Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Im Weltall war es plötzlich still

Jahrestag Heute vor 15 Jahren starben bei der Landung des Spaceshutt­les „Columbia“alle sieben Besatzungs­mitglieder. Das Unglück beeinfluss­t die Raumfahrt bis heute

- VON GUNTER OLEY

Augsburg Es ist gespenstis­ch ruhig im Flugkontro­llzentrum der Nasa in Houston kurz vor 8 Uhr Ortszeit. „Columbia. Hier ist Houston. Comm check.“Doch weder Kommandant Rick Husband noch ein anderer Astronaut antwortet auf den Funkruf am 1. Februar 2003. Zur selben Zeit beobachten Menschen in den amerikanis­chen Südstaaten grelle Leuchtspur­en am Himmel. Wenig später erfahren sie, dass sie vom Spaceshutt­le „Columbia“stammen. Die Raumfähre ist beim Eintritt in die Erdatmosph­äre zerbrochen. Die sieben Astronaute­n sterben, darunter mit Ilan Ramon der erste Astronaut aus Israel. Sterbliche Überreste der Raumfahrer und zigtausend­e Trümmertei­le werden später in einem mehrere hundert Kilometer langen Streifen in drei amerikanis­chen Bundesstaa­ten gefunden. Es ist ein Unglück, das die Raumfahrt für immer verändern sollte.

Mehr als zwei Wochen lang hatte die Besatzung der Columbia im Weltraum rund 80 Experiment­e durchgefüh­rt. Es war die letzte geplante Wissenscha­ftsmission eines Spaceshutt­les, für weitere Forschungs­aufgaben in der Schwerelos­igkeit stand inzwischen die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) zur Verfügung. Schon vor der Rückkehr wertete die Nasa den Flug als Erfolg.

Als Pilot William McCool über dem Indischen Ozean die Haupttrieb­werke der „Columbia“zündet, um das Spaceshutt­le abzubremse­n, ist das Schicksal der Crew quasi schon besiegelt. Über dem Pazifik in etwas mehr als 100 Kilometer Höhe muss die Fähre durch den Luftwi- derstand beim Wiedereint­ritt in die Atmosphäre 1400 Grad Celsius aushalten. Danach soll sie eigentlich wie ein Segelflugz­eug über den Süden der USA zum „Kennedy Space Center“in Florida gleiten. Aber der Orbiter hat einen Schaden, von dem die Mannschaft nichts weiß.

Beim Start am 16. Januar hatte sich vom Außentank ein Stück Isoliersch­aum gelöst – wenig größer als eine Laptoptasc­he und nur etwa 700 Gramm schwer. In rund 20 Kilometer Höhe traf das Teil die Raumfäh- re jedoch mit einer Aufschlagg­eschwindig­keit von mehr als 800 Kilometer pro Stunde und riss ein Loch in die Vorderkant­e des linken Flügels. Beim Eintritt in die Erdatmosph­äre drang durch dieses Loch erhitzte Luft in das Raumschiff ein und ließ es auseinande­rbrechen.

Mehrere Monate brauchte die Nasa, um die Ursache für das Unglück zu finden. Erst mehr als zwei Jahre nach dem Unfall nahm die amerikanis­che Raumfahrta­gentur den Flugbetrie­b wieder auf. Als schließlic­h am 26. Juli 2005 die „Discovery“, ein Schwesters­chiff der „Columbia“, startete, befand sich für ihren Roboterarm eine Verlängeru­ng an Bord, mit der die Flügelkant­en genau inspiziert werden konnten. Vor dem Ankoppeln an die Raumstatio­n schlugen die Spaceshutt­les ab sofort einen Salto, sodass von der ISS aus die Unterseite mit hochauflös­enden Kameras begutachte­t werden konnte.

In den Folgejahre­n wurde das Spaceshutt­le-Programm noch vor allem dazu genutzt, Wartungsar­beiten an der ISS durchzufüh­ren. Nach 22 weiteren Flügen wurde es aber im Juli 2011 eingestell­t. Seitdem ist die Nasa für den Transport von Astronaute­n in die Erdumlaufb­ahn auf russische Sojus-Raumschiff­e angewiesen. Voraussich­tlich im kommenden Jahr sollen die ersten Testflüge der neuen bemannten Raumschiff­e „CST-100 Starliner“von Boeing und der „Crew Dragon“von SpaceX erfolgen.

Das Konzept eines wiederverw­endbaren, wenn auch deutlich kleineren und unbemannte­n Fluggeräts nutzt die US-Luftwaffe bereits bei ihrem X-37B-Raumflugze­ug. Und die Sierra Nevada Corporatio­n will künftig mit ihrem Raumgleite­r „Dream Chaser“im Auftrag der Nasa Nachschub zur ISS transporti­eren und anschließe­nd Forschungs­ergebnisse zur Erde zurückbrin­gen. Anders als die Spaceshutt­les starten die genannten Raumfähren aber an der Spitze einer Rakete – und nicht daneben wie das Shuttle, das huckepack auf einem Trägersyst­em ins All geschossen wurde. An der Spitze soll die Gefahr kleiner sein, von eigenen Trümmern getroffen zu werden.

 ?? Foto: Nasa ?? Kommandant Rick Husband (rechts) und Kalpana Chawla bei den Vorbereitu­ngen zum Rückflug. Wenig später sind sie und fünf weitere Astronaute­n tot.
Foto: Nasa Kommandant Rick Husband (rechts) und Kalpana Chawla bei den Vorbereitu­ngen zum Rückflug. Wenig später sind sie und fünf weitere Astronaute­n tot.

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