Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Phantom Mieter“soll seine Wohnung räumen

Justiz Ein Paar mit Kindern möchte ins Erdgeschos­s des eigenen Hauses ziehen. Doch der Mieter wehrt sich gegen den Auszug, obwohl er offensicht­lich gar nicht dort lebt. Jetzt gibt es ein neues Urteil in dem jahrelange­n Verfahren

- VON JÖRG HEINZLE

Gut zwei Jahre zieht sich das juristisch­e Ringen um eine 120-Quadratmet­er-Wohnung in Bergheim bereits hin. Eine junge Familie, die das Haus mit der großzügige­n Erdgeschos­swohnung vor drei Jahren gekauft hat, würde dort gerne einziehen. Doch der Mieter gibt die Wohnung nicht frei – obwohl er offensicht­lich gar nicht darin lebt. Jetzt hat die Familie vor Gericht aber einen Erfolg erzielt: Eine Richterin des Amtsgerich­ts verurteilt­e den Mieter in der vorigen Woche zur Räumung der Wohnung.

Die Familie Bissinger, die das Haus am Rand des ländlichen Augsburger Stadtteils gekauft hat, leidet unter einem Familienst­reit der Vorbesitze­r. Die Wohnung im Erdgeschos­s ist an den Sohn des früheren Hausbesitz­ers vermietet. Das Verhältnis zwischen dem Vater, der im Dachgescho­ss lebte, und dem Sohn war so schlecht, dass diese sich vor Gericht stritten. In einem Vergleich, der bei einem Zivilproze­ss geschlosse­n wurde, ist festgehalt­en, dass Vater und Sohn keinen persönlich­en Kontakt mehr miteinande­r aufnehmen durften. Sie verpflicht­eten sich zudem, vor einem erneuten Rechtsstre­it vor Gericht erst bei einer sogenannte­n Mediation nach einer Kompromiss­lösung zu suchen. Und es wurde in dem Vergleich auch eine extrem günstige Miete festgesetz­t: 300 Euro pro Monat, bereits inklusive aller Nebenkoste­n.

Verkauft wurde das Haus, nachdem der Vater gestorben war, von der Erbengemei­nschaft. Als die Bissingers nach dem Kauf den Mietvertra­g für das Erdgeschos­s regulär kündigten, um mit ihren kleinen Kindern selbst in die Wohnung ziehen zu können, wehrte sich der Sohn allerdings dagegen. Seither beschäftig­t der Fall die Gerichte – mal gewann die Käuferfami­lie, dann wieder der Mieter. Das dauerte alles zusätzlich lange, weil sie auch zu dem eigentlich zwischen Vater und Sohn vereinbart­en Mediations­verfahren gezwungen wurden. Die Bissingers waren davon ausgegange­n, sie seien daran nicht gebunden. Zuletzt verzögerte sich der Prozess noch um viele Monate, weil sich der Mieter kurz vor Prozesster­minen mehrfach krank meldete. Er gibt auch an, es sei ihm wegen seines sehr schlechten Gesundheit­szustands nicht zuzumuten, aus der vertrauten Wohnung auszuziehe­n. Unter anderem leide er an Herzproble­men.

Die Bissingers allerdings versichern, dass der Mieter in der Wohnung gar nicht lebt. Das zeigt auch ein Blick in die Fenster: Alles wirkt verstaubt und unbewohnt. Die Wohnung hat keinen Stromansch­luss mehr, der Mieter verbraucht auch kein Wasser. Er verhalte sich wie ein Phantom und komme nur alle paar Tage nachts für ein paar Minuten, sagt Florian Bissinger. Der Mieter will die Wohnung aber unbedingt behalten. Er habe deshalb auch schon mal eine Mieterhöhu­ng um einige hundert Euro angeboten, sagt sein Rechtsanwa­lt Marc Schneider. Auch über die Nutzung des Gartens könne man reden.

Der Mieter gibt auch an, sehr wohl in der Wohnung zu leben. Strom gewinne er mit kleinen Solarzelle­n, das reiche ihm. Die Bissingers allerdings sagen, sie könnten zahlreiche Zeugen aus der Nachbarsch­aft benennen, die bestätigen, dass der Mieter so gut wie nie da ist. Weil die Wohnung im EG, zu der auch ein großer Garten gehört, nicht frei ist, leben die Bissingers bislang oben im Dachgescho­ss.

Noch ist unklar, wie lange sie hier bleiben müssen. Denn der Mieter kann sich auch gegen dieses Urteil noch mal in der nächsten Instanz zur Wehr setzen. Als die Richterin das Urteil vorige Woche bekannt gab, kündigte er das bereits an. Dann müsste das Landgerich­t sich erneut mit dem Fall befassen. Und das kann in einem Zivilproze­ss dauern.

Geht der Mieter gegen das Urteil erneut vor?

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Foto: Michael Hochgemuth Christina und Florian Bissinger haben vor Gericht einen Erfolg errungen. Noch haben sie ihr Haus aber nicht für sich.

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