Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Ich will nicht nur Namen einkaufen“

Brechtfest­ival Patrick Wengenroth setzt auf Eigenprodu­ktionen und auf einen literarisc­hen Schwerpunk­t. Wie er die Veranstalt­ungen den Zuschauern schmackhaf­t machen will

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Herr Wengenroth, letztes Jahr waren Sie erstmals künstleris­cher Leiter des Brechtfest­ivals. Welche Erfahrunge­n haben Sie gemacht?

Patrick Wengenroth: Erst einmal habe ich die Stadt und das Leben hier besser kennenlern­en können als in der sehr kurzen Vorbereitu­ngszeit für das erste Festival, und davon habe ich natürlich diesmal profitiert. Und natürlich konnte ich auch die Arbeit der Freien Szene besser kennenlern­en, was auch wichtig ist für das Programm des Festivals.

Sie verantwort­en insgesamt dreimal das Brecht-Festival. Versuchen Sie denn, einen Zusammenha­ng herzustell­en zwischen den drei Festivalja­hren? Wengenroth: Ja, wir versuchen zum Beispiel, durch alle drei Jahre einen Feminismus­schwerpunk­t zu ziehen. Außerdem stehe ich auch dafür, dass das Brechtfest­ival mehr als Produzent und Co-Produzent von Eigenbeitr­ägen auftritt, also selbst gestaltet, und nicht nur bekannte Stücke und Namen einkauft. In diesem Jahr ist da das Projekt mit dem Chor aus der letztjähri­gen „Maßnahme“-Inszenieru­ng unter der Leitung von Geoffrey Abbot. Er wird die Kantate „Die Mutter“mit der Musik von Hans Eisler aufführen. In Kombinatio­n damit zeigen wir den beeindruck­enden Dokumentar­film „Valentina“. Ich mache selbst auch noch eine kleine Sache, ein Live-Hörspiel, das in der Form noch nie hier stattgefun­den hat. Grundsätzl­ich aber liegt mir für alle drei Festivals die Konfrontat­ion von Brechts Werk mit der Gegenwart am Herzen, denn wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs und der Ungewisshe­it mit vielen nationalen wie globalen Erosionsph­änomenen. Brecht ist der richtige Autor, um das abzubilden. Das soll sich durch die drei Jahre ziehen, wobei ich in jedem Jahr andere Highlights setzen möchte.

In diesem Jahr liegt der Fokus auf dem Gegensatz Egoismus und Solidaritä­t, ausgedrück­t auch in den Plakaten mit dem Schriftzug „Ich“und „Wir“. Worauf wollen Sie diesen Gegensatz bezogen wissen?

Wengenroth: Zunächst deuten wir ihn politisch, dafür sind die Menschen gerade sehr empfänglic­h, etwa in der Frage, was wir von unserem Wohlstand abgeben können. Auch in der Flüchtling­sfrage ist die Wahrnehmun­g für diesen Gegensatz im Moment sehr geschärft. Das andere ist aber auch, dass das Ich und das Wir, also das Eigene und das Gegenüber, in der Psychoanal­yse ein sehr wichtiger Aspekt sind. Das heißt, dass man offen sein muss für sein Gegenüber, gleichzeit­ig muss man sich aber auch immer wieder als Ich konfigurie­ren, weil man sonst nicht gestalten kann, in individuel­ler Weise wie auch in gesellscha­ftlichen Fragen. Insofern muss man immer

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