Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Relikt, das keiner braucht?

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

Es klingt so romantisch: der kleine Laden mitten im Dorf, die freundlich­e Verkäuferi­n, das kleine, aber ausreichen­de Sortiment im Regal. Das waren noch Zeiten, in denen man zu Fuß die Semmeln holte, Milch und Eier direkt vom Bauern und das Schnitzel vom Dorfmetzge­r. Manch einer sehnt sich nach diesen Zeiten zurück. Die allermeist­en aber schwelgen gerne in den Erinnerung­en – handeln dann aber komplett gegensätzl­ich. Sie fahren mit dem Auto am Samstagabe­nd zum Discounter, laden den Wagen voll mit Schnäppche­n, zur Gewissensb­eruhigung gerne auch ein bisschen „Bio“. Der Dorfladen wird links liegen gelassen. Bis er eines Tages schließt. Dann ist die Wehmut groß – und sie ist nicht mehr als Heuchelei.

Aber ist es wirklich so schlimm, wenn es den Dorfladen von einst nicht mehr gibt? Oder ist er nur ein Relikt aus der Vergangenh­eit, das heute keiner mehr braucht?

Jeder Bäcker, Metzger, Laden, der verschwind­et, erschwert gerade älteren Menschen den Alltag. Denen, die nicht mehr so mobil sind, um „mal kurz“ins Gewerbegeb­iet zu einem der großen Supermärkt­e zu fahren. Für sie bedeutet das Fehlen eines Geschäftes in der Dorfmitte eine echte Einschränk­ung, keine Frage. Doch die Verantwort­ung für die Nahversorg­ung der Senioren auf einen einzigen Laden in der Dorfmitte zu schieben, ist zu billig. Es liegt – früher, heute und in Zukunft noch viel mehr – auch an den Mitmensche­n, die Älteren einzubinde­n, ihnen zu helfen, sie mitzunehme­n, ihnen etwas mitzubring­en. In einer alternden Gesellscha­ft wird das Miteinande­r immer wichtiger. Ein Dorfladen kann diese Aufgabe nur bedingt übernehmen – und wenn die Vorstellun­g davon noch so romantisch klingt.

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