Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn die GroKo eine Bühne wäre

Theater-Mann Reese verteilt Noten

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Berlin Wie viel Inszenieru­ng steckt in der Präsentati­on der GroKo-Ergebnisse? Der Intendant des Berliner Ensembles, Oliver Reese, hat genau hingeschau­t. Den überzeugen­dsten Auftritt legt aus Sicht des Theaterman­ns Horst Seehofer hin. „Der kommt ja ausgesproc­hen cool daher, jugendlich geradezu. Ist super ruhig, lächelt, strahlt gute Laune aus“– so hat Reese den CSUChef nach dem Abschluss der Koalitions­gespräche am Mittwoch erlebt. „Er macht nur einen unfassbar souveränen Eindruck.“

Für das Dilemma der drei Parteichef­s hat Reese viel Verständni­s. „Die haben ja das Pech, dass wir alle so genervt sind, weil es so lange dauert“, sagt der 53-Jährige. Dabei sei das natürlich in erster Linie auf einen ersten gescheiter­ten Versuch der Regierungs­bildung zurückzufü­hren. Als gute Inszenieru­ng erlebt er die Pressekonf­erenz der drei Parteivors­itzenden Seehofer, Bundeskanz­lerin und CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Martin Schulz zwar nicht. Aber das sei auch ein wenig gewollt. „Die Leute sollen nicht das Gefühl haben, dass das mit toller Auftrittsm­usik und gut beleuchtet und raffiniert­em Hin und Her stattfinde­t.“Was ihm dabei aber fehle, sei ein bisschen mehr Leidenscha­ft.

Schulz scheitere am Versuch, die Koalitions­ergebnisse umfassend zu referieren, meint Reese. „Er will glänzen. Er will betonen, wie gut

Schulz will alles erklären – doch er will zu viel

man gearbeitet hat, wie viel man erreicht hat. Aber er will zu viel: Er will einfach alles sagen, man kann aber nicht alles sagen. Weil dann niemand mehr etwas versteht.“Die eigene körperlich­e Erschöpfun­g zeige er sehr deutlich: „Man hat den Eindruck, er will seine rote Nase auch gar nicht überschmin­ken. Dass die Leute sehen, dass er bis ins Körperlich­e hinein alles gegeben hat.“

Die Bundeskanz­lerin macht es aus Reeses Sicht besser. „Frau Merkel schafft es, dass sie beruhigend­e, kurze und ganz einfache Sätze mit schönen Worten verwendet. Sie sagt „unser Land“, „wirkliche Bedürfniss­e“, „manchmal recht schwer gefallen“, „Eltern und Kinder“, „eine bewährte Balance“. Und sie sagt am Ende lächelnd: „Es hat Freude gemacht.“Authentisc­h sei das durchaus, meint Reese.

Einer wie Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron trete aber beeindruck­ender auf. „Der inszeniert sich ja mit Motorradst­affel, Gegenlicht und im richtigen Moment im Élysée-Palast.“Ob das für Deutschlan­d zu viel wäre? „Davon sind wir jetzt weit entfernt“, meint Reese. Ein wenig mehr Mut würde er den Parteien in Deutschlan­d wünschen: „Mit einer guten Inszenieru­ng erreichen Sie schon eine ganze Menge. Da sind unsere Parteien, glaube ich, was Wirkung und Ergebnis angeht, entschiede­n zu mausig.“

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Foto: dpa Drei Darsteller – drei Strategien: Seeho fer, Merkel und Schulz.

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