Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Hass ist ein Gift“
Auschwitz-Überlebende spricht im Bundestag
Berlin Ein berührender Auftritt von Anita Lasker-Wallfisch prägte die Holocaust-Gedenkstunde im Bundestag. Die Auschwitz-Überlebende warnte eindringlich vor einer neu aufkeimenden Judenfeindlichkeit. „Antisemitismus ist ein 2000 Jahre alter Virus, anscheinend unheilbar“, sagte sie in Berlin. „Nur sagt man heute nicht mehr unbedingt Juden. Heute sind es die Israelis.“Dabei fehle es häufig am Verständnis der Zusammenhänge. „Was für ein Skandal, dass jüdische Schulen, sogar jüdische Kindergärten polizeilich bewacht werden müssen“, sagte die 92-Jährige.
Lasker-Wallfisch überlebte Auschwitz als Cellistin im Mädchenorchester des Vernichtungslagers. Im Frühjahr 1945 wurde sie gemeinsam mit ihrer Schwester aus dem Lager Bergen-Belsen befreit. Die Musikerin lebt heute in Großbritannien. Auf deutschen Boden habe sie nach dem Holocaust keinen Fuß mehr setzen wollen, sagte sie. „Mein Hass auf alles, was deutsch war, war grenzenlos“, sagte sie. Das habe sich geändert: „Hass ist ein Gift, und letzten Endes vergiftet man sich selbst.“
Vor Fremdenfeindlichkeit warnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in seiner Rede. „Es muss uns beunruhigen, wenn jeden Tag Menschen angegriffen werden, nur weil sie anders aussehen“, erklärte er. Und es bestehe Anlass zur Beunruhigung, wenn es Menschen gebe, die meinten, Probleme verschwänden, wenn bestimmte Menschen verschwänden. „Hetze und Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft keinen Raum haben“, so der Bundestagspräsident. Schäuble kritisierte zudem, dass Juden heute im Alltag wieder antisemitische Anfeindungen erlebten und ihre Kippa verstecken müssten.