Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kegeln trifft nicht mehr den Nerv

Freizeit Der einstige Volkssport hat große Nachwuchsp­robleme und nur noch wenige Bastionen. Langweilig ist er aber nicht. Woran liegt es dann?

- VON OLIVER REISER

Augsburg/Friedberg Gekegelt wurde bereits im alten Ägypten, allgegenwä­rtig war die Freizeitbe­schäftigun­g in der westlichen Welt ab dem 18. Jahrhunder­t. Das Sportkegel­n entstand gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts und war lange eine beliebte Freizeitbe­schäftigun­g. Erst in den vergangene­n Jahrzehnte­n hat der Sport an Popularitä­t eingebüßt. Kegeln wird als Randsporta­rt, als Sport für ältere Herrschaft­en gesehen.

Das ehemalige Kegelzentr­um beim Friedberge­r See ist schon seit Jahren geschlosse­n, das Leistungsz­entrum am Hochablass fristet ein eher kärgliches Dasein. Unter der Sporthalle des TSV Gersthofen gibt es zwar noch eine Kegelbahn – doch die Kegelabtei­lung des größten Sportverei­ns im Landkreis Augsburg hat sich längst aufgelöst. Kegel-Bastionen gibt es noch in Meitingen, Deuringen und vor allem in Neusäß: Dort treten mit Aufgeht’s Steppach, dem SKC Westheim und dem SV Ottmarshau­sen gleich drei Klubs auf die Bahnen.

Wie kam es dazu, dass der noch vor einigen Jahrzehnte­n so populäre Sport derart an Bedeutung verloren hat? „Vor allem das Gesellscha­ftskegeln hat nicht mehr den Zuspruch wie vor einigen Jahren“, sagt Johann Heuberger, 2. Abteilungs­leiter der Kegler im TSV Steppach: „Da stehen sehr viele Bahnen frei.“Aus diesen Reihen sind immer wieder Spielerinn­en und Spieler in die Vereine gekommen. Ansonsten rekrutiert­e sich der Nachwuchs meist aus den Kindern bereits aktiver Kegler.

Ein Musterbeis­piel dafür ist Thomas Müller. Der Meitinger ist auf der Kegelbahn in den Lechauen aufgewachs­en. Inzwischen hat es der 24-Jährige bis zum Bundesliga- und Nationalsp­ieler gebracht, spielt mittlerwei­le in der Kegler-Hochburg Bamberg. Sein wichtigste­r Trainer und Ratgeber ist aber nach wie vor sein Opa Lorenz Wagner, 93, der mit 91 Jahren noch immer 100 Kugeln gespielt hat.

„Wir sind in der glückliche­n Lage, etliche 40- bis 50-Jährige in unseren Reihen zu haben“, freut sich Johann Heuberger. Zudem gibt es zwei Jugendlich­e mit 17 und 18 Jahren. Heuberger: „Wir haben sie durch Zufall aufgetrieb­en, und jetzt sind sie mit Begeisteru­ng dabei.“Vielleicht können sie ja schon bald die erste Mannschaft verstärken, die in der Regionalli­ga Schwaben/Oberbayern noch Chancen auf den Aufstieg in die Landesliga hat.

Drei Herren- und eine Damenmanns­chaft treten derzeit für den TSV Steppach an. Die Kegler von Aufgeht’s, die ursprüngli­ch aus Pfersee stammen, schlossen sich 1983 – als das Sportzentr­um mit vier Bundeskege­lbahnen gebaut wurde – dem TSV an. Gegründet wurden sie allerdings schon 1932, sind damit eine der ältesten Kegelabtei­lungen im Augsburger Raum, da etliche Traditions­vereine nicht mehr existieren. Damit der Kegelsport in Steppach erhalten bleibt, will man Reklame machen und Aktionen an den Schulen durchführe­n.

Zwei Mannschaft­en gibt es noch beim SKC Westheim, die auf der modernen Vier-Bahnen-Anlage in Ottmarshau­sen spielen und trainieren. „Früher waren es mal mehr“, sagt Sportwart Johann Oswald. Auch hier ist der Altersdurc­hschnitt hoch. Doch es gibt auch Nachwuchs. Viel Freude hat man derzeit mit einem Zwölfjähri­gen. Da er erst ab 14 Jahren bei den Männern eingesetzt werden darf, spielt er derzeit in Aichach. Weitere Werbemaßna­hmen verliefen bisher im Sande. „In Ottmarshau­sen gehen die Jugendlich­en zum Fußball. Und die Eltern sagen dann, eine Sportart reicht.“

Wer einmal angebissen hat, kann jedoch lange dabeibleib­en. „Den Kegelsport kann man bis ins hohe Alter durchführe­n“, sagt Johann Oswald, der demnächst seinen 80. Geburtstag feiert und noch immer in der zweiten Mannschaft der Westheimer antritt. Wer den Sport für einen Spaziergan­g hält, wird vom Muskelkate­r nach dem ersten Training eines Besseren belehrt. „Kegeln ist attraktive­r, als viele meinen, und gar nicht so einfach“, sagt Johann Heuberger, ebenfalls schon bald 75 Jahre alt. „Beim Kampf Mann gegen Mann geht es nicht nur um ein Bier. Das ist schon sportlich. Um einen Wettkampf bestreiten zu können, sind Kondition und Konzentrat­ion erforderli­ch.“

Vor drei Jahren wurde das Regelwerk aktualisie­rt, statt 100 oder 200 Wurf gibt es nun viermal 30. Dadurch sind die Wettkämpfe spannender geworden. Auch die Kegel wurden etwas vergrößert und sind nun leichter zu treffen. Vorschläge zu Neuerungen stießen aber intern immer auf großen Widerstand, weswegen sich nur wenig verändert.

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Foto: Daniel Weber Jeden Montagnach­mittag trainiert der Kegelverei­n Stätzling. Doch das Interesse lässt nach.

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