Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Tod des „Wualers“
Ja, das wär’s doch: weniger arbeiten müssen (natürlich bei vollem Lohnausgleich!) und sich intensiv den schönen Dingen des Lebens hingeben. Die sogenannte „Generation Y“ruft nach der entspannenden „Work-Life-Balance“. Macht auch Sinn, wo es doch früher hieß, der Deutsche arbeitet nicht, um zu leben, er lebt, um zu arbeiten.
Da fällt einem auch der alte Karl Marx ein, der im „Kommunistischen Manifest“ein Bild der künftigen – kommunistischen – Arbeitswelt skizziert hat. Marx wettert gegen die „Entfremdung“des Menschen und gegen dessen Einseitigkeit im Beruf und stellt sich vor, wie schön es wäre, wäre man am Morgen Fischer, am Nachmittag Jäger und am Abend „kritischer Kritiker“. Also literaturtheoretisch tätig. Marx war der Ansicht, in der arbeitsteiligen Berufswelt könne der Proletarier sein kreatives Potenzial nicht ausleben. Ich kann mir – sorry – beim besten Willen nicht vorstellen, dass der deutsche Arbeiter am Abend Kritisches zu Thomas Mann verfasst.
Stellen wir uns mal die Welt vor, wenn die Deutschen nur mehr 25 Stunden in der Woche arbeiten. Die Baumärkte wären wohl schon am Nachmittag überfüllt und sie würden dann gleich den Dachboden ausbauen, in den Garten ein Blockhäuschen reinsetzen oder einen Wintergarten bauen.
Aber eine Spezies ginge dadurch verloren. Der sogenannte „Wualer“. Der steht bereits auf der roten Liste der bedrohten Männerarten. Der „Wualer“kam in den 50er und 60er Jahren um 17 Uhr (42-Stunden-Woche) von der „Bude“nach Hause, zog sich sofort einen Kittel an und „wualte“am Haus herum. Und fiel nach der „Tagesschau“todmüde ins Bett. Und jetzt würde der deutsche Arbeiter gern paradiesischen Zeiten entgegensehen. Die Welt ist ohnehin mehr Hölle als Paradies. Und wenn der Mensch aufhören müsste, zu arbeiten, wäre die Hölle auf Erden wohl noch ein Stück näher.
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.