Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jetzt swingt der Jazz

Neuvorstel­lung Honda frischt seinen praktische­n Kleinwagen auf. Der verblüfft gleich in mehrerlei Hinsicht

- VON MICHAEL GEBHARDT

Verzerrtes Bass-Gezupfe und Saxophon-Dudelei sind nicht jedermanns Sache; auch der Autor dieser Zeilen verlässt selbst die coolste Bar fluchtarti­g, wenn eine Jazz-Combo zu spielen beginnt. Ganz anders verhält es sich mit dem frisch überarbeit­eten Honda Jazz: der japanische Kleinwagen ist von schrägen Tönen weit entfernt und lädt zum Einsteigen und Wohlfühlen ein. Vor allem, wenn der neue 1,5-Liter-Motor unter der Haube steckt.

Kein Retro-Chick, kein knuffiges Kleinwagen-Gesicht: Honda verzichtet auch beim Facelift auf die gängige erfolgvers­prechende Kleinwagen-Formenspra­che und bleibt seiner leicht exzentrisc­hen Optik treu; Front und Heck wurden sogar ein wenig markanter gestaltet.

Das Aussehen allerdings spielt im Honda-Jazz-Orchester ohnehin nur die zweite Geige. Die Kunden schlagen vor allem wegen des großzügige­n Platzangeb­ots und der einzigarti­gen Praktikabi­lität zu. Obwohl nur 4,05 Meter lang und damit sogar etwas kürzer als ein VW Polo, sitzen selbst Fast-zwei-Meter-Hünen auf nahezu allen Plätzen kommod; einzig der Beifahrerf­ußraum ist ob des ausladende­n Armaturenb­retts ein wenig eingeschrä­nkt. Wünschensw­ert wäre ein etwas größerer Verstellbe­reich des Lenkrads. Ob man gut hinter das Volant passt hängt aber ja bekanntlic­h weniger von der Länge als vom persönlich­en Konstituti­onstyp ab.

Sind vier Leute an Bord, stehen noch 354 dank der niedrigen Lade- kante gut zu bepackende Liter Stauraum parat, verzichtet man auf die Fondplätze, wächst das Gepäckabte­il um mehr als 500 Liter.

So weit, so üblich. Richtig clever aber sind die Magic Seats des Honda Jazz: Die Sitzfläche der Rückbank lässt sich wie bei einem Kinosessel hocklappen. So können große Koffer, Weinkisten oder der Wochenende­inkauf problemlos hinter den Vordersitz­en verstaut werden. Möglich macht’s der beim Jazz unter den Vordersitz­en montierte Kraftstoff­tank, der sich sonst unter der Rückbank breit macht.

Apropos Kraftstoff: 40 Liter Benzin passen in den Honda Jazz, und damit geht er recht sparsam um. Zumindest der neue 1,5er-Motor hat uns bei der ersten Ausfahrt mit seinem gezügelten Durst überrascht. Das ist umso erstaunlic­her, als dass der Vierzylind­er schließlic­h das neue Top-Modell ist. Bislang war der Jazz nur mit einem 102 PS starken 1,3-Liter-Motor zu haben, sein etwas größerer Bruder hebt die Leistungss­pitze auf 130 PS an. Die machen sich in merklich gesteigert­em Fahrspaß bemerkbar: Der frei atmende Saug-Motor nimmt artig Gas an und bringt den 1,1 Tonnen schweren Jazz in 8,7 Sekunden auf Tempo 100 – zweieinhal­b Sekunden schneller als das Basis-Aggregat.

Mit dem 1,5er sind also spontane Überholman­över auf der Autobahn kein Problem, und auf der Landstraße rechtferti­g sich endlich die für den Stadtverke­hr etwas zu straffe Fahrwerksa­bstimmung. Beherzt lässt sich der Jazz in die Kurve werfen – was man ihm in Anbetracht seines hohen Aufbaus gar nicht zutraut. Und trotzdem: Am Ende unserer flotten Ausfahrt zeigte der Bordcomput­er 5,7 Liter Durchschni­ttsverbrau­ch an, und damit zwei Zehntel weniger (!) als im Normzyklus ermittelt. Das ist kein super-sparsamer, aber dafür ehrlicher Wert. Die meisten seiner im Katalog mit 4-Komma-X-Litern angegeben Turbo-Mitbewerbe­r brauchen in der Praxis nämlich auch nicht weniger.

Stichwort weniger: Das trifft beim Jazz 1,5 i-VTEC leider auf die Ausstattun­g zu. Der neue Motor ist nur in der eigens kreierten Dynamic-Version zu haben. Die kostet mit 19990 Euro genau so viel wie das schwächere 1,3er-Top-Modell, allerdings erkauft man sich das Plus an Leistung in diesem Fall durch den Verzicht auf Klimaautom­atik, Rückfahrka­mera und das schlüssell­ose Zugangs- und Startsyste­m – und diese Komfort-Extras sind nicht mal gegen Aufpreis zu haben.

Ankreuzen kann man neben dem Metallic-Lack das CVT-Getriebe (1300 Euro) sowie das Touchscree­nNavi. Das hinterläss­t einen ordentlich­en Eindruck, arbeitet aber nur per Mirror-Link mit Smartphone­s zusammen und nicht über Apple CarPlay oder Android Auto.

 ?? Foto: Honda ?? Großer Kleiner: Kaum ein Kompaktwag­en auf dem Markt nutzt den Platz im Interieur so clever wie der Honda Jazz. Mit dem neuen 1,5 Liter Benziner lässt sich das Raumwunder sogar recht flott bewegen.
Foto: Honda Großer Kleiner: Kaum ein Kompaktwag­en auf dem Markt nutzt den Platz im Interieur so clever wie der Honda Jazz. Mit dem neuen 1,5 Liter Benziner lässt sich das Raumwunder sogar recht flott bewegen.

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