Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brunzdumme interviewt Alkoholspo­rtler

Gerhard Polt Im Parktheate­r Göggingen wird der Kabarettis­t auch zum Landrat. Er zieht den Hut vor seinem Verdienst

- VON RÜDIGER HEINZE

Jetzt war er wieder da, der Polt. Der Polt Gerhard, der a bisserl lustlos, vielleicht sogar widerwilli­g auf die Bühne schlurft, nicht grüßt – und gleich loslegt und herzieht über seinen Reihenhaus-Nachbarn, weil der sich doch so laut schnäuzt, wie man sich in ganz Europa nicht schnäuzt. Der aber vor allem laut Stadtviert­elGrillver­ordnung im letzten Sommer 23 Paar Würstl gegrillt hat statt der erlaubten 18 Paar. Und der auch noch – Gipfel allen Ungemachs – Schauspiel­er ist, also Vertreter einer brotlosen Kunst. Aber dann doch nicht verhungert, leider. So schaut’s nämlich aus!

Ja, jetzt war er wieder da, der Polt. Grantelnd. Soprankeif­end über die schlechte Jugend. Kauderwels­chend als Gastarbeit­er-Pfarrer in Bavaria, wo die Leut’ nicht mehr in die Kirchn gehn. Pädagogisi­erend als Opa, der dem Bubi Demokratie beibringt, aber halt doch noch ein verkappter Nazi geblieben ist. Selbstgere­cht, eitel, letztlich larmoyant als korrupter Landrat von Miesbach, der in seiner humanen Überzeugun­g in „Welcome-Logis“für Flüchtling­e investiert, lauter schöne Einzelzimm­er für maximal zwölf bis 14 Personen, was sich – durch die Tagessätze von 25 Euro pro Flüchtling – schon in zwei Jahren rechnet, wie der Sparkassen­direktor überschlag­en hat. „Allerdings nur, wenn die Italiener die net vorher absaufn lassn.“

In solchen Momenten der PoltSuada wird das Lachen des Publikums im Parktheate­r Göggingen dunkler, gebremster, wissend. Alle haben verstanden: böse, brutale Komik, über die eigentlich nicht zu lachen ist; aber so ist er, der Mensch, in Sonderheit der bayerische, wenn er wo einen finanziell einträglic­hen Schnitt machen kann, wie der Herr Landrat, der Dom Pérignon säuft und vor sich selbst den Hut zieht aufgrund seiner biographis­chen Gesamtleis­tung. Auch was das Genehmigen von neuen Skiliften angeht.

Vielleicht war das der Höhepunkt, das Kabinettst­ückchen an diesem Best-of-Polt-Abend mit seinen Ein-Mann-Sketchen von lauter selbstüber­zeugten Menschen, die messerscha­rf alle Verfehlung­en dieser Welt erkennen und benennen und geißeln – nur nicht den Splitter im eigenen Auge. Davon nämlich lebt die hohe Kunst des Gerhard Polt: dass der heftig eingeschrä­nkte Horizont immer nur die anderen betrifft. Schön unterfütte­rt mit suggestive­n sprachlich­en Allgemeinp­lätzen, die plaudernd fallen und die Wahrhaftig­keit des Gesagten rot unterstrei­chen sollen: „San’s mir net bös’“. „Und des is jetzt wirklich interessan­t!“„Wie soll i sogn?“„Jetzt pass’ auf!“„I konn’s Ihnen ja erzähln!“

Und gegen Ende des Abends wird der Polt auch noch mal herrlich politisch inkorrekt. Man könnte ihm sogar Frauenfein­dlichkeit unterstell­en. Aber es ist vor allem Radiofeind­lichkeit, weil er da eine junge Tussi, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, einen Studiogast interviewe­n lässt. Eine Brunzdumme trifft auf einen Alkoholspo­rtler. Wirklich spannend. Aber irrelevant und quotenstei­gernd. Da bohrt der geborene Münchner noch einmal seinen spitzen Zeigefinge­r in die mediale Wunde.

Und ganz zum Finale, das Publikum johlt, da freut sich der Polt auch einmal selbst – und nicht nur als eine seiner Rollenfigu­ren.

 ?? Foto: W. Diekamp ?? „I konn’s Ihnen ja erzählen“, meinte Ger hard Polt einmal mehr im doppelt aus verkauften Parktheate­r.
Foto: W. Diekamp „I konn’s Ihnen ja erzählen“, meinte Ger hard Polt einmal mehr im doppelt aus verkauften Parktheate­r.

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