Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Da schauen 20 000 Leute zu, wenn ich Mist baue“

Was macht denn eigentlich...? Julia Schruff schaffte es in der Tennis-Weltrangli­ste bis auf Platz 52, spielte auf den großen Turnieren rund um den Globus. Jetzt ist die 35-Jährige zweifache Mutter und vermisst vor allem eines: die Sonne

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In unserer Serie Was macht eigent lich...? fragt die AZ-Sportredak­tion bei Leuten nach, die den Sport in Augsburg geprägt haben. Das können ehemalige Aktive sein, aber auch Trainer, Funktionär­e oder Sponsoren. Wie ist es ihnen ergangen, nachdem sie aus dem Rampenlich­t getreten sind? Heute: Julia Schruff.

Ihre Tennis-Karriere haben Sie 2012 beendet. Was kam danach?

Julia Schruff: Ich habe zwei Kinder, David und Simon. Die beiden sind vier und sechs Jahre alt und halten mich ziemlich auf Trab. Zwei Tage die Woche bin ich in Haunstette­n und arbeite in meiner Tennisschu­le Schruff&Graf, die wir vor eineinhalb Jahren gegründet haben.

Tennis bestimmt also weiter Ihr Leben? Schruff: Ja, Tennis hat mich nie losgelasse­n. Das kann ich am besten und es geht mir leicht von der Hand. Ich habe in meiner Karriere so viel gesehen und gelernt. Es macht mir einfach Spaß, das weiterzuge­ben.

Wie oft haben Sie zu Ihren Zeiten als Profi trainiert?

Schruff: Zweimal am Tag zwei Stunden Tennis. Vormittags mit meinem Trainer, nachmittag­s Match-Training mit einem Spielpartn­er. Dazu noch eineinhalb Stunden Fitnesstra­ining, ab und zu Behandlung bei meinem Physio. Das ging sechs Tage in der Woche so, der siebte Tag war Ruhetag, an dem ich meistens ein bisschen locker laufen gegangen bin. Das ist wie in einem normalen Job. Der Mittagssch­laf gehört bei einem Profisport­ler natürlich auch dazu. Ohne Regenerati­on kannst du keine Leistung bringen.

Wie oft greifen Sie heute noch zum Schläger?

Schruff: Nicht mehr so oft. Momentan komme ich alle zwei Wochen dazu, selbst zu spielen. Außerdem mach ich ein bisschen Fitness und gehe ab und zu laufen. Derzeit aber eher selten. Da bin ich bequem geworden. Das hätte es früher nicht gegeben. Aber mir war damals so oft schlecht nach dem Training, weil ich mich total verausgabt habe. Das brauche ich nicht mehr.

Prägt es den Charakter, wenn man solche Erfahrunge­n gemacht hat? Schruff: Ich denke schon. Du lernst, über Stunden die Konzentrat­ion zu halten. Du musst versuchen, möglichst wenige psychische Löcher zu haben. Du lernst, Rückschläg­e wegzusteck­en.

Sie sprechen die Psyche an: Welche Rolle spielt das Duell mit dem Gegner? Schruff: Das ist natürlich extrem wichtig. Klappt nicht immer, manchmal regt einen alles auf. Aber normalerwe­ise sollte man ein Pokerface aufsetzen.

Dann haben Sie vermutlich nie aus Ärger einen Schläger zerschlage­n? Schruff: Nein (lacht). Also der Schläger ist schon mal geflogen, aber man muss ihn ja nicht gleich übers Knie legen und zerbrechen.

Ist Tennis für Sie zu einer Art Sucht geworden?

Schruff: Eher eine große Liebe. Es ist das, was ich von klein auf gelernt habe. Das kann am besten.

Wer hat Sie in Ihrer Kindheit zum Tennis gebracht?

Schruff: Meine Eltern. Das war zu Zeiten des Tennis-Booms mit Boris Becker und Steffi Graf. Mein Vater Gerhard war schon immer tennisverr­ückt und mit ihm bin ich dann auch auf den Platz gegangen. Ihm habe ich alles zu verdanken. Kinder wollen ja meistens das machen, was die Eltern machen. Anfangs habe ich aber nach ein paar Minuten immer zu meinem Papa gesagt, dass wir wieder aufhören müssen, weil ich angefangen habe zu schwitzen und das wollte ich nicht. Die Geschichte erzählt er heute noch.

Für die Regionalli­ga-Mannschaft des TC Augsburg scheint ihre Fitness noch zu reichen. Dort haben Sie im vergangene­n Jahr gespielt.

Schruff: Ja, das klappt noch ganz gut. Ich kann einen Tag voll durchspiel­en. Danach brauche ich aber zwei Wochen Pause und habe Ganzkörper­muskelkate­r.

Sie haben in Ihrer Karriere 849364 Dollar Preisgeld eingespiel­t. Damit hat man doch fast schon ausgesorgt ...? Schruff: (lacht) Da ziehen Sie jetzt die Steuern ab. Dazu müssen Tennis-Profis ihre Reisen selbst bezahlen, ihre Trainer, ihre Physios und so weiter. Da schrumpft diese Zahl leider ziemlich schnell zusammen.

Woran denken Sie zuerst, wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblic­ken? Schruff: Das WTA-Turnier in Estoril. Das war im April 2003 und der Anfang von allem. Da bin ich über drei Runden Quali bis ins Finale gekommen und habe einige richtig gute Leute geschlagen. Im Finale konnte ich dann nicht mehr richtig spielen und war komplett platt.

Welchen Rang nehmen die GrandSlam-Turniere ein?

Schruff: Die kommen direkt danach. Der Sieg 2006 in der ersten Runde der Australian Open gegen Jelena Dementjewa, die damals in den TopTen stand, war etwas Besonderes. Leider bin ich gleich danach ausgeschie­den. Alle haben damals gesagt, jetzt kannst du ein paar Runden machen. Und ich wollte auch unbedingt, aber es hat nicht funktionie­rt. Das war schon sehr bitter.

2005 sind Sie bei den US Open in der dritten Runde gegen die topgesetzt­e Maria Scharapowa ausgeschie­den. Das Spiel fand auf dem Centre Court statt. Wie ist Ihnen das in Erinnerung geblieben?

Schruff: Das war krass vor 20 000 Zuschauern. Der Platz kommt dir auf einmal so klein vor und du fragst dich, ob du da ganz normal schlagen kannst. Meine Mama war dabei und hat mir viel Spaß gewünscht. Ich habe ihr geantworte­t, dass ich keinen Spaß habe. Da schauen 20000 Leute zu, wenn ich Mist baue und alle sagen: Was macht die da unten? Und so war es dann leider auch. Ich habe den ersten Satz 2:6 verloren – aber nicht, weil sie so gut gespielt hat, sondern weil ich zittrig auf dem Platz gestanden bin. Der zweite Satz ging 4:6 aus und war schon deutlich besser. Jetzt, im Rückblick, bin ich stolz darauf, denn wie viele Leute dürfen tatsächlic­h auf dem Centre Court bei den US Open spielen? Welches Turnier hat Ihnen vom Drumherum am besten gefallen? Schruff: Die US Open, auch wenn viele sagen, dass ihnen das zu hektisch ist. Aber ich mag das. Australien war auch immer cool. Die Leute sind komplett entspannt und sportbegei­stert. Wimbledon dagegen war nicht so mein Ding. Auf Rasen war ich nie richtig gut. Mir war da auch alles ein bisschen zu konservati­v.

Ihre Karriere im Fed Cup endete im Streit mit der damaligen Teamchefin Barbara Rittner. Wie haben Sie das damals erlebt?

Schruff: Ach, das ist schon so lange her. Das waren die Anfänge von Barbara Rittner. Sie war neu und wusste noch nicht so genau, wie man das alles löst. Wir waren vielleicht ein bisschen emotional. Da kam eins zum anderen. Für mich ist das erledigt. Es war auf jeden Fall eine Ehre, für Deutschlan­d spielen zu dürfen.

Was hat Sie zum Rücktritt bewegt? Schruff: Zum Schluss war ich häufig verletzt. Ich hatte das Karpaltunn­elsyndrom, dabei werden die Finger taub. Mittlerwei­le ist es weg. Damals hätte man operieren können. Ich war 30 und habe mir überlegt, ob ich dieses Risiko eingehen soll. Ich habe mich dagegen entschiede­n, auch, weil ich immer Kinder wollte. Da hat dann alles zusammenge­spielt.

Nach all den Reisen quer über den Globus: Fahren Sie heute am liebsten ins Allgäu in den Urlaub?

Schruff: Mir fehlt, ehrlich gesagt, die Sonne. Ich war ja den Winter über eigentlich immer in der Sonne. Dieser ewige Winter hier ist brutal für mich.

Spielen Ihre Söhne Tennis?

Schruff: Ja, einmal pro Woche mit meinem Papa. Das reicht im Moment völlig. Sie müssen keine Profis werden. Ich will einfach, dass sie ein bisschen was von mir mitbekomme­n und mit Tennis in Verbindung bleiben – egal, was dann mal daraus wird. Interview: Andreas Kornes

Julia Schruff

(35) ist Augsburgs er folgreichs­te Tennisspie­lerin. Zwei ITF Titel im Einzel, ein Fi naleinzug auf der WTA Tour und das Erreichen der dritten Runde bei den US Open gehören zu ihren größten Erfolgen. Zwischen 2004 und 2006 gehörte sie zum deutschen Fed Cup Team. 2011 beendete sie ihre Karriere, sie lebt in Augsburg und hat zwei Söhne.

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Foto: dpa Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere: Julia Schruff im Jahr 2005, als sie bei den US Open in der dritten Runde gegen Maria Scha rapowa spielte, aber vom Centre Court so beeindruck­t war, dass sie mit 2:6, 4:6 verlor.
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Julia Schruff

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