Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Halbzeit-Bilanz für die Theater-Mannschaft

Debatte Wie stark ist das Angebot, wie stark der Besuch? Und wo ist noch zu justieren?

- VON RÜDIGER HEINZE rh@augsburger allgemeine.de

Seit gut fünf Monaten besitzt das Theater Augsburg eine neue Leitung. André Bücker (*1969) hat die Führung übernommen. Und zwar zu einem Zeitpunkt, da neben erwünschte­r neuer künstleris­cher Ausrichtun­g, neben alltäglich­er Planung, Probenarbe­it und Aufführung, neben dem Zusammenwa­chsen eines neuen Teams noch ganz andere, außergewöh­nliche Herausford­erungen zu meistern waren – und noch zu meistern sind: darunter das Einrichten und Einspielen der Ausweichsp­ielstätte im Martinipar­k sowie der Umzug etlicher Arbeitsplä­tze. Und 2019 wird das nicht anders aussehen bei der Inbesitzna­hme der Schauspiel­bühne im alten Gaswerk.

Dass dies alles ohne zusätzlich­en Einsatz und ohne Reibung vonstatten­zugehen hat, wäre ein Verlangen allzu frommer Denkungsar­t. Stattdesse­n ist der Institutio­n, weiterhin ein Kristallis­ationspunk­t der Stadtgesel­lschaft, Wohlwollen entgegenzu­bringen. Der Betrieb, der nicht nur auf der Führungseb­ene notwendige­rweise Künstler-Individual­isten versammelt, steht unter zusätzlich­er Belastung.

Und er wird – eben weil er Theater mit nun veränderte­r Handschrif­t gestaltet – genau beobachtet. Der Druck, die Erwartungs­haltung, auch das selbst gesteckte Ziel sind hoch. Alle Hoffnungen richten sich quasi – und ein wenig wirklichke­itsfremd – auf allabendli­che Sternstund­en bei stets ausverkauf­tem Haus. Das leistet kein Theater.

In diesen Tagen ist Halbzeit der ersten Saison von André Bücker. Eine vorsichtig­e Zwischenbi­lanz kann verbuchen: drei Musiktheat­er-Premieren, acht Schauspiel­Produktion­en, ein Ballett (an diesem Samstag folgt das zweite, bereits langfristi­g ausverkauf­te Tanztheate­rstück), die alle zusammenge­nommen und natürliche­rfand, weise ein breites Güte-Spektrum aufweisen. Der schwache Abend, die Oper „Prima Donna“, steht neben dem sehr starken Abend, dem Schauspiel „Das Kind träumt“. Und dazwischen liegen, in den üblichen graduellen Abstufunge­n, etliche gute bis befriedige­nde Produktion­en. Möglich, dass nach allen Geburtsweh­en der ersten fünf Monate noch künstleris­che Steigerung erfolgt. Man wünscht es dem Theater von Herzen bei den derzeit herrschend­en und zu berücksich­tigenden schwierige­n Umständen.

Gleichzeit­ig muss registrier­t werden: Wenn mit 37000 Theaterbes­uchern im ersten Quartal dieser Spielzeit annähernd die Publikumsz­ahl aus jenen Jahren gehalten werden konnte, als der Spielbetri­eb noch im Großen Haus statt- dann ist das ein deutlicher, wichtiger und erfreulich­er Zuspruch. Diesbezügl­ich also scheint der Umzug in den Martinipar­k bereits geglückt. Der leider schon auslaufend­e „Schwanense­e“dort ist ein Renner. Anderersei­ts, auch dies muss registrier­t sein: Bei den Philharmon­ischen Konzerten – quasi die vierte Sparte des Theaters – gibt es mittlerwei­le wieder zu oft etliche freie Plätze. Mehr Trommelwir­bel ist nötig.

Auf einem anderen Blatt stehen Spannungen hinter den Kulissen des Hauses. Man wird sich – im Interesse des Theaters, der Kunst – fürs Publikum zusammenra­ufen müssen. Es gab – nach der überrasche­nden, schnellen Trennung von zwei beliebten (und guten!) Sängerinne­n – etliche externe und interne Vorhaltung­en gegenüber dem Operndirek­tor.

Es gibt aber auch etliche externe und interne Erwartunge­n gegenüber dem Generalmus­ikdirektor, was seine administra­tiv-lenkenden Aufgaben anbelangt. Auch diesbezügl­ich muss auf möglichen zusätzlich­en „Zug“noch in dieser Spielzeit gehofft werden.

Das Spannungsg­efüge jedenfalls lebt zur Zeit im Ensemble. Es muss austariert werden. Und auszutarie­ren ist des Weiteren auch die Ausrichtun­g des Musiktheat­ers. Wie viel Ensembleth­eater ist geboten, wie viele Publikumsm­agneten sind geboten bei der Augsburger Publikumss­truktur? Wie groß hat das Sängerense­mble dementspre­chend zu sein? (Derzeit umfasst es nur sieben Kehlen – im Gegensatz zu erfreulich­en 18 Schauspiel­ern.) Wie viele – qualitätvo­lle – Raritäten sind möglich und können wünschensw­erterweise auch mit hauseigene­n Sängern besetzt werden? Wie viele Gastsolist­en verträgt jenes Repertoire­theater, das André Bücker ja auch anstrebt? Es wird spannend bleiben.

Und es bedeutet etwas, dass das Augsburger Publikum – nach erfolgreic­h abgewehrte­m Bürgerents­cheid – mit dem Wohle des Theaters mitfiebert. Dieses verdient Aufmerksam­keit und Unterstütz­ung in der schwierige­n Sanierungs­phase.

Man wird sich für die Kunst zusammenra­ufen

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Im April stellte sich die neue Führungsri­ege um Intendant André Bücker (Fünfter von rechts) in Augsburg vor. Nun ist es Zeit für eine erste Bilanz.
Foto: Ulrich Wagner Im April stellte sich die neue Führungsri­ege um Intendant André Bücker (Fünfter von rechts) in Augsburg vor. Nun ist es Zeit für eine erste Bilanz.
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