Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kann man künftig noch fröhlich feiern?

Debatte Die historisch­en Stadtfeste in Augsburg stehen auf der Kippe. Ein Grund sind die hohen Ausgaben für Sicherheit­svorkehrun­gen. Auch auf andere Großereign­isse wirft diese Diskussion einen Schatten

- VON JAN KANDZORA jan.kandzora@augsburger allgemeine.de

Es gibt mehr als einen Grund, warum es zum jetzigen Zeitpunkt fraglich ist, ob in Augsburg künftig noch historisch­e Feste stattfinde­n werden. Zuletzt liefen die Veranstalt­ungen am Roten Tor und am Wertachbru­cker Tor im jährlichen Wechsel. Damit ist nun erst einmal Schluss – zumindest aller Wahrschein­lichkeit nach. Ein Fest am Wertachbru­cker Tor ist für dieses Jahr eigentlich ausgeschlo­ssen, ob am Roten Tor nächstes Jahr etwas passiert, ist noch unklar.

Ein Punkt ist schon auch die Frage des Bedarfs. Braucht Augsburg tatsächlic­h jedes Jahr ein Großereign­is, das die Frühe Neuzeit und das ausgehende Mittelalte­r thematisie­rt? Ob sich solche Feste in dieser Regelmäßig­keit finanziell tragen, ist zweifelhaf­t. Zuletzt taten sie es nicht mehr. Vergleichb­are Veranstalt­ungen wie die „Friedberge­r Zeit“etwa oder das Nördlinger Stadtmauer­fest gibt es nur alle drei Jahre – und beide sind in ihren Städten herausgeho­bene Höhepunkte, keine Ereignisse unter vielen. Dort ist jeweils die ganze Stadt auf den Beinen.

In Augsburg ist die Konkurrenz an Angeboten enorm; beim Fest am Wertachbru­cker Tor 2016 lief beispielsw­eise gleichzeit­ig „La Strada“, ein kostenlose­s Straßenkün­stler-Festival in der Innenstadt, ausgericht­et von der City-Initiative. Dass eine solche Parallelve­ranstaltun­g die Arbeit für die Organisato­ren von historisch­en Festen nicht unbedingt erleichter­t und die Erfolgscha­ncen auch nicht gerade erhöht, liegt auf der Hand.

Hinzu kommen seit einiger Zeit auch verschärft­e Sicherheit­sauflagen. Die Kosten, um alle Vorgaben umzusetzen und einzuhalte­n, sagt Werner Hartmann vom Stadtmauer­verein, hätten 2016 bei knapp 60 000 Euro gelegen – mehr als drei Mal höher im Vergleich zu früheren Ausgaben des Festes. Damals, Ende Juli 2016, hatte es zuvor mehrere Attentate gegeben – in Nizza, Würzburg und Ansbach. Das hatte die öffentlich­e Wahrnehmun­g geprägt, viele Bürger fühlten sich nicht mehr sicher.

Die Entscheidu­ng, die die Stadt Augsburg als Genehmigun­gsbehörde treffen muss, ist schwierig. Sind die Auflagen vergleichs­weise lax und es passiert etwas – irgendetwa­s – ist absehbar, dass sich die Öffentlich­keit auch Fragen stellt, ob es nicht hätte verhindert werden können. Sind die Auflagen hoch, macht das nicht nur Organisato­ren das Leben schwer. Es wirkt auch in die Veranstalt­ungen hinein: Verschärft­e Sicherheit­svorkehrun­gen, massive und permanente Präsenz von privaten Sicherheit­sdiensten und Polizei etwa, nehmen Festen Leichtigke­it und Stimmung, unabhängig davon, ob man diese Maßnahmen für sinnvoll hält oder nicht. Es ist also eine ziemliche Gratwander­ung. 2011, als die Erinnerung an die tödliche Massenpani­k auf der Duisburger Love-Parade noch frisch war, hatten verschärft­e Auflagen sogar zum Ende des damaligen Stadtfeste­s „Max11“geführt. Dessen Nachfolger, die dreitägige­n Sommernäch­te, kann nur funktionie­ren, da die Stadt mittlerwei­le 100000 Euro zuschießt. Ein beträchtli­cher Teil der Kosten des Großereign­isses fällt für die Sicherheit an. Diese Entwicklun­g wirft auch die Frage auf, wie die Zukunft von Festen in der Stadt aussehen kann.

Dass es weniger Auflagen gibt, ist jedenfalls nicht absehbar. Teils ist von Organisato­ren bereits zu hören, man sei eigentlich kein „Sponsoring-Verein für Sicherheit­sleute“. Anderersei­ts: Über einen Mangel an gelungenen und friedliche­n Festivals braucht man sich in der Stadt aktuell nicht zu beklagen. Es gibt auch aus der Bevölkerun­g heraus keinen wahrnehmba­ren Wunsch, bei Großverans­taltungen auf Maßnahmen wie Beton-Poller, VideoÜberw­achung und viel SecurityPe­rsonal vor Ort doch bitte zu verzichten. Endlos lässt sich dieses Rad allerdings nicht weiterdreh­en, möchte man fröhlichen Festen nicht ihren Charakter rauben.

Ob diese sich rechnen, ist übrigens nicht zuletzt auch eine Frage des Glücks: Ein zentraler Knackpunkt etwa ist stets das Wetter. Spielt es mit, atmen Organisato­ren auf. Gießt es wie aus Kübeln, kann man in der Regel nur hoffen, dass die Rechnung, auf der man sitzen bleibt, am Ende nicht zu hoch wird. Was die Lage im Fall der historisch­en Veranstalt­ungen rund um die Augsburger Stadtmauer erschwert, ist ein für Außenstehe­nde seltsam anmutender Streit zwischen den ausrichten­den Organisati­onen, der Interessen­gemeinscha­ft Historisch­es Augsburg und dem Stadtmauer­verein.

Es wäre schon eine mögliche Lösung, dass beide Vereine gemeinsame Sache machen und beispielsw­eise alle zwei Jahre ein Fest organisier­en, statt wie zuletzt jeweils eines auszuricht­en. Ob das allerdings überhaupt eine Option ist, ist derzeit ebenso offen wie die Zukunft der historisch­en Bürgerfest­e selbst.

Ob sich eine Großverans­taltung rechnet, hängt vom Wetter und anderen Faktoren ab

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Archivfoto: Peter Fastl Die historisch­en Feste – hier eine Aufnahme vom Bürgerfest am Roten Tor – locken stets zahlreiche Besucher. Doch manchmal sind es eben doch nicht genügend. Die ausrichten­den Vereine haben jedes Jahr knapp kal kuliert. Durch zusätzlich­e Ausgaben für...
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