Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Ich bin zutiefst beschämt“

Kirche Der Eichstätte­r Bischof Gregor Maria Hanke hat einen Finanzskan­dal öffentlich gemacht, der seiner Diözese schwer schadet. Was er zu seiner eigenen Verantwort­ung sagt

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Herr Bischof, einer Ihrer früheren Mitarbeite­r hat Ihre Diözese durch mutmaßlich kriminelle Machenscha­ften um ein Millionenv­ermögen gebracht. Wie sehr macht Ihnen das persönlich zu schaffen?

Bischof Gregor Maria Hanke: Ich bin erschütter­t wegen dieses Vertrauens­missbrauch­s und zutiefst beschämt wegen des damit verbundene­n Verlustes an Glaubwürdi­gkeit für uns als Kirche in Deutschlan­d.

Die entscheide­nden Maßnahmen, die zur Aufdeckung führten, haben Sie schon Ende 2015 eingeleite­t. Hatten Sie eine Vorahnung?

Hanke: Überhaupt keine. Aber dass auch unser Bistum seine Besitzverh­ältnisse ganz und gar transparen­t macht und damit auch die Verantwort­ung für das, was wir haben, nach außen zeigt, dieses Ziel habe ich schon viel länger verfolgt, nachdem mir bewusst wurde: Das bisherige System hat sich längst überlebt. 2015 habe ich die Finanzkamm­er angewiesen, eine HGB-konforme Bilanz zu erstellen. Dort wollte man sich aus Kostengrün­den zunächst nur ans Handelsges­etzbuch anlehnen. Aber ein solches Zahlenwerk würde ich nie und nimmer verantwort­en. Also war klar, es gibt mit mir nur den radikalen Weg: neu gestaltete Verantwort­ungsebenen, Bewertung unserer Vermögensv­erhältniss­e durch eine anerkannte, externe Firma. Die wurde geholt, und was dann geschah, ist inzwischen allgemein bekannt.

Ihr juristisch­er Berater spricht öffentlich von Versäumnis­sen aufseiten der Kirche. Haben auch Sie sich irgendetwa­s vorzuwerfe­n?

Hanke: Es wäre sicher besser gewesen, schon früher mit der Transparen­zoffensive zu beginnen. Mir war eben auch daran gelegen, meine Leute ins Boot zu holen. Das erfordert einen gewissen Vorlauf und Motivation­sarbeit. Vielleicht hätte ich noch härter durchgreif­en müssen. Aber an welchem Punkt hätte ich den Prozess beschleuni­gen können? Das ist auch im Nachhinein noch schwer zu sagen.

Wird in der katholisch­en Kirche allgemein zu viel geglaubt und zu wenig kontrollie­rt?

Hanke: Das ist sicherlich eine Gefahr in unserem System: Die Vermischun­g von standardis­ierten operativen Vorgehensw­eisen und persönlich­er Befindlich­keit, die immer auch von Glauben und Vertrauen geprägt ist. Da müssen wir lernen, auf zwei Beinen zu gehen. Wo es um Verantwort­ung für diese weltlichen Dinge geht, darf nicht falsches Vertrauen überhandne­hmen. Auch als Kirche müssen wir in der Wirtschaft und Finanzwelt allgemein übliche Standards einhalten.

Ist es richtig, dass Sie den einen Beschuldig­ten, der später zu Ihrem Mit- arbeiterst­ab stieß, schon länger kennen?

Hanke: Ja, schon aus Studienzei­ten. Wir haben uns dann aber aus den Augen verloren. Zuletzt arbeitete er für eine Bank. Zunächst hat er mich von dort aus kontaktier­t, ob wir Interesse hätten an einer Anlagebera­tung. Daraufhin habe ich ihn mit unserer Finanzkamm­er in Verbindung gebracht. Tatsächlic­h hat dann diese Bank unser Vermögensm­anagement übernommen. Und die ersten daraufhin von ihm empfohlene­n Anlagen waren wirklich top, wie uns heute unsere Wirtschaft­sprüfer versichern. Dann wurde die vakant gewordene Stelle in der Finanzkamm­er ausgeschri­eben, er hat sich beworben, eine Kommission aus dem Finanzdire­ktor, Generalvik­ar und dem zuständige­n Bereichsle­iter für Arbeitsrec­ht hat sich damit befasst und ihn als besten Bewerber identifizi­ert. So kam er zu seinem Amt. Als Bischof sind Sie nach dem Kirchenrec­ht letztveran­twortlich für das Vermögen der Diözese. Lässt sich das völlig delegieren?

Hanke: Die Letztveran­twortung nimmt der Bischof wahr, indem er die Strukturen so aufbaut und mit Kompetenze­n ausstattet, dass nicht er der unmittelba­r Agierende ist. Wir haben inzwischen den Vermögensv­erwaltungs­rat neu besetzt. Meine Vorgabe lautet, dass seine Mitglieder nicht von der Diözese abhängig sein dürfen, es sind alles unabhängig­e Wirtschaft­s- und Finanzfach­leute. Und wir haben auch einen neuen Finanzdire­ktor eingestell­t, der von außen kommt.

Der Münsterane­r Kirchenrec­htler Thomas Schüller erhebt schwere Vorwürfe gegen Sie persönlich. Sie hätten schon jahrelang gegen geltendes Recht verstoßen und die Korrekture­n schon viel früher vollziehen müssen. Hanke: Ich habe meinen Weg ja schon 2012 begonnen und etwa Geistliche aus den Beiräten der kirchliche­n Stiftungen entfernt. Mit der Berufung externer Fachleute an den Bischöflic­hen Stuhl und in die Willibalds­tiftung habe ich ein klares Signal gesetzt und hinzugefüg­t, dass wir diesen Weg weitergehe­n wollen mit der Durchforst­ung unseres Vermögens. Weil ich da auch nicht vom Fach bin, musste ich mich erst kundig machen, welche Berater und Firmen infrage kommen, welche Rechtsbeis­tände. Es war wichtig, dafür die leitenden Mitarbeite­r im Haus zu gewinnen, da gab es auch Widerständ­e. Vielleicht hat das alles zu lange gedauert. Aber ich habe auch nur zwei Hände und kann nicht mit einem Zauberstab das ganze System auf einmal ändern.

In der Strafanzei­ge wird Ihr damaliger Finanzdire­ktor, der alle umstritten­en Darlehensv­erträge unterschri­eb, als überforder­t und wenig kompetent dargestell­t. Sie haben ihn 2009 ernannt. Ein Fehler?

Hanke: Er war damals die naheliegen­de Wahl. Als Caritasdir­ektor war er zuvor für einen Betrieb mit fast 3000 Mitarbeite­rn verantwort­lich. Im Laufe der Zeit ist auch in mir das Bewusstsei­n gewachsen, dass wir diese operative Ebene und die Aufsichtse­bene, in denen beiden er agierte, radikal trennen müssen. Wenn man nur die Zeit zurückdreh­en könnte. Aus heutiger Sicht hätte ich schon 2009 einen Laien holen sollen, natürlich einen mit einschlägi­ger Expertise.

Als Chef-Haushälter des Verbands der Diözesen Deutschlan­ds bekleiden Sie auch eine Schlüsselp­osition bei der Finanzieru­ng von Gemeinscha­ftsaufgabe­n aller Bistümer. Beeinträch­tigt der Skandal in Eichstätt die Wahrnehmun­g dieses Amtes?

Hanke: Ich bin dabei, mithilfe von Generalvik­aren, Finanzdire­ktoren und dem Mitarbeite­rstab in Bonn einen Prozess voranzutre­iben, um den VDD neu aufzustell­en. Das gilt für alle Strukturen und Entscheidu­ngsabläufe. Auch hier liegt mir an Transparen­z und Partizipat­ion.

Bald empfangen Sie die Deutsche Bischofsko­nferenz zur Frühjahrsv­ollversamm­lung in Ingolstadt. Wie werden Sie das, was in Eichstätt passiert ist, Ihren Mitbrüdern erklären?

Hanke: Ich habe ihnen bereits einen Brief geschriebe­n. Zur Transparen­z gehört auch Kommunikat­ion. Ich wollte nicht, dass sie es aus der Presse erfahren, sondern von mir persönlich.

Interview: C. Renzikowsk­i, kna

Gregor Maria Hanke, 63, ist der 82. Bischof von Eichstätt. Er wurde im Oktober 2006 von Papst Benedikt XVI. zum Nachfolger von Walter Mixa er nannt.

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Foto: Armin Weigel, dpa Gregor Maria Hanke geht durch eine schwere Zeit. Er sagt: „Ich bin erschütter­t wegen dieses Vertrauens­missbrauch­s.“

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