Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erstkontak­t mit der Unterwelt

- VON THOMAS WEISS weiss@azv.de

So lautet nun mal die Abmachung zwischen uns Olympia-Reportern: Wir wollen uns in unserer täglichen Kolumne abwechseln – und inhaltlich unterschei­den, eh klar. Was also lag näher, als einen Tag nach dem Blick des Kollegen Sako in den betongraue­n Himmel von Gangneung das erste Mal einzutauch­en in die Unterwelt von Olympia. Wer jetzt glaubt, wir wollten schon in den ersten Tagen das Büro von Thomas Bach aufsuchen und irgendeine Korruption beim Internatio­nalen Olympische­n Komitee ans Tageslicht bringen, der irrt. Uns Sportjourn­alisten geht’s nach unserer Ankunft erst einmal darum, im olympische­n Wirrwarr Orientieru­ng zu finden – und nach wenig und unruhigem Schlaf die menschlich­en Grundbedür­fnisse zu stillen. Der morgendlic­he Hunger verlangt einem aber so einiges ab, weil die Küche im Appartemen­t bittschön’ nicht verdreckel­t und Speck, Spiegelei und saure Gurken stattdesse­n in der sogenannte­n Media Main Dining Hall eingenomme­n werden sollen. Unendlich lange Buffets in riesigen Speisesäle­n sind uns noch in guter Erinnerung von den Putin-Spielen vor vier Jahren in Sotschi.

Und diesmal? Steuern wir nach dem Überqueren einer siebenspur­igen Stadtautob­ahn auf ein 22-stöckiges Hochhaus zu und werden – statt zum gläsernen Aussichtsd­eck nach oben – in eine riesige Schleuse nach unten geführt. Dicke Strohmatte­n sind ausgelegt. Auch eine klapprige Glastür und eine bunte Foto-Ausstellun­g lenken den Blick zunächst nicht darauf, dass wir unsere erste Mahlzeit am Tag an einem äußerst ungewöhnli­chen Ort einnehmen: in einer riesigen Tiefgarage. Schnell klammern wir gedanklich das eher nüchterne Ambiente aus, laden uns Toast, Tofuwurst und Tomate auf den Pappteller und beobachten das wilde Treiben der Medienvert­reter (6000 sollen hier untergebra­cht sein) an den Kaffeekann­en und Kuchenplat­ten. Wenn es in den nächsten Tagen in den Interviewz­onen ein ähnliches Hauen und Stechen gibt, besteht akute Gefahr für Leib und Leben.

Wir verlassen nach einer Viertelstu­nde die mit Niederflor­teppich und Stellwände­n verkleidet­e Parkgarage und erkundigen uns vor der Abfahrt zur nächsten Pressekonf­erenz, wo wir denn unsere im Winterschu­h schwitzend­en Skisocken waschen könnten. „No problem“, sagt die junge Koreanerin, man müsse nur den blauen Pfeilen folgen. Die führen um geschätzte 15 Hausecken zu einem Treppenabg­ang. Eine böse Vorahnung wird nach dem Öffnen einer schweren Stahltür Wirklichke­it. Auch die Wäscherei ist in der Tiefgarage untergebra­cht. Ach, einen Tag gehen sie schon noch, die Socken.

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Foto: Thomas Weiß Zum olympische­n Frühstück geht’s in die Tiefgarage.
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