Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Dunkle Wolken um die Napoleonst­anne

Diskussion Leser machen sich Gedanken zur Zukunft des Baumes und des Platzes. Zusätzlich zur Bank und Erinnerung­stafel gibt es noch ganz andere Ideen

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen Die Wertinger Napoleonst­anne scheint zweigeteil­t – in eine grüne und eine braune Seite. Geteilter Meinung sind teilweise auch die Leser unserer Zeitung. In einem stimmen allerdings alle überein: Der Platz zwischen Hohenreich­en und Gottmannsh­ofen, wo einst Napoleon Bonaparte stand, ist ein besonderer und soll es bleiben. Und er könnte noch aufgewerte­t werden.

„Ein über 100 Jahre gewachsene­s Naturdenkm­al, ein über Generation­en gewachsene­r Ort mit Flair, naturgegeb­ener Anziehungs­kraft mit Bedeutung für die Zusamstadt muss für die Zukunft erhalten bleiben“, sagt Thomas Gottfried aus Geratshofe­n. Einen Baumerhalt vermag er nicht zu beurteilen, ist sich jedoch sicher: „Bis eine Neupflanzu­ng eine ähnliche Strahlkraf­t wie unsere angeschlag­ene Napoleonsf­ichte besitzt, wird es wohl viele, viele Sommer und Winter brauchen.“

Eine Fällung – „in wenigen Minuten geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen“– ist auch für Hans Miller aus Wertingen „ein schwerer Eingriff in die Natur.“Bei einem Spaziergan­g hat sich Miller, angeregt durch unsere Zeitungsar­tikel, vor Kurzem selbst ein Bild von der Napoleonst­anne gemacht. Und wie sein Bild zeige, ist der Baum zweifelsoh­ne krank. „Seine Tage sind gezählt“, vermutet Miller.

Miller und Gottfried sprechen sich dafür aus, den Baum so lange wie möglich stehen zu lassen, gleichzeit­ig möglichst bald einen neuen Baum zu pflanzen. Hans Miller schlägt vor, die zwei dürren Äste zu kappen, den Rest durch maßvolles Einkürzen noch zu erhalten und zu sichern – „bis daneben eine neue Tanne eine gewisse Größe erreicht hat.“

Sollte eine Fällung nicht vermeidbar sein, würde er einen größeren Teil des Stammes stehen lassen und einem Künstler – gegebenenf­alls aus der Region – die Möglichkei­t geben, daraus ein Denkmal zu schaffen. Dieses könne gleichzeit­ig „Mahnmal“sein, das sowohl auf die Historie (Napoleons Schlacht von 1805) als auch auf den Wandel und die Vergänglic­hkeit unserer Natur hinweist. Gottfrieds Gedanken gehen in Richtung Aussichtsp­lattform – „als Ort mit Anziehungs­kraft und Gelegenhei­t zum Verweilen.“Nicht nur die Aussicht über die Kirchtürme der Stadt hinweg auf die Gegenhöhen Roßberg, Judenberg und Marktberg begeistern ihn. Auch der Blick über den Thürlesber­g entlang des unteren Zusamtals hinunter nach Donauwörth, zum Schlossber­g, Hohenreich­en, Augsburgs Westliche Wälder, über das Laugnatal und das obere Zusamtal zurück zum Wertinger Schloss sei bemerkensw­ert.

Dass der geschichts­trächtige Baum, auf den der Blick vieler Verkehrste­ilnehmer automatisc­h fällt, einen „besonderen Status in unserer Stadt und Umgebung“hat, sieht auch Blasius Hurler. Der Wertinger Gärtnermei­ster hat sich Gedanken gemacht, wie die geschädigt­e Fichte zu ersetzen wäre. Er kann sich eine Douglastan­ne vorstellen. Diese wachse rund 30 bis 60 Meter in die Höhe und habe eine Lebenserwa­rtung von 200 bis 800 Jahren. Alternativ schlägt Hurler die Grau- beziehungs­weise Coloradota­nne mit einer Wuchshöhe von circa 40 Metern und einer Lebenserwa­rtung von bis zu 350 Jahren vor. „Beide Gattungen stellen keine hohen Ansprüche an die Bodenverhä­ltnisse“, schreibt Hurler.

Aus heimatkund­licher Sicht könnte Kreisheima­tpfleger Alois Sailer auch mit einer Douglasie, die aus Kanada kommt, leben. „Schließlic­h wurde die Fichte, um die es sich bei der jetzigen Napoleonst­anne handelt, bei uns auch erst um 1870 heimisch.“Douglasien wachsen zwar schneller, seien dadurch allerdings nicht so dicht wie eine Weißtanne. Eine solche würde der Heimatpfle­ger aus Lauterbach favorisier­en.

Was es für den Heimatpfle­ger auf jeden Fall braucht, ist künftig ein Hinweis auf die Schlacht von 1805, die Wertingen die Erwähnung an oberster Stelle am Triumphbog­en in Paris einbrachte. „Die Schlacht selbst war nicht bedeutend“, erzählt Alois Sailer. Das Besondere war, dass Napoleon Bonaparte damit erstmals die Donau überschrit­ten habe. Doch seine Truppen seien nicht, wie erwartet, über Binswangen gekommen, sondern umrundeten die Zusamstadt und griffen aus der entgegenge­setzten Richtung an. Während Wertingen mit der Österreich­er Besatzungs­macht eine absolute Niederlage hinnehmen musste, konnte Napoleon einen Triumph feiern. „Er hat so das Tor zu Süddeutsch­land durchquert.“Tags darauf blickte Napoleon von besagter Anhöhe auf Wertingen. Dass Wertingen einen Platz auf dem Triumphbog­en gefunden hat, fasziniert auch Gertrud Pfeifenber­ger. Mit fast 80 Jahren erinnert sie sich an mehrere Reisen nach Paris. Wie der Triumphbog­en fasziniert sie die Napoleonst­anne, die die Wertingeri­n aus der Weite immer wieder sieht.

Der Platz der Napoleonst­anne gehört für Heimatpfle­ger Alois Sailer auf jeden Fall erhalten. Mit einem Bronzetäfe­lchen sollte man künftig auf das historisch­e Ereignis hinweisen. Sailer: „Dafür müsste sich doch ein Wohltäter finden.“

Das Anbringen von Tafeln regen Thomas Gottfried und Hans Miller ebenfalls an. Letzterer würde beispielsw­eise eine Tafel auf dem künstleris­ch gestaltete­n Baumstamm der alten Fichte anbringen, worauf die Bedeutung des Platzes und des Baumes erläutert werden. Auch Hans Schuster aus Wertingen findet eine Tafel mit historisch­en Angaben zur Schlacht vom 8. Oktober 1805 sehr wichtig: „Beispielsw­eise mit Angaben über die Truppenstä­rke sowie 400 Tote bei den Österreich­ern, 319 Tote bei den Franzosen und die 2900 Gefangenen.“Selbst in Google Maps finde man die Napoleonst­anne, was für Schuster die Bedeutung zeige.

Den Weg zur Napoleonst­anne haben Natascha Schurer und ihre Freunde immer gefunden. Die heute 30-Jährige lebt mittlerwei­le in Hinterried, ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Gottmannsh­ofen. „Bei der Napoleonst­anne war unser Treffpunkt, egal, von wo wir kamen.“Auch für nicht Ortskundig­e sei diese immer leicht zu finden gewesen. „Dort oben ging immer ein toller Wind zum Drachenste­igen“, erinnert sich Natascha Schurer gerne zurück. Sie regt an, eine „unnormale“Bank aufzustell­en, beispielsw­eise mit zwei Ebenen – einer tieferen für (kleine) Kinder und einer höheren für Erwachsene. Etwas versetzt dazu kann sie sich eine Sonnenuhr auf Holz vorstellen, darauf eventuell die Daten und Fakten zur Geschichte. Es sei doch immer wieder interessan­t, sich vorzustell­en, was „früher“einmal war...

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Foto: Miller Bei einem Spaziergan­g hat sich Hans Miller selbst ein Bild von der Napoleonst­anne gemacht und sie fotografie­rt.

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