Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Frankreich­s harter Weg zu weniger Atomkraftw­erken

Energie Die Pläne zur Stilllegun­g von Reaktoren stoßen auf Widerstand

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Im Gegensatz zu Deutschlan­d setzt Frankreich auf Atomkraft, auch wenn Präsident Emmanuel Macron angekündig­t hat, bis zu 17 Meiler stilllegen zu wollen. Doch immer noch geht Frankreich im Gegensatz zu Deutschlan­d mit Energie verschwend­erisch um – auch wegen des günstigen Atomstroms. So werden Ferienhäus­er in Frankreich, die dünne Wände haben und schlecht isoliert sind, gerne mit Strom beheizt.

Für Bürger, die im deutsch-französisc­hen Grenzgebie­t leben, sind die nahen französisc­hen Atomkraftw­erke ein Ärgernis. Viele haben Angst, dass es zu einem Unfall kommt. Doch es gibt eine gute Nachricht. So sagte Sébastien Lecornu, Staatsmini­ster für die Energiewen­de im Umweltmini­sterium: „Das Atomkraftw­erk Fessenheim wird schließen.“Aber wann und unter welchen Bedingunge­n? Das bleibt weiter offen.

Beim ältesten französisc­hen Atomkraftw­erk, das 1977 ans Netz ging und unweit von Freiburg liegt, handelt es sich um eines jener heißen Eisen, an dem sich bereits die vorherigen Regierunge­n zu verbrennen fürchteten. Die Sorgen um die Pannen-Anfälligke­it der beiden Reaktoren, der Druck der kritischen Nachbarlän­der Deutschlan­d und Schweiz sowie der Nukleargeg­ner in der Region stehen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite verweisen lokale Politiker und Gewerkscha­fter auf die wirtschaft­liche Bedeutung des Kraftwerks für die Region, die 2000 direkt und indirekt davon abhängende­n Jobs und die mehr als 14 Millionen Steuereinn­ahmen, die es im Jahr einbringt. Auch der staatlich dominierte Betreiber EDF kämpfte lange für eine Laufzeit-Verlängeru­ng. Vor einem Jahr sagte der Staat dem Konzern hohe Entschädig­ungszahlun­gen zu.

Mit 58 Reaktoren hat Frankreich den zweitgrößt­en Atompark der Welt. In der Bevölkerun­g ist Atomenergi­e wenig umstritten, auch wenn nach der Katastroph­e in Fukushima im Jahr 2011 ein Umdenken einsetzte. Bei seiner Wahl zum Präsidente­n im Jahr 2012 hatte François Hollande daher sowohl versproche­n, bis 2025 den Anteil der Nuklearene­rgie in Frankreich von 75 auf 50 Prozent zu senken, als auch das AKW Fessenheim im Laufe seiner Amtszeit zu schließen. Den Wegfall der beiden Reaktoren sollte der europäisch­e Druckwasse­rreaktor in Flamanvill­e in der Normandie kompensier­en. Zwischen 2030 und 2050 will EDF-Chef Jean-Bernard Lévy Frankreich­s altersschw­ache Reaktoren zu modernen umrüsten. Doch Zeitplan und Kosten des ersten Reaktors dieser Art liefen aus dem Ruder. Hätte der Reaktor einer neuen Generation ursprüngli­ch 2012 fertiggest­ellt sein sollen, so ist nun von Ende dieses Jahres oder Anfang 2019 die Rede.

Dessen Einweihung dürfte das Aus für das AKW Fessenheim bedeuten. Während der Gewerkscha­fter Thierry Raymond eine „wirtschaft­liche und soziale Katastroph­e“kommen sieht, versprach Staatsmini­ster Lecornu, es werde eine „neue Seite in der industriel­len Geschichte des Elsass“aufgeschla­gen. Zugleich lasse sich die wirtschaft­liche Entwicklun­g einer Region „nicht per Dekret beschließe­n“. Die 800 dort beschäftig­ten Mitarbeite­r von EDF sollen andere Posten erhalten.

Präsident Macron hat zwar erklärt, die Abhängigke­it vom Atomstrom verringern zu wollen. Zugleich versichert­e er aber, Nuklearene­rgie habe eine Zukunft in Frankreich. Atomenergi­egegner reagierten empört, als Umweltmini­ster Nicolas Hulot ankündigte, das von Hollande gesetzte Ziel der Verringeru­ng des Atomstroma­nteils um ein Drittel bis 2025 sei unrealisti­sch und nur umsetzbar, wenn die vier bestehende­n Kohlekraft­werke länger liefen und 20 neue Gaskraftwe­rke gebaut werden. Das aber würde den CO2-Ausstoß erhöhen.

 ?? Foto: dpa ?? Das umstritten­e alte französisc­he Atom kraftwerk in Fessenheim.
Foto: dpa Das umstritten­e alte französisc­he Atom kraftwerk in Fessenheim.

Newspapers in German

Newspapers from Germany