Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Seine letzte Rolle
Porträt Abschied von Daniel Day-Lewis, einem der besten Schauspieler unserer Zeit. Warum er aufhört? Aus dem gleichen Grund, der ihn so umwerfend machte
Es wäre ein Leichtes, diese Zeilen mit Schwelgen über die Leistungen dieses Schauspielers zu füllen. Wie er den tragisch Liebenden in Scorseses Verfilmung von Edith Whartons „Zeit der Unschuld“verkörperte. Wie umwerfend er war von „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“bis „There Will Be Blood“. Oder zuletzt als „Lincoln“. Eine Rolle, für die er den dritten Hauptdarsteller-Oscar bekommen hat, als Einziger bislang.
Aber was bringt das Schwelgen? Im Moment des Abschieds geht es ums Verstehen. Denn nun, gut sieben Monate nach Drehende und der finalen Ankündigung – 20. Juni 2017: „Daniel Day-Lewis wird nicht länger als Schauspieler arbeiten“– ist es tatsächlich so weit: Heute läuft „Der seidene Faden“in unseren Kinos an, der letzte Film mit einem der besten Darsteller unserer Zeit, gerade mal 60 Jahre alt und allem Vernehmen nach gesund.
Warum also? Seine letzte Filmpartnerin, die Luxemburgerin Vicky Krieps, kann Erhellendes beitragen. Sie sagt, wie anstrengend es für sie war, dass dieser Kollege all die Monate des Drehs hindurch wirklich der psychotische Meisterschneider war, den er im Film spielte, auch beim Pausenkaffee, immer! Aber so hatte der ja 1989 bereits seinen ersten Oscar gewonnen, weil er für „Mein linker Fuß“monatelang gelebt hatte, als wäre er wirklich fast vollständig gelähmt wie seine Figur.
Der werden, den man spielt: „Method Acting“nennt man das. Von Day-Lewis wurde es in Extremform praktiziert. Und wie anstrengend das erst für ihn gewesen sein muss! Darum also. Künftig kein solcher Kraftaufwand mehr. Sondern fortan, immerhin 48 Jahre nach seinem Kinodebüt in „Sunday, Bloody Sunday“und inzwischen zum Sir geadelt: noch zurückgezogener auf seiner irischen Farm leben, als dreifacher Vater, und mit seiner Frau Rebecca, übrigens Tochter des Schriftstellers Arthur Miller. Halbe Sachen macht Daniel Day-Lewis nicht. Er wurde auch schon als „wählerischster Schauspieler der Welt“bezeichnet, weil er eben nicht im Akkord liefern wollte und etwa die Rolle des Aragorn in „Herr der Ringe“ablehnte. Und so endet nun eben aus freien Stücken eine Karriere, die wohl schon mit dem künstlerischen Anspruch im Elternhaus begonnen hat: der Vater Cecil DayLewis ein Dichter, die Mutter Jill Balcon Theaterschauspielerin.
Nach einer verkorksten Schulzeit samt Prügeleien und Ladendiebstählen hatte es Daniel selbst auf die Bühne getrieben. Sein Durchbruch im Kino (zwischen Nebenrollen in den Klassikern „Bounty“und „Zimmer mit Aussicht“) dann: ein großer Auftritt in „Mein wunderbarer Waschsalon“1985. Und nun könnte man schwelgen, wie er da einen Skinhead spielte, der sich in einen Pakistani verliebt. Wie er später in „Gangs of New York“den brutalen Halbweltkönig Cutting gab… Aber nun sind die Zeilen voll. Für seine letzte Rolle ist Daniel Day-Lewis wieder für den Hauptdarsteller-Oscar nominiert. Und jetzt: Adieu! Wolfgang Schütz