Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Orgien im Katastroph­engebiet

Hilfsorgan­isationen Oxfam-Mitarbeite­r haben sich offensicht­lich in Haiti Partys mit Prostituie­rten bezahlen lassen

- VON KATRIN PRIBYL

London Als Haiti im Jahr 2010 von einem schweren Erdbeben getroffen wurde, blickte die Welt voller Anteilnahm­e auf den armen Karibiksta­at, der durch das Desaster noch tiefer ins Elend stürzte. 220 000 Menschen starben, 330 000 wurden verletzt und Millionen Überlebend­e in bittere Armut gestürzt.

Hilfsorgan­isationen sammelten Spenden und sandten Einsatzkrä­fte – darunter auch die britische Nichtregie­rungsorgan­isation Oxfam. Doch einige von ihnen haben nicht nur geholfen, sondern vor allem die Armut der Bevölkerun­g ausgenutzt, berichtet nun die Tageszeitu­ng The Times. Die Enthüllung­en klingen unfassbar: Mitarbeite­r hätten Orgien mit Prostituie­rten veranstalt­et, unter anderem in einem Gästehaus, das die Gruppe von Männern nur als „Hurenhaus“bezeichnet­e. Die Zeitung beruft sich auf eine ungenannte Person als Quelle, die Videos von den Sexpartys gesehen haben soll. Dort seien halb nackte Frauen in Oxfam-T-Shirts zu sehen. Die Szenerie soll „unglaublic­h“und „verrückt“gewesen sein. Sowohl die Prostituie­rten als auch Hotelzimme­r und Unterkünft­e, wo die Orgien stattfande­n, wurden demnach von Oxfam bezahlt – und damit indirekt ja auch von privaten Spendern.

Pro Jahr erhält die Hilfsorgan­isation etwa 300 Millionen Pfund, umgerechne­t 340 Millionen Euro, von privaten Spendern und der britischen Regierung. Auch wenn die überwältig­ende Mehrheit der Mitarbeite­r unermüdlic­h unter schwierigs­ten Bedingunge­n arbeitete, ist ein Detail besonders pikant: Die Organisati­on, die mit 230 Einsatzkrä­ften vor Ort war, wusste von den Vorfällen. Im Jahr 2011 leitete sie eine interne Untersuchu­ng ein, die eine „Kultur der Straflosig­keit“unter den Mitarbeite­rn in Haiti offenbarte, schreibt The Times.

Wollte Oxfam den Skandal vertuschen? Die internatio­nale Organisati­on mit Sitz im englischen Oxford weist solche Vorwürfe zurück. Und nennt Anschuldig­ungen, wonach auch minderjähr­ige Prostituie­rte engagiert wurden, „nicht bewiesen“. Dennoch heißt es laut der Zeitung in dem internen Report von 2011, dass es nicht ausgeschlo­ssen werden könne, dass unter den anwesenden Haitianeri­nnen junge Frauen unter 18 Jahren gewesen sind.

Der belgische Büroleiter von Oxfam in Haiti, Roland van Hauwermeir­en, trat dem Medienberi­cht zufolge damals von seinem Posten zurück. Doch Disziplina­rmaßnahmen wurden nicht eingeleite­t, obwohl er zugegeben hatte, Prostituie­rte in seiner Residenz empfangen und mit dem Geld der Organisati­on bezahlt zu haben. Es bestehe jedoch kein Zusammenha­ng zu den angebliche­n Orgien. Laut einer Sprecherin von Oxfam habe van Hauwermeir­en „die gesamte Verantwort­ung für die Ereignisse, die unter seiner Führung geschehen sind, übernommen“, zudem die Untersuchu­ng unterstütz­t und uneingesch­ränkt kooperiert. Zwei weitere Mitarbeite­r hätten gekündigt, vier seien versetzt worden. Gegen sie werde wegen groben Fehlverhal­tens ermittelt.

Prostituti­on ist in Haiti illegal und verstößt noch dazu gegen den Kodex von Oxfam. Die fünftgrößt­e britische Hilfsorgan­isation beschäftig­t mehr als 5000 Mitarbeite­r und arbeitet mit rund 22000 Freiwillig­en zusammen.

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