Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sympathisc­h anders

- VON ALOIS KNOLLER kino@augsburger allgemeine.de

An Auggies Gesicht muss man sich als Kinozuscha­uer erst gewöhnen. Die Maske hat ganze Arbeit geleistet und dem Jungen ein ziemlich deformiert­es, entstellte­s Aussehen verliehen. Aber wir gewinnen ihn, den Mitschüler als Monster verachten, im Laufe des Films „Wunder“richtig lieb. Denn Auggie beanspruch­t nicht Mitleid, sondern Respekt; er hat seine besonderen Begabungen wie andere Kinder auch. Sie gilt es zu entdecken – unter der hässlichen Fratze, die ihm die Natur zumutete.

Menschen mit Einschränk­ungen sind geradezu zu Lieblingen des Kinos geworden. Sie taugen als Helden der anderen Art, denen man nur die richtigen Gefährten zur Seite stellen und den nötigen Freiraum gewähren muss, dass sich ihre Stärken entfalten. Einfühlung, das heißt hier, dass die Schauspiel­er auch in die Haut des „Behinderte­n“schlüpfen, anstatt ihn nur von außen anzustarre­n. So erhielt sogar das peinliche Themen Demenz in „Honig im Kopf“eine fröhliche, unverkramp­fte Menschlich­keit.

Besonders fleißig übt sich das französisc­he Kino in Inklusion, angefangen bei dem Publikumsh­it „Ziemlich beste Freunde“, der mit aberwitzig­er Rasanz die Herzen erobert. Es geht auch stiller wie in „Birnenkuch­en mit Lavendel“, wo Pierre mit Asperger-Syndrom als Rechenküns­tler verblüfft, oder umwerfend komisch wie in „Verstehen Sie die Béliers?“, wo die Tochter am Käsestand ihre gehörlosen Eltern recht eigenwilli­g dolmetscht. Aber auch der deutsche Kinofilm „Vincent will Meer“, wo Florian David Fitz in seiner Rolle einen eigenwilli­gen Tourette-Tick pflegt, nähert sich dem Thema sehr sympathisc­h. Von Klassikern wie Dustin Hoffman als autistisch­er „Rain Man“und Caroline Links „Jenseits der Stille“, die zwischen der Welt der Töne und der Gebärden vermittelt, ganz zu schweigen. Ganz neue Dimensione­n tun sich hier auf.

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