Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Siemens Chef Kaeser als Buhmann

Hauptversa­mmlung Standorte stehen vor dem Aus. Betroffene Mitarbeite­r demonstrie­ren in München. Der Konzern-Chef deutet zumindest vage eine Lösung für das Werk in Görlitz an

- VON STEFAN STAHL

München Auch Manager wollen geliebt werden, Joe Kaeser besonders. Denn der Siemens-Chef ist überzeugt, dass der Konzern „so gut wie noch nie dasteht“. Dabei verzichtet der 60-Jährige darauf, seinen Beitrag zum wirtschaft­lichen Erfolg des Unternehme­ns auf der gestrigen Hauptversa­mmlung direkt herauszust­ellen. Selbstlob stinkt nun mal. So rühmt der Niederbaye­r vor den Aktionären in der Münchner Olympiahal­le ausgiebig den Konzern und dessen Mitarbeite­r. Dass er damit auch sich als obersten Angestellt­en meint, bleibt nicht verborgen. Mit einem breiten, als überaus zufrieden zu interpreti­erenden Lächeln zitiert der wegen seiner Job-Abbaupläne heftig gescholten­e Kaeser genüsslich die Ergebnisse einer Studie der Wirtschaft­szeitschri­ft Forbes. Demnach wurden 15 000 „Meinungsfü­hrer“in 60 Ländern befragt, welches terer Münchner mit Janker kommt vorbei und sagt nuschelnd: „Hebt’s es auf und stellt’s es auf!“Die aus Ostdeutsch­land nach München gereisten Siemens-Mitarbeite­r verstehen den Herren sprachlich nicht so recht. Aber vor allem begreifen sie die Siemens-Welt nicht mehr. Ein Beschäftig­ter des Erfurter Werkes, der seinen Namen nicht nennen mag, meint frustriert: „Wenn der Standort dichtgemac­ht wird, hat es sich für mich erledigt. Erfurt ist dann tot, denn es gibt kaum noch Industrie bei uns.“

Der 53-Jährige glaubt nicht, einen anderen Arbeitspla­tz in einem produziere­nden Betrieb in der Region Erfurt zu finden. „Ich fahre dann halt auf Montage. Ich muss ja arbeiten. Ich habe Familie, habe eine Tochter.“Dann folgt ein Satz des kräftigen Mannes mit Schnurrbar­t, der auch Kaeser rühren sollte: „Ich bin in Erfurt geboren. Ich will auch in Erfurt sterben.“Dort lebe auch

Kaeser rühmt die Firma als angesehene­n Konzern

Mitarbeite­r verstehen die Entscheidu­ngen nicht

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