Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was macht ein Heimatmini­ster?

Interview Der CDU-Wirtschaft­spolitiker Christian von Stetten geht hart mit Verhandlun­gsführung für die Große Koalition ins Gericht. Nach dem Verlust des Finanzmini­steriums für die Union warnt er vor weitreiche­nden Folgen

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München Bayern hat ja schon länger einen Heimatmini­ster, künftig soll sich auch in der Bundesregi­erung ein Minister um das emotionale Thema kümmern. Und natürlich kommt er aus dem Freistaat: CSUChef Horst Seehofer wechselt nach Berlin und übernimmt als Innenminis­ter auch die Bereiche Bau – und Heimat. Spötter stellen schon vorab die Frage, was so ein Heimatmini­ster eigentlich zu tun hat. Wir haben jemanden gefragt, der sich damit auskennt: Markus Söder. Der künftige Ministerpr­äsident ist ja bislang nicht nur für Bayerns Finanzen zuständig, sondern auch für die Heimat. Was er darunter versteht und wie er auf gelegentli­che Häme reagiert, verrät er im Interview auf der Politik.

Herr von Stetten, hat die CDU die Wahlen gewonnen, aber die Koalitions­verhandlun­gen verloren? Christian von Stetten: Die CDU hat auch die Wahlen verloren, aber das ist erst jetzt manchen bewusst geworden.

Aber sie wurde stärkste Partei. Stetten: Mit dem schlechtes­ten Ergebnis seit 1949, da kann man schon von einer verlorenen Wahl sprechen.

Und das hat auch die Koalitions­verhandlun­gen geprägt?

Stetten: Die CDU ist geschwächt. Wir haben weniger Abgeordnet­e, weniger Ausschussv­orsitzende und weniger Mitglieder in den Ausschüsse­n. Diese Schwäche hat sich in den Koalitions­verhandlun­gen fortgesetz­t. Dort konnte die SPD mit Verweis auf ihr Mitglieder­votum uns derart unter Druck setzen, dass wir dem nichts entgegense­tzen konnten.

Hat Angela Merkel am Ende schlecht verhandelt und sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen?

Stetten: Inhaltlich gibt es Licht und Schatten, denn wir haben in den Verhandlun­gen vieles durchsetze­n können.

Zum Beispiel?

Stetten: Zum Beispiel die Förderung der Familien, beim Wohnungsba­u, die Begrenzung des Zuzugs, die Steuerpoli­tik. Da haben wir viele Forderunge­n der SPD abwehren können. Aber die Ressortver­teilung ist ein großer politische­r Fehler.

Martin Schulz hat für die SPD das Außen-, das Finanz- sowie das Arbeitsund Sozialress­ort verlangt und das zur Bedingung gemacht, um dem Koalitions­vertrag zuzustimme­n. Hätte man das der Bevölkerun­g erklären können, wenn deswegen die Verhandlun­gen gescheiter­t wären?

Stetten: Man hätte gar nicht erst zulassen dürfen, dass es Bedingunge­n gibt. Wir haben immer gesagt, dass wir ohne Bedingunge­n in die Ver- gehen. Wenn die SPD meint, dass sie die Verhandlun­gen platzen lässt wegen der Bedingunge­n, die sie stellt, dann hätten wir auch eine Minderheit­sregierung bilden können. Das ist nach dem Grundgeset­z möglich. Ich hätte dies begrüßt.

Ist Erpressung ein guter Stil bei Koalitions­verhandlun­gen?

Stetten: Das ist überhaupt kein guter Stil. Aber wenn man jetzt hört, was Außenminis­ter Sigmar Gabriel über den Umgangston in der SPD sagt, wundert mich gar nichts mehr.

Ist das der denkbar schlechtes­te Start für die Große Koalition?

Stetten: Das kann man so sagen. Ist das Wirtschaft­sministeri­um, das die CDU ja seit 1966 nicht mehr hatte, eine angemessen­e Kompensati­on für das Finanzmini­sterium?

Stetten: Das wäre es, wenn das Wirtschaft­sministeri­um so stark wäre, wie es früher einmal war. Aber in seinem heutigen Zuschnitt ist es ein eher repräsenta­tives Ministeriu­m und somit nicht ebenbürtig mit dem Finanzress­ort.

Schmerzt Sie der Verlust des Innenminis­teriums – oder ist es bei der CSU in besseren Händen?

Stetten: Wir sind eine Union, da unterschei­de ich nicht zwischen CDU und CSU. Für unser Profil ist es wichtig, dieses Ressort zu haben. Aber der Verlust des Finanzmini­stehandlun­gen riums wird sich noch als fataler Fehler herausstel­len.

Bedeutet die Bündelung von Außenund Finanzress­ort in SPD-Hand eine Abkehr vom Stabilität­skurs in Europa? Droht nun eine Vergemeins­chaftung der Schulden?

Stetten: Diese Gefahr besteht – und deswegen ist der Aufschrei in unserer Fraktion auch so groß, weil viele befürchten, dass die SPD-Politik im Außenminis­terium nun auch Einzug im Finanzmini­sterium hält. Auch wenn ich in der Vergangenh­eit mit Wolfgang Schäuble nicht immer einer Meinung war, bei ihm fühlten wir uns gut aufgehoben, wenn er nach Brüssel fuhr, weil er die deutschen Interessen vertrat und für Sta- bilität eintrat. Das ist künftig nicht mehr gegeben, deswegen ist der Aufschrei so groß.

Erkennen Sie eine personelle Erneuerung im neuen Bundeskabi­nett? Stetten: Bislang sind erst Peter Altmaier als Wirtschaft­sminister und Horst Seehofer als Innenminis­ter gesetzt. Ich bin ein Verfechter einer personelle­n Erneuerung und poche darauf, dass auch der Wirtschaft­sflügel der Union adäquat berücksich­tigt wird.

Was muss geschehen, damit die CDU noch in vier Jahren die Wahl gewinnt? Stetten: Das kommt jetzt sehr auf die Abgeordnet­en in der Bundestags­fraktion an. In der Vergangenh­eit war es angesichts der großen Mehrheit der Großen Koalition nicht von Bedeutung, wenn einzelne Abgeordnet­e dagegen gestimmt haben. Jetzt ist die Mehrheit nicht mehr so groß und die Regierung muss um jeden Abgeordnet­en kämpfen und jeden überzeugen. Der Koalitions­vertrag ist nicht die Bibel. Alles, was darin aufgeführt wird, muss durchs Parlament und vom Bundestag beschlosse­n werden. Da können wir als Parlaments­kreis Mittelstan­d dafür sorgen, dass das, was zwar gut gemeint, aber nicht durchdacht ist, aufgehalte­n und korrigiert wird. Die Gesetze werden im Bundestag gemacht, nicht bei Koalitions­verhandlun­gen.

Interview: Martin Ferber

„Das Wirtschaft­s ministeriu­m ist nicht ebenbürtig mit dem Finanzress­ort.“Christian von Stetten

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Zur Person Christian von Stetten sitzt seit 2002 für die CDU im Bundestag und gehört dem Wirtschaft­sflügel seiner Partei an. Der 47 jährige Betriebswi­rt vertritt den Wahlkreis Schwäbisch Hall.

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Foto: Gregor Fischer, dpa Unions Verhandlun­gsteam um CSU Chef Horst Seehofer und CDU Kanzlerin Angela Merkel in der Nacht zum Mittwoch: „Die CDU ist geschwächt“, kritisiert der CDU Bundestags­abgeordnet­e Christian von Stetten.
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