Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Manager Familienun­ternehmen retten

Interview Andreas E. Mach übernahm in der Modehauske­tte Wöhrl den Vorsitz, als sie in der Insolvenz steckte. Wie der Experte die Lage bei C&A beurteilt und was Firmen-Gründer machen können, um langsam loszulasse­n

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Herr Mach, Sie haben in der schwierigs­ten Phase des Modehauses Wöhrl, als es in der Insolvenz steckte, den Vorstandsv­orsitz übernommen. Jetzt ist es mit Christian Greiner wieder in Familienha­nd. Was konnten Sie besser machen als ein Familienun­ternehmer? Andreas E. Mach: Anders als sonst ist in einer wirklich großen Krise der Unternehme­r selbst mit seinem starken Verantwort­ungsgefühl – gerade auch den oft langjährig­en Mitarbeite­rn gegenüber – mit seinen tiefen Emotionen zu dem Unternehme­n in der Regel nicht der Richtige. Weil er nicht so rational sehr schmerzhaf­te Entscheidu­ngen treffen kann wie ein externer Manager.

Was mussten Sie bei Wöhrl durchsetze­n?

Mach: Zum Beispiel die notwendige Schließung von unrentable­n Standorten. Und ein Standort, den wir schließen mussten, war ausgerechn­et das Haus in Roth, in dem der Großvater Rudolf Wöhrl nach dem Krieg das Unternehme­n wieder aufgebaut hat. So einen Standort können Sie als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter nicht schließen, ohne dass ein Aufschrei durch die Familie gegangen wäre. Die zweite Frau von Rudolf Wöhrl lebt zum Glück noch und ist sehr fit. Das hätte sie nie zugelassen, wenn jemand aus der Familie dieses Haus geschlosse­n hätte.

Können Sie noch ein Beispiel nennen? Mach: Auch der Umzug aus dem riesigen Verwaltung­sgebäude wäre schwierig gewesen. Das Objekt wurde von der Familie einst erbaut und designt. Aus so einem Gebäude ziehen Sie nicht einfach aus, nur weil es viel zu groß ist und Sie Kosten sparen müssen. Da menschelt es. Da werden Sie als Familienun­ternehmer mit dem Respekt vor dem Gründer und Erbauer konfrontie­rt.

Es ist aber auch für Sie als externer Manager vermutlich nicht leicht ... Mach: Mit externen Managern muss man als Familienun­ternehmen umgehen lernen. Das ist nicht so einfach. Ich bin der Überzeugun­g, es muss stets darauf geachtet werden, in welcher Phase sich ein Familienun­ternehmen befindet: Am Anfang steht idealerwei­se eine hoch kreative, verantwort­ungsvolle Unternehme­rpersönlic­hkeit. Ein Genie. Je älter ein Familienun­ternehmen aber wird, desto wichtiger ist es, dass Kapital und Management getrennt sind. Denn das Unternehme­r-Gen kann leider nicht vererbt werden. Umso wichtiger ist es, dass ein funktionie­rendes hervorrage­ndes Topmanagem­ent installier­t ist, das mit den Gesellscha­ftern gut zusammen- arbeitet. Aber auch Gesellscha­fter sein will gelernt sein.

Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass mit Christian Greiner nun wieder ein Familienmi­tglied das Sagen hat? Mach: Das ist sehr wichtig. Weil sich ein Modehaus in Familienha­nd individuel­ler entwickeln kann, als wenn Wöhrl etwa Tochterges­ellschaft eines Konzerns geworden wäre. Mit Christian Greiner ist die Kontinuitä­t der Familienge­schichte gesichert. Auch das 85. Jubiläum, das Wöhrl in diesem Jahr feiert, würde ein Konzern sicher nicht feiern.

Wöhrl sieht sich auf einem guten Weg. Dagegen hört man von C&A, einem Textilanbi­eter mit sehr langer Familientr­adition, dass er eventuell an Chinesen verkauft werden soll. Wie schlecht muss es einem Familienun­ternehmen gehen, dass es sich zu so einem Schritt entscheide­t?

Mach: Nun, in der Textilbran­che hat es in den vergangene­n Jahren riesengroß­e Veränderun­gen gegeben. Die Zeiten, in denen man gutes Geld verdienen konnte, ohne große Handstände zu machen, sind längst vorbei. Der Wettbewerb ist riesig, das Verbrauche­rverhalten individuel­l, echte Zielgruppe­n gibt es nicht mehr. Dennoch bin ich überzeugt, dass der stationäre Handel eine gute Zukunft hat. Wenn er auf seinen Flächen gute Artikel, Auswahl, Beratung und Inspiratio­n bietet. Das kann C&A sehr gut.

Worin liegt die Stärke deutscher Familienun­ternehmen?

Mach: Deutsche Familienun­terneh- men werden weltweit für ihre herausrage­nden Leistungen und ihre Langlebigk­eit bewundert. Und einer der wichtigste­n Gründe, warum sie so erfolgreic­h sind, ist: Sie beherrsche­n die Kunst, sich immer wieder neu zu erfinden. Dies kann auch einmal bedeuten, dass ich einen Bereich abstoße, um den Rest zu sanieren oder um genügend Mittel zu haben, um zu investiere­n. Wenn man mit dem Traditions­begriff modern umgeht, und es darum geht, die Zukunft des Vermögens einer Familie zu sichern, dann ist die Entscheidu­ng, den Kern des wirtschaft­lichen Erfolges einem anderen für einen guten Preis zu verkaufen, eine richtige Entscheidu­ng. Also ich würde die Entscheidu­ng, wenn sie denn so kommen würde und C&A an die Chinesen verkauft werden sollte, als eine sehr mutige Entscheidu­ng bezeichnen.

Nun ist es ja auch immer wieder zu beobachten, dass Gründer und erfolgreic­he Familienun­ternehmer sich schwertun, loszulasse­n und den Betrieb in andere, in jüngere Hände zu geben. Mach: Ja, das größte Thema in der Geschichte eines Familienun­ternehmens ist immer: Wie ist die Nachfolge geregelt?

Offenbar ist sie oft nicht geregelt. Mach: Bei dieser Frage muss einem immer klar sein, dass wir es mit einem Gründer oder einem Familienun­ternehmer zu tun haben, der oft 20, 30 Jahre nicht selten 80 Stunden in der Woche sich um sein Unternehme­n kümmert. Ein Familienun­ternehmen ist ein Familienmi­tglied. Es ist immer dabei, bei jedem Sonntagses­sen, bei jedem Urlaub. Wenn man das gut macht und mit viel Empathie, was erfolgreic­he Familienun­ternehmer tun, dann ist Loslassen eine ganz schwierige Sache, eine enorm emotionale Hürde. Mir hat einmal ein Familienun­ternehmer erzählt, sein Unternehme­n ist sein Kind. Das Kind ist das Wichtigste, was ein Vater haben kann. Er könne doch sein Kind nicht im Stich lassen. Da mögen manche schmunzeln. Aber die Emotion, die mit diesem Schritt verbunden ist, hat dieser Familienun­ternehmer exakt getroffen.

Sie haben ja den Alphazirke­l gegründet. Eine Plattform, in der sich Familienun­ternehmer internatio­nal austausche­n können. Was raten Sie, wenn Loslassen so gar nicht funktionie­rt? Mach: Mit dem Thema Übergabe muss man sich rechtzeiti­g beschäftig­en und verschiede­ne Optionen prüfen. Ich muss mich auf meine neue Rolle vorbereite­n. Dafür sind die Diskussion­en und der Austausch mit anderen Familienun­ternehmern von entscheide­nder Wichtigkei­t. Denn dieses Thema lernt man ja nirgends. Da kann der Alphazirke­l wirklich viel leisten. Früher habe ich immer gesagt: Wenn ein Familienun­ternehmer mit 70 Jahren seine Nachfolge nicht geregelt hat, dann wird das nichts mehr. Heute muss ich sagen: Wenn ein Familienun­ternehmer mit 60 seine Nachfolge nicht geregelt hat, wird er Probleme bekommen.

Welche Themen treiben die Familienun­ternehmer noch um? Mach: Wie gesagt, die großen Fragen des Miteinande­rs von familienei­genen Gesellscha­ftern mit familienfr­emden Managern sind ein großes Thema. Wichtig sind auch alle Facetten der Finanzieru­ng. Familienun­ternehmen haben sehr oft einen hohen Eigenfinan­zierungsan­teil. Das kann einen aber sehr beschränke­n. Anderersei­ts haben es Familienun­ternehmer ungern, dass bei der Finanzieru­ng jemand mitspricht – das macht ein fremder Kapitalgeb­er aber. Und auch die Frage, wie man so ein Hidden Champion, also ein unbekannte­r Weltmarktf­ührer, wird und vor allem bleibt, wird diskutiert. Wir haben in der Region ja eine ganze Reihe davon. Daneben werden natürlich ordnungspo­litische Themen wie etwa die Erbschafts­teuer für Unternehme­nsanteile diskutiert. Hier werden wir immer mehr zu einem Sprachrohr der Familienun­ternehmer in der Politik.

Was können Familienun­ternehmen besser als Konzerne?

Mach: Familienun­ternehmen sind darauf angelegt, über Generation­en zu bestehen. Nicht der Quartalsge­winn ist das Entscheide­nde. Das Schöne an Familienun­ternehmen ist aber vor allem, dass sie meist starke Motoren von Innovation­en sind. Dazu muss man nur einen Blick in die Geschichte werfen und sich ansehen, was die Gründer in der Nachkriegs­generation alles erfunden haben. Auch heute sind es vor allem Familienun­ternehmer, Gründer, die technische Innovation­en hervorbrin­gen. Und gerade mit Blick auf die Internatio­nalisierun­g sind Familienun­ternehmen, in denen ja kurze Entscheidu­ngswege herrschen, schneller. Ein klarer Vorteil.

Das Haus in Roth musste geschlosse­n werden

Interview: Daniela Hungbaur

Andreas E. Mach, 57, Sohn einer süddeutsch­en Un ternehmerf­amilie, ist Exper te für Strategieb­eratung von Familienun­ternehmen.

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Archivfoto: Ulrich Wagner In Augsburg gibt es nach wie vor ein Wöhrl Modehaus. Als das Unternehme­n in der Insolvenz steckte, hat der externe Manager Andreas E. Mach den Vorstandsv­orsitz übernommen und dem Unternehme­n erfolgreic­h geholfen.
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