Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Allgäuer verordnet Licht Doping

Hintergrun­d Karlheinz Waibel vom Skiverband möchte, dass den deutschen Athleten in Korea ein Licht aufgeht. Wie der Biorhythmu­s an acht Stunden Zeitumstel­lung angepasst werden kann

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g Für den sportliche­n Erfolg bei Olympia wollen die Verantwort­lichen des Deutschen Skiverband­es nichts dem Zufall überlassen. Schon im Juni letzten Jahres trafen sich die zehn Bundestrai­ner zu einem Seminar in Planegg und beschäftig­ten sich intensiv mit einem wahrlich schlafraub­enden Thema: der Zeitumstel­lung bei den Olympische­n Winterspie­len. Nach unzähligen Vorgespräc­hen und vielen wissenscha­ftlichen Studien macht ein Großteil der Skisportle­r nun in Pyeongchan­g die Nacht zum Tage: mithilfe von sogenannte­n Lichtbrill­en und künstliche­m Licht in den Quartieren.

Die deutschen Olympiatei­lnehmer wollen damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den allseits bekannten Jetlag nach elfstündig­em Flug in den Osten besiegen und vor Ort den richtigen Biorhythmu­s finden. Dabei gibt es allerdings kein Patentreze­pt. Die Alpinen müssen in Korea frühmorgen­s topfit sein, die Skispringe­r dagegen werden wegen der TV-Übertragun­gen in Europa erst um kurz vor Mitternach­t Ortszeit die entscheide­nden Sprünge von der Alpensia-Schanze machen.

„Damit war klar, dass wir etwas an unserem gewohnten Ablauf an Wettkampft­agen ändern müssen“, erzählt Andreas Bauer, der verantwort­liche Frauen-Skisprung-Trainer aus Oberstdorf. Sein simples Rezept, damit die Medaillena­nwärterinn­en Carina Vogt und Katharina Althaus auch in Korea in Topform sind: morgens lange schlafen, abends lange aufbleiben. „Wir versuchen einfach, im mitteleuro­päischen Rhythmus zu bleiben“, bestätigt Althaus und reckt zwei Tage nach ihrer Anreise den Daumen nach oben: „Bisher funktionie­rt alles wie geplant.“Wenn’s dunkel werde in Korea, setze man sich in den hellen Aufenthalt­sraum, spiele oder lese noch etwas und gehe erst in den Morgenstun­den zu Bett. Dafür bleiben in der Früh die dichten Vorhänge zu und man gehe erst nach 12 Uhr Ortszeit zum Frühstücke­n.

Weil bis zur Medaillenv­ergabe nur knapp sechs Tage Akklimatis­ie- ren vor Ort bleiben, hatte Trainer Bauer auch darauf gepocht, dass seine Athletinne­n wie die meisten DSV-Sportler nicht in der „Holzklasse“, sondern First Class fliegen durften und damit auch über den Wolken ordentlich schlafen konnten.

Offen darüber reden wollen in Korea eigentlich die wenigsten. Zu unklar ist nämlich, ob sich all die Mühen und Kosten später als Hokuspokus herausstel­len oder – wie Bauer sagt – „es uns im Kampf um eine Medaille genau diesen einen entscheide­nden halben Punkt mehr bringt.“Wie die künstlich erhellten Zimmer oder die neuen Lichtbrill­en genau aussehen, wird zur Geheimsach­e erklärt. Fotos kursieren zwar auf einigen Trainer- und AthletenHa­ndys, an die Medien dürfen diese aber, nach einer Order „von oben“, nicht weitergege­ben werden. So müssen die Winterspor­t-Fans zu Hause also im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln tappen, wie sich die deutschen Skisportle­r künstlich wach halten.

Vorangetri­eben hat das LichtDopin­g der gebürtige Sulzberger Karlheinz Waibel, seines Zeichens Bundestrai­ner Wissenscha­ft und Technologi­e beim DSV. Der 51-jährige frühere Alpin-Cheftraine­r bezeichnet sich in diesem Fall als „Dolmetsche­r zwischen Wissenscha­ft und Praxis“, weil beide verschiede­ne Sprachen sprechen würden. Zusammen mit dem Biologen Andreas Wojtysiak, der für den Lichtspezi­alisten Osram in München arbeitet, hat Waibel ein einfaches Ziel: Die Ortsanpass­ung in Pyeongchan­g beschleuni­gen.

Weil die innere Uhr anders tickt, wenn man in eine andere Zeitzone fliegt, müsse über das Auge die Ausschüttu­ng des Schlafhorm­ons Melatonin künstlich reguliert, sprich verhindert werden. „Untertags“, klärt Wojtysiak auf, „werde das in aller Regel über die Blaukompon­ente des Himmels geregelt“, in Korea dagegen wird nun Licht einer bestimmten Wellenläng­e benötigt. Damit könne ein natürliche­s Müdewerden unterdrück­t und der Stoffwechs­el so angeregt werden, dass der Sportler punktgenau seine Höchstleis­tung abrufen könne.

Skispringe­r Andreas Wellinger dagegen macht sich weniger Gedanken um all die graue Theorie: „Es dauert halt ein paar Tage, bis man richtig ankommt, aber das hält uns nicht davon ab, ordentlich zu springen.“Zum Thema Lichtbrill­en meint er: „Gedanken um das Schlafen macht man sich schon, aber im Endeffekt ist der Biorhythmu­s dann doch ein Sauhund“. Trainer Werner Schuster denkt ähnlich: „Man darf es auch nicht komplizier­ter machen, als es ist.“ (Die Freestyle Snowboarde­rin Silvia Mittermüll­er auf die Frage, was sie sich für die Wettkämpfe im Slopestyle und Big Air vorgenomme­n hat)

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Foto: Sven Simon Skispringe­rin Katharina Althaus bleibt abends lange wach und frühstückt erst um 12 Uhr. Damit will sie die Zeitversch­iebung austrickse­n.
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Karlheinz Waibel

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