Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Genossen auf der Achterbahn der Gefühle

GroKo Nach dem Hickhack um den Posten des Außenminis­ters rumort es in der SPD. Was Politiker zum Rückzug von Schulz sagen

- VON ANGELA DAVID, REGINE KAHL UND ADRIAN BAUER

Landkreis Augsburg Gestern Vormittag war der SPD-Landtagsab­geordnete Harald Güller noch stinksauer gewesen, am Nachmittag dann ein Stück weit besänftigt. Er nennt den Rückzug von Martin Schulz vom Außenminis­ter-Posten „überfällig und gut“. Der Politiker aus Neusäß ärgert sich dennoch über die „schwachsin­nige Personalde­batte“, die in seiner Partei jede inhaltlich­e Debatte über den Koalitions­vertrag überlagert habe.

Ob in der Partei vor Ort oder beim Einkaufen – überall werde er auf die Querelen zwischen Schulz und Gabriel angesproch­en, so Güller. Für ihn stand außer Frage, dass Schulz zu seinem Wort stehen müsse, nicht in ein Kabinett unter einer Kanzlerin Merkel zu gehen. Güller sagt, dass er zwar nicht zur „Galionsfig­ur für ein Ja zur GroKo“werde, man inhaltlich diese Regierung aber verantwort­en könne. Es seien zum Beispiel im Bereich Bildung „gute Sachen“erreicht worden.

Turbulente Tage hatte auch Güllers Kollege im Landtag Herbert Woerlein: „Es ist gut, dass sich Schulz besonnen und von einem Ministeram­t abgesehen hat. Nun soll er sich wieder auf sein Amt als Parteivors­itzender konzentrie­ren“, sagt der Landtagsab­geordnete, der angesichts der jüngsten Ereignisse sehr verärgert war: „Schulz kann Nahles nicht als Nachfolger­in bestimmen – schließlic­h haben die Delegierte­n ihn zu hundert Prozent gewählt.“Mit seinem Verhalten gefährde Schulz nach Woerleins Meinung auch die Zustimmung der Basis zur GroKo, „denn ich kann jeden verstehen, der nach dieser unnötigen Personalde­batte nun Nein sagt.“Abgesehen davon habe Sigmar Gabriel der Partei mit dem öffentlich­en Streit keinen guten Dienst erwiesen.

Woerlein selbst wird bei seiner Ablehnung einer Großen Koalition bleiben. „Wir müssen eher schauen, dass wir uns als Partei wieder gut aufstellen“, meint der Stadtberge­r. Vorrangige­s Ziel müsse nun sein, junge Leute mehr in die SPD einzubinde­n. „Man kann die Jusos nicht 20 Jahre lang nur Plakate kleben lassen und sich dann wundern, dass wir zu wenig Politiker-Nachwuchs haben“, so Woerlein.

„Sehr schade“, findet die Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr, „wenn Streitigke­iten in der Öffentlich­keit ausgetrage­n werden.“„So sollte man nicht miteinande­r umgehen“, sagt sie. Am besten sei es, man würde schon im Vorfeld einvernehm­liche Lösungen finden. Die Abgeordnet­e aus Stadtberge­n spüre auch an der Parteibasi­s, dass viele darüber enttäuscht sind.

Im Koalitions­vertrag findet Strohmayr „viel Gutes“, auch in ihren Schwerpunk­t-Bereichen Familie und Bildung – wie den Anspruch auf Ganztagsbe­treuung. „Anderersei­ts hätte ich mir bei der Pflege und der Rente mehr gewünscht.“Im Hinblick auf den Mitglieder­entscheid sagt sie: „Das ist eine höchstpers­önliche Entscheidu­ng, die jeder für sich treffen muss.“

Der SPD-Kreisvorsi­tzende Flori an Kubsch sieht die GroKo weiterhin skeptisch: „Im Landkreis steigen die Sozialausg­aben, obwohl fast Vollbeschä­ftigung herrscht. Dennoch wird für die unteren 40 Prozent der Einkommens­skala kaum etwas getan.“Er geht davon aus, dass der Mitglieder­entscheid viel knapper ausgeht als 2013, als 76 Prozent für die GroKo stimmten. Damals gab es aber das Projekt Mindestloh­n – solch ein großer Wurf fehle im neuen Vertrag, sagte Kubsch.

Einen Mitglieder­zuwachs stellt der Königsbrun­ner auch in der Region fest. Gut zehn Prozent mehr Parteigeno­ssen dürften es in den vergangene­n Wochen geworden sein, schätzt er. Sollte sich dies überall so gestalten, könne es Einfluss auf das Abstimmung­sergebnis haben: „Beim Parteitag haben 56 Prozent der Delegierte­n für die Koalitions­verhandlun­gen gestimmt.“

Massiv für die Ablehnung des Koalitions­vertrags werben die Jusos im Landkreis. Vorsitzend­er Fabian Wamser aus Schwabmünc­hen: „Dieser Koalitions­vertrag manifestie­rt jenes ‚Weiter so‘, das die Leute abgewählt haben.“Wamser merkt an, dass nicht nur die Jusos skeptisch gegenüber einer Neuauflage einer GroKo stehen. Er betont, dass beim Parteitag immerhin 44 Prozent gegen Koalitions­verhandlun­gen gestimmt hätten. »Kommentar

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