Schwabmünchen angeboten wird.
Vor einigen Jahrzehnten waren Fernseher nur in wenigen Haushalten verbreitet, in Kinderzimmern suchte man die Geräte vergebens. Und auch die Auswahl war auf wenige Programme beschränkt. Das hat sich inzwischen deutlich gewandelt: Hunderte Sender buhlen um die Gunst der Zuschauer, auch für Kinder gibt es spezielle Angebote und Spartenkanäle, die ausschließlich auf sie zugeschnitten sind. Sozialpädagogin Cathrin Fürst macht auf den richtigen Umgang aufmerksam: Kinder unter zwei Jahren sollten überhaupt nicht fernsehen, im Kindergartenalter sollte der Bildschirm nicht länger als 30 Minuten laufen. Bei Grundschülern sollte eine Dauer von 45 Minuten täglich nicht überschritten werden.
Es ist Samstagvormittag, die ganze Familie sitzt gemeinsam am Frühstückstisch. Zeit für Gespräche, den Tag zu planen. Dann steht die fünfjährige Sofie auf, läuft zum Fernseher und schaltet die „Sendung mit dem Elefanten“ein. Für Cathrin Fürst eine schlimme Vorstellung, so soll ihrer Meinung nach nicht die Fernsehnutzung ablaufen. Wichtig sei es, seinen Alltag nicht vom TV bestimmen zu lassen. Es dürfe nicht sein, dass Essenszeiten oder das Spielen mit Freunden sich dem Fernsehpro- gramm anpasse, so die Sozialpädagogin. Den Fernseher als Belohnung, Strafe, oder gar BabysitterErsatz einzusetzen sei ebenfalls nicht empfehlenswert. „Die GuteNacht-Geschichte soll nicht von einer Kindersendung abgelöst werden. Denn die Bilder wirken bei kleinen Kindern noch einige Zeit nach“, sagt Fürst.
Kleinkinder sollen nur altersgerechte Sendungen und Filme anschauen, doch auch darauf könne man sich laut Fürst nicht immer verlassen. Der bekannte Zeichentrickfilm „Der König der Löwen“sei für viele kleinere Kinder ihrer Erfahrung nach ungeeignet, da der Löwe Mufasa stirbt. Kindergartenkinder können laut Fürst noch nicht zwischen Fantasie und Realität unterscheiden. Es fällt ihnen oft schwer, die Eindrücke zu verarbeiten, deswegen sollten sie im Kindergartenalter auch nie alleine vor dem TV sitzen. Eltern sollten die Kinder beim Fernsehen beobachten; so könnte beispielsweise das Knabbern auf den Haaren darauf hinweisen, dass die Sendung für das Kind zu spannend sei. Die Expertin rät, das Gesehene mit dem Nachwuchs zu besprechen und zu erklären. „Der Austausch ist sehr wichtig. So lernen die Kinder den richtigen Umgang mit dem Fernseher“, sagt Fürst. Eltern haben bei digitalen Medien eine Vorbildfunktion. Wer selbst immer wieder durch das Fernsehprogramm zappt oder auf das Handy schaut, darf sich nicht wundern, wenn die eigenen Kinder das nachmachen.
Sofie schaltet den Fernseher aus, zielstrebig greift sie zu ihrem Smartphone, das neben ihr auf der Couch liegt. Sie spielt eine App, drückt auf das Display und kauft dabei fünf virtuelle Extraleben für reale 0,99 Euro.
Etwas, das laut Fürst nicht passieren darf. Ihrer Meinung nach helfen nur klare Regeln, um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Handy zu gewährleisten. Kleinkinder sollen Handys nie alleine bedienen, zudem sollten die angebotenen Schutzmechanismen, die Zugriffe auf viele Seiten und Bereiche verhindern, genutzt werden. „Kinder möchten zunächst nur mit dem Handy spielen. Das können sie auch mit einem alten Handy ohne SimKarte und ohne Internetzugang“, sagt Fürst. Bei kindgerechten Apps sollten Eltern darauf achten, dass sogenannte In-App-Käufe nicht möglich sind. Dabei handelt es sich um Apps, die zunächst kostenlos heruntergeladen werden können, man im weiteren Spielverlauf aber dafür bezahlen muss.
Digitale Medien können Neugier schaffen, Wissen vermitteln und die Fantasie anregen, diese aber auch negativ beeinflussen. „Sie dürfen kein Ersatz für das reale Leben sein, sondern sind nur ein Teil davon.“Fernsehen und andere digitale Medien dürfen nicht verteufelt oder tabuisiert werden, sonst werde es für Kinder erst recht spannend, so die Sozialpädagogin. „Man muss Kindern Alternativen zeigen; zum Beispiel wie schön ein Wald in Wirklichkeit ist und die Unterschiede zu einem Zeichentrickfilm herausarbeiten“, sagt Fürst. Denn digitale Medien sind aus dem Alltag in der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.