Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Sprung zurück auf die Piste

Ski alpin Fabio Renz galt lange als hoffnungsv­olles Nachwuchst­alent im Skisport. Dann warfen ihn mehrere Verletzung­en zurück. Sein Fuß stand kurz vor der Amputation. Nach drei Jahren fährt er wieder Rennen

- VON LARS MÜLLER APPENZELLE­R

Garmisch Partenkirc­hen Gerade die Abfahrer tun sich schwer, auf dem rechten Weg, auf der Ideallinie zum Ziel zu bleiben – das machte das Treffen von Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen und Rückkehrer Fabio Renz vergangene Woche beim Weltcup in Garmisch-Partenkirc­hen auf skurrile Art und Weise deutlich. „Wir haben darüber geredet“, sagt Renz, „wie wir vor drei Jahren zusammen in Saalbach gestartet sind.“Es war Dreßens erstes Weltcup-Rennen. Seine rasante Schussfahr­t zum Streif-Sieger hat fast jeder mitbekomme­n. Renz’ quälende Umwege fast niemand. „Jeder hat seine Geschichte“, sagt der Mann aus Bermatinge­n am Bodensee: „Seine ist die mit seinem Vater. Meine ist die mit dem Fuß.“

Fabio Renz ist gut gelaunt. Nach mehr als zwei Jahren Leidenszei­t ist er zurück im Weltcup – der ihn fast seinen linken Fuß gekostet hätte. Bei der Abfahrt in Kvitfjell bricht er sich am 7. März 2015 das linke Schien- und Wadenbein. Es gibt Komplikati­onen: kein Hubschraub­er, falsches Krankenhau­s. „Wenn du bei einer Operation Angst hast, dass du beim Aufwachen feststelle­n musst, dass dein Fuß weg ist, dann musst du dich danach mit anderen Dingen auseinande­rsetzen“, sagt Renz. „Mein Fuß tut immer weh. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich mich noch einmal aus einem Starthaus rausschieb­e.“

Immer wieder kommt der Gedanke ans Aufhören. Nach der Fuß-Geschichte. Nach dem Riss einer Adduktoren­sehne. Nach seinem ersten Rennen seit dem Horrorstur­z, der Nor-Am-Cup-Abfahrt am 5. Dezember 2017 in Lake Louise: Es ist das Rennen, bei dem Max Burkhart vom SC Partenkirc­hen ums Leben kommt. Fabio Renz wird 22. Und ist bedient: „Ich hatte mir schon wegen anderer Sachen überlegt, ob ich das Handtuch werfe. Und auf einmal sterben sie bei uns wieder.“Wenige Tage zuvor war der Franzose David Poisson beim Abfahrtstr­aining ums Leben gekommen. Fabio Renz bekommt es mit der Angst zu tun. Schon davor.

„Es ist ein perverses Gefühl, am Start zu stehen und einerseits nicht und anderersei­ts doch runter zu wollen“, sagt Fabio Renz und erzählt, wie er mit Cheftraine­r Mathias Berthold über das Thema gesprochen hat: „Ich sagte: ,Ich habe so Angst.‘ Da sagte er: ,Ist doch normal.‘“Berthold freut sich in Garmisch, „dass Fabio wieder dabei ist. Es war ein harter, langer Weg.“

Am Samstag vor dem ComebackRe­nnen ist etwas passiert: Beim Aufwärmen schnalzt ihm ein Gummiband ins Auge, macht den siebten Weltcup-Start seiner wechselvol­len Karriere unmöglich. „Ich nehme trotzdem lieber das Positive aus dieser Woche mit“, sagt Fabio Renz. Während Thomas Dreßen zu den Olympische­n Spielen fliegt, macht Renz in Garmisch am Wochenende den Vorläufer bei den Weltcup-Abfahrten der Frauen. Und wenn alles gut geht, ist der Schnellfah­rer Anfang März im Europacup dabei. In Kvitfjell. Fabio Renz sagt: „Es ist ein anderes Jahr, eine andere Zeit, ein anderer Schnee, ein anderes Ich.“

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Foto: Imago Fabio Renz beim Rennen in Saalbach Hinterglem­m 2015, wenige Wochen vor seinem Sturz in Norwegen.

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