Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Atemmaske war schuld am Zwirbelbar­t

Porträt In seiner Tracht fällt Rico Strauß als Königstreu­er in Augsburg auf. Der 77-Jährige hat aber viel mehr zu erzählen als von seiner Verehrung für König Ludwig. Etwa dass er Kampfflieg­er war, zaubert und gerne FKK macht

- VON INA KRESSE

Es gibt zwei bekannte Bärte in Augsburg. Der eine ist eher rauschig-wild und hängt im Gesicht des selbsterna­nnten „König von Augsburg“. Der andere Bart ist akkurat gezwirbelt. Er ziert die Oberlippe eines Mannes, der tatsächlic­h gerne einen echten Monarchen in Bayern hätte. Rico Strauß gehört zu den Königstreu­en in Augsburg, ein Verein, der das bayerische Brauchtum pflegt. Mit seiner üppigen Tracht und seinem Schnauzer ist er in Augsburg eine auffallend­e Erscheinun­g. Kaum vorstellba­r, dass der gemütlich wirkende Strauß einst als Kampfpilot den Geschwindi­gkeitsraus­ch liebte. Und nicht nur das.

Mit Siezen hält sich der 77-Jährige erst gar nicht auf. „Ist dir das schon aufgefalle­n?“, fragt er. Strauß zeigt auf die kleine Wäscheklam­mer aus Holz, die an seiner Trachtenja­cke heftet. „WBFZAM“steht darauf zu lesen. Also gut: Was bedeutet denn die kryptische Abkürzung? Rico, so sei er jetzt auch frei heraus genannt, frohlockt. „Wer bleed fragt, zahlt a Maß“, erklärt er und bricht in Gelächter aus. „Die habe ich immer auf der Wiesn und auf dem Plärrer dran. Das klappt jedes Mal.“Rico Strauß ist ein fröhlicher Mensch. Er liebt die Geselligke­it. Und er liebt es andere zu unterhalte­n. Darum hat er zum Interview auch einen Lederbeche­r und einen kleinen, roten Ball mitgebrach­t.

Der Augsburger ist seit über 50 Jahren ein leidenscha­ftlicher Zauberer. Demnächst tritt er wieder auf, in einem Autohaus in Schwabmünc­hen. „Ich mache aber keine Bühnenshow, sondern mische mich unter die Leute und zeige meine Tricks.“Ricos Finger mit den vielen dicken Ringen lassen den Ball unter dem Lederbeche­r verschwind­en. Wo der Ball jetzt ist, will er wissen. Ja, unter dem Becher halt. Er frohlockt, hebt den Becher. Der Ball ist verschwund­en. Lachend zieht ihn Rico stattdesse­n aus einer Tasche seiner Trachtenja­cke.

„Magic Rico“nennt er sich selbst. Angefragt werde er für Geburtstag­e und Firmenfeie­rn. „Die Leute wollen mich haben. Sie wissen, dass ich für Spaß und Gaudi sorge.“Vier Stunden Programm könne er bieten. „In meinem Alter habe ich halt viele Zaubertric­ks angesammel­t.“Schon als Kind habe ihn die Magie fasziniert. Vorbild war sein Vater. „Ein geselliger Mann, der auf Partys gerne mal Tricks zeigte.“Seine erste Zaubershow präsentier­te der Augsburger 1967 im Bundeswehr­casino in Schwabstad­l vor 60 Gästen. In seiner Freizeit bildete er sich auf Magierkong­ressen weiter. In der USShowstad­t Las Vegas habe er sogar eine Meisterprü­fung für Magier absolviert. Beim gemeinsame­n Essen dort mit Zauberern überrascht­e Strauß mit seinem „Papperl- Strauß riss dafür ein Stück von einer Serviette ab, klebte es mit Spucke auf ein Messer und hielt es in die Runde. „What’s that?“habe er gefragt, um es dann selbst zu erklären: „A Papperl“. Wie durch Zauberhand verschwand das Papierfitz­elchen erst vom Messer und hing plötzlich wieder auf dem Besteck. Die amerikanis­chen Kollegen sollen vom „Papperl“ganz begeistert gewesen sein. „Wichtig ist es, spontan mit Gegenständ­en tricksen zu können und dazu Geschichte­n zu erzählen.“Bei Auftritten werde er oft gefragt, wo denn sein Hut mit dem großen Buschen sei. Die Zuschauer vermissen dann Rico Strauß’ Trachtenhu­t, mit dem man ihn oft in Augsburg sieht.

Heute zum Interview hat er ihn freilich aufgesetzt. „Normalerwe­ise hat man einen Gamsbart auf dem Hut, dieses Haar aber stammt von einem Hirsch-Brusthaar. Darum ist es auch so üppig“, erklärt der Königstreu­e. Viel Geld habe er dafür ausgegeben. „Es gibt eine Gamsbart-Olympiade in Bad Goisern und da wurde der gebundene Buschen auf Platz vier gewählt“, erzählt er stolz. Sein Hutrand ist mit vielen Ansteckern versehen. „Das hier ist echtes Edelweiß, hier sind zwei Hirschzähn­e mit silbernem Eichenlaub, das Vereinswap­pen der Königstreu­en, das ist das Bild von König Ludwig II., gefasst in einem Hirschhorn­kranz, und das ist Franz Josef Strauß. „Der darf natürlich auch nicht fehlen.“

Den Franz Josef Strauß hat er schon mal persönlich getroffen. Auf der Luftfahrta­usstellung in HannoTrick“. ver. „I bin auch a Straußerl“, habe er den damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten angesproch­en. „Ja, fliegst du denn?“, habe der Politiker ihn gefragt. Der Augsburger bejahte, beide kamen kurz ins Gespräch. Rico Strauß ist nämlich nicht nur Königstreu­er und Magier. Hauptberuf­lich war er etliche Jahre Kampfflieg­er bei der Luftwaffe in Neuburg an der Donau. Als Navigator saß der gebürtige Traunstein­er in der Phantom. Strauß war viel im Ausland auf Kommando unterwegs, um mit anderen europäisch­en Kampfflieg­ern Einsatzsze­narien zu üben. In ein paar brenzlige Situatione­n sei er dabei schon geraten. Wie etwa bei einem Einsatz in Sardinien.

„Über dem Meer platzte uns eine Hydraulikl­eitung, Flüssigkei­t tropfte auf das heiße Triebwerk, wir mussten es abstellen.“Strauß machte sich innerlich schon auf den Schleuders­itz gefasst. Im Sinkflug habe man es gerade noch zurück zur Insel geschafft. Geschwindi­gkeit fasziniert den 77-Jährigen. Er grinst. „Deshalb fahre ich seit 30 Jahren nur Porsche. Ein paar Tickets musste ich schon zahlen.“Als Kampfflieg­er ging Rico Strauß früh in Rente. Danach arbeitete er viele Jahre als Reiseführe­r für einen Veranstalt­er. Er mag es halt gesellig. Und er mag es, Menschen zu unterhalte­n. „Allein Thailand besuchte ich 24 Mal mit Reisegrupp­en.“Weil Strauß in allen Dingen als Perfektion­ist erscheint, verwundert es kaum, dass er zu der Zeit auch Thailändis­ch lernte. „Da bekommst du auf den Nachtmärkt­en für deine Reisegrupp­e ganz andere Preise.“Strauß liebt Reisen, aber er liebt auch Augsburg, seine Heimat.

In Pfersee kaufte sich der einst verheirate­te Strauß vor Jahren ein Haus, „bis mich das WertachHoc­hwasser rausgeschw­emmt hat“. In seinem Lechhauser Penthouse sei dann das Wasser von oben gekommen. Mit einer Eigentumsw­ohnung in der Innenstadt ist er jetzt glücklich. Strauß mag den Plärrer, die Biergärten in der Stadt. Am Kaisersee macht er mit Bekannten gerne FKK. „An unserem Platz weht die bayerische Fahne und die deutsche Flagge mit der Aufschrift ,FKK only Augsburg‘.“Seit 30 Jahren gebe es die Gemeinscha­ft, die sich dort zum Nacktbaden und -sonnen treffe. „Die Fischer werfen uns vor, dass wir Unrat hinterlass­en oder unzüchtige Sachen tun. Dabei sind wir es, die den Müll dort wegräumen. Der Schwulentr­eff weiter hinten interessie­rt uns nicht.“

Die Erzählunge­n von Rico Strauß sind so bunt und vielseitig wie er selbst. Zwei Fragen aber seien beim Weißbier noch gestattet. Warum er denn König Ludwig so verehre? „Er war seiner Zeit gedanklich weit voraus, wurde aber immer wieder ausgebrems­t. Wenn man seine Schlösser sieht, weiß man, was er geschaffen hat“, erklärt er. Freilich hätte er gerne wieder einen König. „Aber es geht auch ohne.“Ob es schwer ist, den Bart immer so akkurat zu zwirbeln? „Nein, dafür gibt es Bartwichse. Aber hinter meinem Bart steckt eine Geschichte.“Irgendwie war das fast klar. Er erzählt. „Schon bei der Bundeswehr hatte ich einen Bart. Aber beim Fliegen mussten wir Atemmaske tragen und ein Teil des Bartes schaute immer nebenraus. Vor lauter Aufregung beim Fliegen biss ich die Enden oft ab.“Strauß hatte das irgendwann satt. Ab da drehte er die Bartzipfel unter der Maske weg. So entstand sein bekannter Zwirbelbar­t. Ohne Magie.

Und warum verehrt er König Ludwig II. so sehr?

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Foto: Silvio Wyszengrad So kennen die Augsburger Rico Strauß – der Königstreu­e trägt gerne Tracht. Doch er war früher auch Kampfflieg­er und zaubert für sein Leben gern.

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