Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kann man künftig noch fröhlich feiern?
Debatte Die historischen Stadtfeste in Augsburg stehen auf der Kippe. Ein Grund sind die hohen Ausgaben für Sicherheitsvorkehrungen. Auch auf andere Großereignisse wirft diese Diskussion einen Schatten
Es gibt mehr als einen Grund, warum es zum jetzigen Zeitpunkt fraglich ist, ob in Augsburg künftig noch historische Feste stattfinden werden. Zuletzt liefen die Veranstaltungen am Roten Tor und am Wertachbrucker Tor im jährlichen Wechsel. Damit ist nun erst einmal Schluss – zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach. Ein Fest am Wertachbrucker Tor ist für dieses Jahr eigentlich ausgeschlossen, ob am Roten Tor nächstes Jahr etwas passiert, ist noch unklar.
Ein Punkt ist schon auch die Frage des Bedarfs. Braucht Augsburg tatsächlich jedes Jahr ein Großereignis, das die Frühe Neuzeit und das ausgehende Mittelalter thematisiert? Ob sich solche Feste in dieser Regelmäßigkeit finanziell tragen, ist zweifelhaft. Zuletzt taten sie es nicht mehr. Vergleichbare Veranstaltungen wie die „Friedberger Zeit“etwa oder das Nördlinger Stadtmauerfest gibt es nur alle drei Jahre – und beide sind in ihren Städten herausgehobene Höhepunkte, keine Ereignisse unter vielen. Dort ist jeweils die ganze Stadt auf den Beinen.
In Augsburg ist die Konkurrenz an Angeboten enorm; beim Fest am Wertachbrucker Tor 2016 lief beispielsweise gleichzeitig „La Strada“, ein kostenloses Straßenkünstler-Festival in der Innenstadt, ausgerichtet von der City-Initiative. Dass eine solche Parallelveranstaltung die Arbeit für die Organisatoren von historischen Festen nicht unbedingt erleichtert und die Erfolgschancen auch nicht gerade erhöht, liegt auf der Hand.
Hinzu kommen seit einiger Zeit auch verschärfte Sicherheitsauflagen. Die Kosten, um alle Vorgaben umzusetzen und einzuhalten, sagt Werner Hartmann vom Stadtmauerverein, hätten 2016 bei knapp 60 000 Euro gelegen – mehr als drei Mal höher im Vergleich zu früheren Ausgaben des Festes. Damals, Ende Juli 2016, hatte es zuvor mehrere Attentate gegeben – in Nizza, Würzburg und Ansbach. Das hatte die öffentliche Wahrnehmung geprägt, viele Bürger fühlten sich nicht mehr sicher.
Die Entscheidung, die die Stadt Augsburg als Genehmigungsbehörde treffen muss, ist schwierig. Sind die Auflagen vergleichsweise lax und es passiert etwas – irgendetwas – ist absehbar, dass sich die Öffentlichkeit auch Fragen stellt, ob es nicht hätte verhindert werden können. Sind die Auflagen hoch, macht das nicht nur Organisatoren das Leben schwer. Es wirkt auch in die Veranstaltungen hinein: Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, massive und permanente Präsenz von privaten Sicherheitsdiensten und Polizei etwa, nehmen Festen Leichtigkeit und Stimmung, unabhängig davon, ob man diese Maßnahmen für sinnvoll hält oder nicht. Es ist also eine ziemliche Gratwanderung. 2011, als die Erinnerung an die tödliche Massenpanik auf der Duisburger Love-Parade noch frisch war, hatten verschärfte Auflagen sogar zum Ende des damaligen Stadtfestes „Max11“geführt. Dessen Nachfolger, die dreitägigen Sommernächte, kann nur funktionieren, da die Stadt mittlerweile 100000 Euro zuschießt. Ein beträchtlicher Teil der Kosten des Großereignisses fällt für die Sicherheit an. Diese Entwicklung wirft auch die Frage auf, wie die Zukunft von Festen in der Stadt aussehen kann.
Dass es weniger Auflagen gibt, ist jedenfalls nicht absehbar. Teils ist von Organisatoren bereits zu hören, man sei eigentlich kein „Sponsoring-Verein für Sicherheitsleute“. Andererseits: Über einen Mangel an gelungenen und friedlichen Festivals braucht man sich in der Stadt aktuell nicht zu beklagen. Es gibt auch aus der Bevölkerung heraus keinen wahrnehmbaren Wunsch, bei Großveranstaltungen auf Maßnahmen wie Beton-Poller, VideoÜberwachung und viel SecurityPersonal vor Ort doch bitte zu verzichten. Endlos lässt sich dieses Rad allerdings nicht weiterdrehen, möchte man fröhlichen Festen nicht ihren Charakter rauben.
Ob diese sich rechnen, ist übrigens nicht zuletzt auch eine Frage des Glücks: Ein zentraler Knackpunkt etwa ist stets das Wetter. Spielt es mit, atmen Organisatoren auf. Gießt es wie aus Kübeln, kann man in der Regel nur hoffen, dass die Rechnung, auf der man sitzen bleibt, am Ende nicht zu hoch wird. Was die Lage im Fall der historischen Veranstaltungen rund um die Augsburger Stadtmauer erschwert, ist ein für Außenstehende seltsam anmutender Streit zwischen den ausrichtenden Organisationen, der Interessengemeinschaft Historisches Augsburg und dem Stadtmauerverein.
Es wäre schon eine mögliche Lösung, dass beide Vereine gemeinsame Sache machen und beispielsweise alle zwei Jahre ein Fest organisieren, statt wie zuletzt jeweils eines auszurichten. Ob das allerdings überhaupt eine Option ist, ist derzeit ebenso offen wie die Zukunft der historischen Bürgerfeste selbst.
Ob sich eine Großveranstaltung rechnet, hängt vom Wetter und anderen Faktoren ab