Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Brunzdumme interviewt Alkoholsportler
Gerhard Polt Im Parktheater Göggingen wird der Kabarettist auch zum Landrat. Er zieht den Hut vor seinem Verdienst
Jetzt war er wieder da, der Polt. Der Polt Gerhard, der a bisserl lustlos, vielleicht sogar widerwillig auf die Bühne schlurft, nicht grüßt – und gleich loslegt und herzieht über seinen Reihenhaus-Nachbarn, weil der sich doch so laut schnäuzt, wie man sich in ganz Europa nicht schnäuzt. Der aber vor allem laut StadtviertelGrillverordnung im letzten Sommer 23 Paar Würstl gegrillt hat statt der erlaubten 18 Paar. Und der auch noch – Gipfel allen Ungemachs – Schauspieler ist, also Vertreter einer brotlosen Kunst. Aber dann doch nicht verhungert, leider. So schaut’s nämlich aus!
Ja, jetzt war er wieder da, der Polt. Grantelnd. Soprankeifend über die schlechte Jugend. Kauderwelschend als Gastarbeiter-Pfarrer in Bavaria, wo die Leut’ nicht mehr in die Kirchn gehn. Pädagogisierend als Opa, der dem Bubi Demokratie beibringt, aber halt doch noch ein verkappter Nazi geblieben ist. Selbstgerecht, eitel, letztlich larmoyant als korrupter Landrat von Miesbach, der in seiner humanen Überzeugung in „Welcome-Logis“für Flüchtlinge investiert, lauter schöne Einzelzimmer für maximal zwölf bis 14 Personen, was sich – durch die Tagessätze von 25 Euro pro Flüchtling – schon in zwei Jahren rechnet, wie der Sparkassendirektor überschlagen hat. „Allerdings nur, wenn die Italiener die net vorher absaufn lassn.“
In solchen Momenten der PoltSuada wird das Lachen des Publikums im Parktheater Göggingen dunkler, gebremster, wissend. Alle haben verstanden: böse, brutale Komik, über die eigentlich nicht zu lachen ist; aber so ist er, der Mensch, in Sonderheit der bayerische, wenn er wo einen finanziell einträglichen Schnitt machen kann, wie der Herr Landrat, der Dom Pérignon säuft und vor sich selbst den Hut zieht aufgrund seiner biographischen Gesamtleistung. Auch was das Genehmigen von neuen Skiliften angeht.
Vielleicht war das der Höhepunkt, das Kabinettstückchen an diesem Best-of-Polt-Abend mit seinen Ein-Mann-Sketchen von lauter selbstüberzeugten Menschen, die messerscharf alle Verfehlungen dieser Welt erkennen und benennen und geißeln – nur nicht den Splitter im eigenen Auge. Davon nämlich lebt die hohe Kunst des Gerhard Polt: dass der heftig eingeschränkte Horizont immer nur die anderen betrifft. Schön unterfüttert mit suggestiven sprachlichen Allgemeinplätzen, die plaudernd fallen und die Wahrhaftigkeit des Gesagten rot unterstreichen sollen: „San’s mir net bös’“. „Und des is jetzt wirklich interessant!“„Wie soll i sogn?“„Jetzt pass’ auf!“„I konn’s Ihnen ja erzähln!“
Und gegen Ende des Abends wird der Polt auch noch mal herrlich politisch inkorrekt. Man könnte ihm sogar Frauenfeindlichkeit unterstellen. Aber es ist vor allem Radiofeindlichkeit, weil er da eine junge Tussi, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, einen Studiogast interviewen lässt. Eine Brunzdumme trifft auf einen Alkoholsportler. Wirklich spannend. Aber irrelevant und quotensteigernd. Da bohrt der geborene Münchner noch einmal seinen spitzen Zeigefinger in die mediale Wunde.
Und ganz zum Finale, das Publikum johlt, da freut sich der Polt auch einmal selbst – und nicht nur als eine seiner Rollenfiguren.