Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sympathisch anders
An Auggies Gesicht muss man sich als Kinozuschauer erst gewöhnen. Die Maske hat ganze Arbeit geleistet und dem Jungen ein ziemlich deformiertes, entstelltes Aussehen verliehen. Aber wir gewinnen ihn, den Mitschüler als Monster verachten, im Laufe des Films „Wunder“richtig lieb. Denn Auggie beansprucht nicht Mitleid, sondern Respekt; er hat seine besonderen Begabungen wie andere Kinder auch. Sie gilt es zu entdecken – unter der hässlichen Fratze, die ihm die Natur zumutete.
Menschen mit Einschränkungen sind geradezu zu Lieblingen des Kinos geworden. Sie taugen als Helden der anderen Art, denen man nur die richtigen Gefährten zur Seite stellen und den nötigen Freiraum gewähren muss, dass sich ihre Stärken entfalten. Einfühlung, das heißt hier, dass die Schauspieler auch in die Haut des „Behinderten“schlüpfen, anstatt ihn nur von außen anzustarren. So erhielt sogar das peinliche Themen Demenz in „Honig im Kopf“eine fröhliche, unverkrampfte Menschlichkeit.
Besonders fleißig übt sich das französische Kino in Inklusion, angefangen bei dem Publikumshit „Ziemlich beste Freunde“, der mit aberwitziger Rasanz die Herzen erobert. Es geht auch stiller wie in „Birnenkuchen mit Lavendel“, wo Pierre mit Asperger-Syndrom als Rechenkünstler verblüfft, oder umwerfend komisch wie in „Verstehen Sie die Béliers?“, wo die Tochter am Käsestand ihre gehörlosen Eltern recht eigenwillig dolmetscht. Aber auch der deutsche Kinofilm „Vincent will Meer“, wo Florian David Fitz in seiner Rolle einen eigenwilligen Tourette-Tick pflegt, nähert sich dem Thema sehr sympathisch. Von Klassikern wie Dustin Hoffman als autistischer „Rain Man“und Caroline Links „Jenseits der Stille“, die zwischen der Welt der Töne und der Gebärden vermittelt, ganz zu schweigen. Ganz neue Dimensionen tun sich hier auf.