Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Genossen auf der Achterbahn der Gefühle
GroKo Nach dem Hickhack um den Posten des Außenministers rumort es in der SPD. Was Politiker zum Rückzug von Schulz sagen
Landkreis Augsburg Gestern Vormittag war der SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller noch stinksauer gewesen, am Nachmittag dann ein Stück weit besänftigt. Er nennt den Rückzug von Martin Schulz vom Außenminister-Posten „überfällig und gut“. Der Politiker aus Neusäß ärgert sich dennoch über die „schwachsinnige Personaldebatte“, die in seiner Partei jede inhaltliche Debatte über den Koalitionsvertrag überlagert habe.
Ob in der Partei vor Ort oder beim Einkaufen – überall werde er auf die Querelen zwischen Schulz und Gabriel angesprochen, so Güller. Für ihn stand außer Frage, dass Schulz zu seinem Wort stehen müsse, nicht in ein Kabinett unter einer Kanzlerin Merkel zu gehen. Güller sagt, dass er zwar nicht zur „Galionsfigur für ein Ja zur GroKo“werde, man inhaltlich diese Regierung aber verantworten könne. Es seien zum Beispiel im Bereich Bildung „gute Sachen“erreicht worden.
Turbulente Tage hatte auch Güllers Kollege im Landtag Herbert Woerlein: „Es ist gut, dass sich Schulz besonnen und von einem Ministeramt abgesehen hat. Nun soll er sich wieder auf sein Amt als Parteivorsitzender konzentrieren“, sagt der Landtagsabgeordnete, der angesichts der jüngsten Ereignisse sehr verärgert war: „Schulz kann Nahles nicht als Nachfolgerin bestimmen – schließlich haben die Delegierten ihn zu hundert Prozent gewählt.“Mit seinem Verhalten gefährde Schulz nach Woerleins Meinung auch die Zustimmung der Basis zur GroKo, „denn ich kann jeden verstehen, der nach dieser unnötigen Personaldebatte nun Nein sagt.“Abgesehen davon habe Sigmar Gabriel der Partei mit dem öffentlichen Streit keinen guten Dienst erwiesen.
Woerlein selbst wird bei seiner Ablehnung einer Großen Koalition bleiben. „Wir müssen eher schauen, dass wir uns als Partei wieder gut aufstellen“, meint der Stadtberger. Vorrangiges Ziel müsse nun sein, junge Leute mehr in die SPD einzubinden. „Man kann die Jusos nicht 20 Jahre lang nur Plakate kleben lassen und sich dann wundern, dass wir zu wenig Politiker-Nachwuchs haben“, so Woerlein.
„Sehr schade“, findet die Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr, „wenn Streitigkeiten in der Öffentlichkeit ausgetragen werden.“„So sollte man nicht miteinander umgehen“, sagt sie. Am besten sei es, man würde schon im Vorfeld einvernehmliche Lösungen finden. Die Abgeordnete aus Stadtbergen spüre auch an der Parteibasis, dass viele darüber enttäuscht sind.
Im Koalitionsvertrag findet Strohmayr „viel Gutes“, auch in ihren Schwerpunkt-Bereichen Familie und Bildung – wie den Anspruch auf Ganztagsbetreuung. „Andererseits hätte ich mir bei der Pflege und der Rente mehr gewünscht.“Im Hinblick auf den Mitgliederentscheid sagt sie: „Das ist eine höchstpersönliche Entscheidung, die jeder für sich treffen muss.“
Der SPD-Kreisvorsitzende Flori an Kubsch sieht die GroKo weiterhin skeptisch: „Im Landkreis steigen die Sozialausgaben, obwohl fast Vollbeschäftigung herrscht. Dennoch wird für die unteren 40 Prozent der Einkommensskala kaum etwas getan.“Er geht davon aus, dass der Mitgliederentscheid viel knapper ausgeht als 2013, als 76 Prozent für die GroKo stimmten. Damals gab es aber das Projekt Mindestlohn – solch ein großer Wurf fehle im neuen Vertrag, sagte Kubsch.
Einen Mitgliederzuwachs stellt der Königsbrunner auch in der Region fest. Gut zehn Prozent mehr Parteigenossen dürften es in den vergangenen Wochen geworden sein, schätzt er. Sollte sich dies überall so gestalten, könne es Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben: „Beim Parteitag haben 56 Prozent der Delegierten für die Koalitionsverhandlungen gestimmt.“
Massiv für die Ablehnung des Koalitionsvertrags werben die Jusos im Landkreis. Vorsitzender Fabian Wamser aus Schwabmünchen: „Dieser Koalitionsvertrag manifestiert jenes ‚Weiter so‘, das die Leute abgewählt haben.“Wamser merkt an, dass nicht nur die Jusos skeptisch gegenüber einer Neuauflage einer GroKo stehen. Er betont, dass beim Parteitag immerhin 44 Prozent gegen Koalitionsverhandlungen gestimmt hätten. »Kommentar