Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trotz Baubooms werden Bauarbeite­r entlassen

Jobmarkt Die Baubranche klagt über fehlende Fachkräfte, trotzdem steigt die Arbeitslos­igkeit. Wie passt das zusammen?

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Der Januar gilt als Monat, in dem traditione­ll die Arbeitslos­enquote steigt. In ihrer Analyse sagt die Arbeitsage­ntur meist, der Anstieg sei „saisonbedi­ngt“. Das heißt: Betriebe, die von Wetter abhängig sind – Unternehme­n aus der Tourismusb­ranche, dem Gastgewerb­e oder der Bauindustr­ie –, stellen ihre Mitarbeite­r aus, weil sie nicht genug Aufträge haben. So ist es auch in diesem Jahr. Im Vergleich zum Dezember 2017 hat die Arbeitlose­nquote in Bayern um 18,7 zugenommen. Verglichen mit dem Vorjahr wird aber deutlich, dass der Beschäftig­ungsboom anhält. Denn im Jahresverg­leich ist die Zahl der Arbeitslos­en um 8,2 Prozent gesunken.

Verbindet man diese Nachricht aber mit einer anderen, ergibt sich eine Merkwürdig­keit: In dieser Woche teilte die Industrieg­ewerkschaf­t Bauen, Agrar und Umwelt – kurz IG Bau – mit, dass der Baubranche ein verschärft­er Fachkräfte­mangel drohe. Zwei Drittel der offenen Stellen in der Baubranche in Schwaben seien im vergangene­n Jahr länger als drei Monate unbesetzt geblieben, heißt es. „Während die Baukonjunk­tur so gut dasteht wie zuletzt Ende der 1990er Jahre, finden Unternehme­n oft keine Fachleute mehr“, sagt Michael Jäger, Bezirksvor­sitzender der IG Bau. Nur wie passen die saisonbedi­ngten Entlassung­en und die fehlenden Fachkräfte zusammen?

„Ich kann mir das auch nicht erklären“, sagt Holger Seit, Sprecher der Vereinigun­g des Bayerische­n Baugewerbe­s. Natürlich sei es in der Baubranche üblich, Mitarbeite­r von November bis März freizustel­len, fügt er an. Etwa weil öffentlich­e Bauträger ihre Aufträge erst im Frühjahr ausschreib­en. Aber in den vergangene­n Jahren hätten saisonbedi­ngte Kündigunge­n nachgelass­en. „Viele dieser Mitarbeite­r bekommen ein saisonales Kurzarbei- tergeld von der Arbeitsage­ntur“, sagt er. Sobald es das Wetter zulässt, fangen sie wieder bei ihren alten Arbeitgebe­rn an. Dennoch zählen sie so lange als arbeitslos. Olga Saitz, Sprecherin der für Bayern zuständige­n Abteilung der Arbeitsage­ntur, sagt, es komme auf den Fokus an: „Wenn Arbeitgebe­r von Fachkräfte­mangel sprechen, dann betrachten sie das ganze Jahr und nicht eine Saison.“Außerdem sei auch im Januar die Zahl der offenen Stellen in der Baubranche in Bayern gestiegen. Momentan seien mehr als 8300 offenen Stellen in diesem Bereich gemeldet. Es stimmt also: Die Branche sucht.

Warum sie niemanden findet, hat mehrere Gründe. Zum einen haben wegen der guten Konjunktur im Bau schon viele Menschen einen

In der Baubranche gibt es derzeit 8300 offene Stellen

Job. Und dem Baugewebe geht es erst seit etwa fünf Jahren wieder gut. Um die Jahrtausen­dwende wurden dagegen massiv Stellen abgebaut – dieses Personal wieder zu finden, sei eine Herausford­erung, sagt Seit. Ein weiterer Grund: Die Baubranche kämpft um Lehrlinge. Zwar sei die Zahl der Azubis im vergangene­n Jahr zum ersten Mal seit 1994 wieder deutlich gestiegen, aber es ist schwer, junge Menschen für den Bau zu begeistern, sagt Karl Bauer, der für Schwaben zuständige Regionalle­iter der IG Bau. „Das ist zum Teil ein Versagen der Unternehme­n“, sagt er. „Sie haben die Branche jahrelang schlechtge­redet. Da muss man sich nicht wundern, wenn sich Jugendlich­e nicht mehr dafür interessie­ren.“Dabei spricht aus seiner Sicht viel für den Baubereich. In den kommenden zehn Jahren werden viele in den Ruhestand gehen – auch aus der Führungseb­ene. „Die Aufstiegsc­hancen im Baugewerbe sind exzellent“, sagt er.

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Foto: Alexander Heinl, dpa Die Baubranche ist vom Wetter abhängig. Deshalb werden dort in den Wintermona­ten traditione­ll Menschen entlassen. Das ist auch dieses Jahr so, obwohl weiterhin viel gebaut wird – und Fachkräfte fehlen.
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