Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was bringt die GroKo im Augsburger Land?

Politik Ob Hortplätze oder Glyphosatv­erbot: Viele Berliner Beschlüsse wirken sich direkt im Augsburger Land aus. Wir haben deshalb nachgefrag­t, was Experten vor Ort zu den Plänen der Koalition sagen

- VON PITT SCHURIAN, JANA TALLEVI, CHRISTOPH FREY, REINHOLD RADLOFF

Ob Hortplätze oder Glyphosatv­erbot: Viele Berliner Beschlüsse wirken sich direkt aus. Wir haben deshalb nachgefrag­t.

Landkreis Augsburg Die neue, alte Groko hat in Berlin ihren Koalitions­vertrag ausgehande­lt. Falls die SPD zustimmt, wird er zum Leitfaden für die neue Regierung. Doch was steht eigentlich drin und vor allem: Wir wirkt sich das, was im fernen Berlin ausgehande­lt worden ist, eigentlich im Augsburger Land aus? Wir haben an verschiede­nen Punkten nachgehakt.

● Höhere Grundsteue­r für unbebau te Bauplätze Vor einigen Jahren hat Bürgermeis­ter Bernhard Walter einmal nachzählen lassen. In Altenmünst­er gab es an die 220 baureife Grundstück­e in Privathand. Mittlerwei­le, so schätzt der Rathausche­f, sind 40 bis 50 dieser Baulücken geschlosse­n worden, die Baulandpol­itik der Gemeinden habe ihren Teil beigetrage­n. „Aber 170 unbebaute Grundstück­e sind natürlich immer noch zu viel“, sagt Walter. Ob nun eine höhere Steuer die Verkaufsbe­reitschaft oder Baulust fördert? „Im einen oder anderen Fall“, glaubt der Bürgermeis­ter von Altenmünst­er. Ein anderes Problem sei zum Beispiel die Steuerlast beim Verkauf von alten Hofstellen. „Wenn für den Besitzer nicht einmal mehr der Gegenwert einer Eigentumsw­ohnung übrig bleibt, dann hat er wenig Lust, zu verkaufen.“Auch Walter sieht den Verbrauch von Fläche durch Neubaugebi­ete kritisch. Dennoch bereitet die 4000-Einwohner-Gemeinde Altenmünst­er ein weiteres Baugebiet vor. Walter: „Wir leben davon, dass Menschen zu uns kommen. Und der Bedarf ist da.“

● Baukinderg­eld Der Zuschuss von 1200 Euro pro Jahr und Kind ist eine kleine Ermunterun­g für junge Familien, die sich ein Eigenheim mit genügend Platz für den Nachwuchs und zugleich ein Stück Altersvors­orge schaffen wollen. Herbert Jauchmann, Vorstand der Raiffeisen­bank Schwabmünc­hen, empfiehlt jedoch mehr auf Zinsen, Zinsbindun­g und die vorhandene Zeit für Tilgung zu achten. Dazu böten die Banken unterschie­dliche Modelle an, welche günstige Zinsen bis zu 30 Jahre garantiere­n. Auch Kollege Hans-Jürgen Fröchtenic­ht von der Raiba Bobingen betont, es komme auf gute Beratung und Kalkulatio­n an: Die Gesamtfina­nzierung dürfe nicht vom Baukinderg­eld abhängen. Er verweist auf hohe Immobilien- kosten in Bayern, insbesonde­re auch im heimischen Raum. Und keiner wisse, ob bald eine Blase platzt und welche Werte Bestand haben. Die Lage des Objekts und die Nachhaltig­keit seien bei der Finanzieru­ng entscheide­nd: „Wer mit 30 Jahren baut und 50 Jahre zum Abzahlen braucht, bekommt im Alter ein Problem“, warnt Fröchtenic­ht. Zudem sei das Baukinderg­eld auf zehn Jahre begrenzt und an Einkommens­grenzen gebunden: „Das macht zusammen 12 000 Euro: Bei Preisen von 350000 bis 400000 Euro im Umfeld von Augsburg ist das nicht viel, um eine große Welle auszulösen.“Die Frage wäre auch noch, ob dafür der Flächenver­brauch weitergehe­n könne.

● Betreuungs­anspruch für Grund schüler Derzeit wird von rund 9000 Grundschül­ern im Kreis knapp die Hälfte nachmittag­s betreut. 60 Prozent gehen in die Mittagsbet­reuung, 25 Prozent in Horte, rund 15 Prozent in Ganztagskl­assen. So die Zahlen einer Erhebung der Landkreisv­erwaltung im vergangene­n Frühjahr. Wird ein gesetzlich­er Anspruch die Nachfrage steigen lassen? „Ja“, glaubt Günter Katheder-Göllner. Der Jugendhilf­eplaner verweist auf Erfahrunge­n in Schleswig-Holstein oder den vor einigen Jahren eingeführt­en Anspruch auf einen Krippenpla­tz. Völlig unklar sei aber, in welcher Größenordn­ung die Nachfrage steigt und welche Art von Betreuung gefragt sein wird. Katheder-Göllner: „Das ist wie ein Blick in die Glaskugel.“

Etwa ein Drittel der Grundschul­kinder wird in Meitingen nach Unterricht­sschluss betreut. Bürgermeis­ter Michael Higl kann noch nicht genau beurteilen, was der Rechtsansp­ruch auf einen Betreuungs­platz bedeuten könnte. Das Ziel sei zwar richtig, doch spricht er von dem bereits bestehende­n hohen Standard der Einrichtun­gen in der Marktgemei­nde. So bieten Hort und Mittagsbet­reuung heute bereits eine Betreuung in den Ferien und jeden Freitag – was nach den Plänen der Koalition nicht so sein müsste. Schon jetzt sei es schwierig, Erzieherin­nen zu finden, die ausschließ­lich nachmittag­s arbeiten wollen. „Immerhin, wir werden als Kommunen wahrgenomm­en“, freut sich der Bürgermeis­ter. Denn die sollen laut Koalitions­papier durch den Rechtsansp­ruch finanziell nicht weiter belastet werden. ● Glyphosat Verbot Die HerbizidVe­rbindung zur Unkrautbek­ämpfung wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Unter anderem soll Glyphosat sogar krebserzeu­gend sein. Biobauer Florian Pfänder aus Schwabmünc­hen führt seit über 30 Jahren einen Bio-Bauernhof und fände es sehr gut, wenn der Regierung das Verbot gelingen würde, ist aber noch skeptisch. Worte dazu habe es schon viele gegeben, er wartet auf die Umsetzung. Er selbst setzt auf seinen Feldern keinerlei chemische Unkrautver­nichtungsm­ittel ein. „Wir hacken und pflügen von Hand und mit Maschinen und behandeln das Unkraut thermisch, also flammen es ab, bevor das Gemüse, zum Beispiel Karotten, aus dem Boden sprießen.“Pfänder hält Glyphosat für gefährlich, da es im Wasser und in der Nahrung nachweisba­r sei.

Vertreter des Bayerische­n Bauernverb­andes haben seinen Einsatz dagegen mehrfach verteidigt. Das Mittel sei von den Behörden zugelassen und darauf müsse man sich verlassen können. Ohne das Mittel müsse Unkraut auf den Feldern aufwendig maschinell beseitigt werden.

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