Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Stare sind im Anflug
Natur Der Star wurde zum „Vogel des Jahres“, weil sein Bestand abnimmt. Das gilt auch für viele andere Pflanzen und Tiere. Der Grasfrosch zum Beispiel hat es schwer, weil er Waschbären und Autos zum Feind hat. Zum Glück gibt es auch Lichtblicke
Im verschneiten Allgäu sitzen schon die ersten Stare auf den Nistkästen. Und auch im Landkreis Augsburg wurden die ersten Schwärme in diesem Jahr gesichtet. „Die Stare sind immer ein Signal, dass bald der Frühling kommt“, sagt Martin Trapp vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Er glaubt, dass es nur noch eine Frage von Tagen ist, bis die ersten in Augsburg eintreffen.
Zwar gilt der Star noch als Allerweltsvogel. Doch seine Präsenz im Alltag täuscht. Der Starenbestand nimmt ab. Es fehlt an Lebensräumen mit Brutmöglichkeiten und Nahrung. Um auf die Probleme aufmerksam zu machen, hat der Naturschutzbund Deutschland den Star zum „Vogel des Jahres 2018“ausgerufen. Und viele fragen sich: Wie geht es den Staren hier?
Trapp zufolge haben die Stare in Augsburg in den vergangenen Jahren nicht spürbar weiter abgenommen, im Gegensatz zu anderen Gegenden in Deutschland. Größere Schwärme, die wie pulsierende schwarze Wolken am Himmel aussehen, kann man zeitweise mitten in Augsburg über dem Königsplatz sehen. In den großen Bäumen am Kö haben Stare einen Übernachtungsplatz, denn im Zentrum ist es immer ein paar Grad wärmer. Wenn es Frühling wird, findet man aber auch in den Wertachauen viele Stare. Dort gibt es noch Mischwälder mit Baumhöhlen, die Spechte hinterlassen. Sie werden gerne von Staren bezogen. Solche alten Bäume gibt es immer seltener. Nistkästen in Gärten helfen dieser Art weiter, sagt Trapp. Wer solche Brutplätze schafft, wird mit Naturerlebnissen belohnt. Der Star kann andere Vögel und Umgebungsgeräusche nachahmen und in seinen Gesang einbauen. Zu hören sind dann sogar Handyklingeltöne oder Hundebellen.
Nicht nur der Star, auch andere Tiere und Pflanzen werden mit ihren Überlebensproblemen und Besonderheiten als „Jahreswesen“öffentlich ins Rampenlicht gerückt. Hier einige Beispiele.
● Großer Fuchs Vor 200 Jahren war dieser Falter in Augsburg noch so häufig, dass er von Naturforschern als „sehr schädlich“eingestuft wurde. Schmetterlingsraupen fraßen ganze Obstbäume kahl. Heute sei das nicht mehr zu befürchten, sagt Eberhard Pfeuffer vom Naturwissenschaftlichen Verein für Schwaben. Das Bundesamt für Naturschutz schätzt die Art als „sehr stark rückläufig“ein. Die BUND NRW Naturschutzstiftung hat ihn deshalb zusammen mit Schmetterlingsexperten in diesem Jahr ausgewählt. In Bayern gilt der Große Fuchs als „gefährdet“. Denn seine Lebensräume wie Streuobstwiesen oder Gärten und Flure mit größeren Gehölzbeständen sind heute selten geworden. Auch in Augsburg sei der Große Fuchs nur noch selten zu beobachten, so Pfeuffer. Sein Tipp: Ein Ausflug in den Stadtwald kann sich lohnen. Sonnige Tage im März wecken den Falter aus seiner Winterstarre. Dann sonnt er sich mit ausgebreiteten Flügeln und saugt an blühenden Weidenkätzchen. Im Frühling kann man mit etwas Glück den rasanten Paarungsflug dieser Schmetterlinge am Himmel beobachten.
● Grasfrosch Er wurde von der Deutschen Gesellschaft für Terrarienkunde ausgewählt. Wie fast überall in Deutschland ist der Grasfrosch in Augsburg die häufigste Froschart. „Aber auch hier beobachten wir Bestandseinbußen“, sagt Nicolas Liebig vom städtischen Landschaftspflegeverband. Als Gründe nennt er fehlende Laichgewässer, neue Fressfeinde wie Waschbären und viele Verluste bei den alljährlichen Amphibienwanderungen durch den Straßenverkehr. Aber auch der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger in Landwirtschaft und Gärten macht den Fröschen zu schaffen. Sie reagieren mit ihrer Haut sehr empfindlich. Mit Sorge beobachten Experten die Ausbreitung eines tödlichen Hautpilzes, der Amphibien befällt. In Augsburg gibt es Projekte der Landschaftspflege, um dem Grasfrosch zu helfen. Im Siebentischwald finden sich noch viele Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg. Einige wurden abgedichtet, mit Wasser befüllt und zum Biotop umgestaltet, finanziert von den Stadtwerken. Liebig zufolge sind die „Himmelsweiher“von Amphibien bevölkert und ein großer Erfolg.
● Stichling Dass der Deutsche Angelfischerverband ausgerechnet den Dreistacheligen Stichling zum Fisch des Jahres kürte, hat für Verwunderung gesorgt. Er ist einer der kleinsten heimischen Süßwasserfische, verursacht aber Probleme. Im Bodensee kommt es seit 2013 zu einer explosionsartigen Vermehrung dieses Schwarmfisches. Auch in Augsburger Flüssen und Bächen ist er häufig. „Inzwischen machen die Stichlinge mehr als 80 Prozent des Fischbestandes im Freiwasser aus“, sagt Oliver Born, Fischereifachberater des Bezirks Schwaben. Stichlinge seien direkte Nahrungskonkurrenten für andere Fischarten. Sie ernähren sich auch von deren Eiern und Larven. Der Stichling ist aber auch ein besonderer Überlebenskünstler. Er kann auch von Menschen veränderte Gewässer besiedeln. Und er fällt durch sein Verhalten in der Brutzeit auf: Die Brust der Männchen verfärbt sich rot, der Rücken blaugrün, um Weibchen anzulocken. Die Weibchen werden durch einen Zickzacktanz umgarnt, bis es im Nest zur Eiablage kommt. Dann wird das Weibchen verscheucht und das Männchen pflegt die Brut. Es verteidigt sein Revier aggressiv gegenüber Artgenossen. „Für die Verhaltensbiologie ist der Stichling ein wunderbares Beobachtungsobjekt“, so Born.
● Wiesenchampignon Mit dem Wiesenchampignon stellt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie den wild wachsenden Verwandten des ZuchtChampignons als „Pilz des Jahres“vor. Der weitverbreitete WiesenPilz verliert durch intensive Grünlandnutzung mit Kunstdünger in Deutschland viele seiner Lebensräume. „Der Rückgang des Wiesenchampignons ist auch in der Region Augsburg sehr deutlich zu spüren“, sagt Günther Groß vom Pilzverein. Er kann sich an Zeiten erinnern, als Wiesenchampignons in Massen wuchsen. Inzwischen werde aber auch in der Region viel Grünland umgebrochen und für den Anbau von Energiepflanzen wie Mais genutzt. Auch übermäßiges Ausbringen von Gülle raube dem Wiesenchampignon die Lebensgrundlage.