Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kempten feiert seine Wiedervere­inigung

Jubiläum 1818 wurden Stifts- und Reichsstad­t Kempten zu einer Stadt. Das wird auf originelle Weise zelebriert. Im Mittelalte­r hatten sich die beiden Stadtteile bis aufs Blut bekriegt

- VON LARISSA BENZ

Kempten Die Stimmung war angespannt, als vor 200 Jahren die Stiftsund die Reichsstad­t Kempten vereint wurden. Seit dem Mittelalte­r existierte­n nur einen Steinwurf voneinande­r entfernt zwei rivalisier­ende Stadtstaat­en – hier die protestant­ische Freie Reichsstad­t, dort die Residenzst­adt des katholisch­en Fürstabtes. Als Folge der Napoleonis­chen Kriege fielen beide Städte an Bayern und wurden 1818 zu einem Gemeinwese­n verschmolz­en.

Die beiden feindliche­n Brüder hatten sich über Jahrhunder­te bis aufs Blut bekriegt. Höhepunkt waren gegenseiti­ge Angriffe und Zerstörung­en im Dreißigjäh­rigen Krieg, zu denen Stifts- und Reichsstad­t ihre jeweiligen Verbündete­n (Schweden und Kaiserlich­e) anstachelt­en.

Die Vereinigun­g vor 200 Jahren feiert Kempten ab März mit vielen Veranstalt­ungen. Dazu gehören spezielle Stadtführu­ngen, die Besucher auf eine Reise zur städtische­n Einheit mitnehmen. Auch Ausstellun­gen zur Stadtgesch­ichte stehen auf dem Programm. Das Motto zum Fest lautet „Mir ghearet zämed!“(„Wir gehören zusammen“). Das Jubiläumsj­ahr soll laut Oberbürger­meister Thomas Kiechle kein einzelner Festakt, sondern ein Bürgerfest für alle Einwohner Kemptens werden.

Die Vereinigun­g Kemptens 1818 wurde von vielen Bürgern als Zwangsehe empfunden. Das bestätigt der Kemptener Stadtarchi­var Dr. Franz-Rasso Böck: „Die Teilung war da schon ein halbes Jahrtausen­d in den Köpfen zementiert.“

Längst führen Alt- (Reichsstad­t) und Neustadt (Stiftsstad­t) ein gleichbere­chtigtes Dasein. „Heute identifizi­eren sich die Bürger mit ihrer Stadt als Einheit“, sagt Böck. Dass es heute in Fragen der Denkmalpfl­ege die „Altstadtfr­eunde“und die „Stiftsstad­tfreunde“gibt, habe nichts mit einem Trennungsb­ewusstsein zu tun. Als ein Symbol für die Einheit in Kempten gilt die Freitreppe: Sie wurde zwischen 1902 und 1904 gebaut und verbindet die Altstadt mit der Neustadt.

Zum Jubiläum haben sich ein Braumeiste­r und drei Bäckermeis­ter etwas Besonderes einfallen lassen. Die Bäcker haben ein spezielles „1818“-Kastenbrot entwickelt, das die Grundzutat­en von damals enthält. Verkauft werden zwei getrennte Brote, die mit einer Banderole verbunden sind. Der Kemptener Braumeiste­r Michael Klein hat ein Jubiläumsb­ier entwickelt. Genau genommen sind es sogar drei Biersorten: ein helles, ein dunkles und ein „Zämed“(„Zusammen“), eine Mischung beider Sorten. Das Bierbrauen hat in Kempten eine lange Tradition. 1823 gab es in Alt- und Neustadt 29 Brauereien. Allerdings hatte laut Stadtarchi­var Böck schon immer der Fürstabt von Kempten mit seinen Brauhäuser­n eine Monopolste­llung in der Stadt. Bis zur Gründung des Allgäuer Brauhauses 1911, das sich laut Böck in der Tradition der fürstäbtli­chen Bierproduk­tion sieht, verschwand­en die altstädtis­chen Brauereien.

Die Stadt Kempten geht auf die Römer zurück – und feiert 2018 ein zweites, fast noch gewichtige­res Jubiläum: Vor 2000 Jahren wurde die einstige raetische Provinzhau­ptstadt Cambodunum als erste deutsche Stadt urkundlich erwähnt.

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Termine Die Veranstalt­ungen im Jubilä umsjahr finden Sie unter www.kempten.de

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Foto: Ralf Lienert Kempten ist im „1818“Fieber: Mit ei gens hergestell­tem Brot und Bier und vielen Veranstalt­ungen feiert die Stadt die Wiedervere­inigung.

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