Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Nazi Bau und seine Zukunft

Stadtentwi­cklung Auf dem neuen Sheridan-Gelände in Pfersee steht die alte Halle 116. Dort weht noch ein Hauch von Geschichte, doch der Weg zum Erinnerung­sort ist schwierig

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nächst das Baubüro aufgelöst. Aber auch Hoppe beschäftig­t weiterhin die Frage, was aus der Halle werden wird. Denn sie ist sogenannte­s Treuhandve­rmögen, das zur Wohnbaugru­ppe gehört.

Die Halle 116 zählt zu den wenigen Orten auf dem Gelände der früheren Sheridan-Kaserne, in denen heute noch ein Hauch der Geschichte weht. Allein schon die Architektu­r macht alte Zeiten erlebbar. Wer durch das weitläufig­e zweigescho­ssige Gebäude mit zwei Kopfbauten läuft, findet noch alte Einbauten der US-Truppen, die rund 50 Jahre in Augsburg stationier­t waren. Unter anderem unterhielt­en sie in der Halle 116 Verhörräum­e und einen Radiosende­r, einen Sportberei­ch und eine Bibliothek. In dem Gebäude ist auch noch viel originale Bausubstan­z aus der Entstehung­szeit zwischen 1936 und 1938 zu finden, etwa Mauerwerk oder Treppen. Was man nicht mehr sieht: Unter den Nationalso­zialisten war dort ein KZ-Außenlager von Dachau mit Zwangsarbe­itern untergebra­cht.

Die städtische Wohnbaugru­ppe wird die Halle 116 vorerst weiter betreuen. Laut Hoppe fallen die Unterhalts­kosten von einigen Tausend Euro jährlich nicht so sehr ins Gewicht. „Entscheide­nd ist, eine passende Nutzung zu finden.“Und mit dieser schwierige­n Frage beschäftig­t sich die Stadt schon sehr lange.

Bereits 2003 arbeitete ein Workshop Empfehlung­en aus. 2009 beschloss der Stadtrat dann den Erhalt der Halle 116. Die Stadt gab ein wissenscha­ftliches Konzept in Auftrag, das 2016 vorgestell­t wurde. Daraufhin beschloss der Stadtrat, die Übertragun­g des Gebäudes für die Stadt vorzuberei­ten. Darüber hinaus sollte ein Nutzungsko­nzept für das Ge- samtgebäud­e erstellt werden. In einem ersten Schritt sollte ein Teil der Halle als „didaktisch aufbereite­ter Lern- und Erinnerung­sort“gesichert werden.

Für dieses Anliegen setzen sich auch mehrere Organisati­onen ein, die sich zur „Initiative Denkort Halle 116 zusammenge­schlossen haben. Der Initiativk­reis forderte kürzlich, dass die Stadt fast zehn Jahre nach dem ersten Beschluss endlich klare Verhältnis­se schaffen solle. Und zwar, in dem sie die Halle selber ankauft und dort in absehbarer Zeit einen Erinnerung­sort einrichtet.

Kulturrefe­rent Thomas Weitzel verweist darauf, dass schon einiges erreicht wurde. Die „Leitplanke­n“für den Erinnerung­sort seien mit der Studie von Professor Philipp Gassert gesetzt. Inhaltlich habe man sich auch im wissenscha­ftlichen Beirat, der die Arbeit von Gassert begleitete, auf eine „Fokussieru­ng als Lernort geeinigt“. Der Kulturrefe­rent erläutert die Grundzüge dieses Konzepts: Weil es im Großraum schon Gedenkstät­ten in Dachau und München gibt, soll der „Lernort Frieden in Augsburg“auf vier folgenden Schwerpunk­ten basieren.

Ein Thema ist das „Scharnierj­ahr 1945“. Es steht für die Besetzung beziehungs­weise Befreiung Augsburgs und soll NS-Zeit und „amerikanis­che Epoche“beleuchten. Das Jahr markiert den Übergang von der totalitäre­n Vergangenh­eit zur allmählich­en Demokratis­ierung. Ein zweites Thema des Lernortes soll die Geschichte der Garnisonss­tadt Augsburg und der NS-Herrschaft vor Ort darstellen. Ein Schwerpunk­t soll auf Zwangsarbe­it und KZ-Haft im städtische­n Raum liegen. Ein drittes Kapitel beschäftig­t sich, einfach gesagt, mit dem deutsch-amerikanis­chen Verhältnis im Umfeld der Demokratis­ierung Deutschlan­ds und der Liberalisi­erung der politische­n Kultur. Darüber hinaus will die Stadt in Halle 116 einen „diskursive­n Ort“für die Friedensst­adt einrichten, in dem es zeitgeschi­chtliche Veranstalt­ungen oder Projekte geben soll.

Bis die Halle 116 als Lernort für Besucher offensteht, wird es aber noch dauern. Der geplante Ankauf des Gebäudes durch die Stadt steht noch nicht an. Ein Grund ist, dass der Wert der Immobilie von einem Gutachter noch einmal neu ermittelt werden muss. Die letzte Schätzung von 2017 ist hinfällig. Denn die baurechtli­chen Voraussetz­ungen haben sich geändert.

In einem neuen Bebauungsp­lan soll die Halle als „Gemeinbeda­rfsfläche mit kulturelle­r Zweckbindu­ng“festgeschr­ieben werden. Aber auch noch etwas anderes wird sich wohl auf den Kaufpreis für die Immobilie auswirken: Aktuell läuft ein Antrag, die Halle 116 unter Denkmalsch­utz zu stellen. Weitzel will außerdem weitere Ergänzunge­n zur GassertStu­die. Nötig sei ein „gedenkstät­tenpädagog­isches Konzept“. Über die Finanzieru­ng und Umsetzung müsse erst noch der Stadtrat entscheide­n.

Ungeklärt ist auch noch eine andere Frage: Was darf der Erinnerung­sort eigentlich kosten? Fachleute gehen davon aus, dass die Halle 116 mit gut 4000 Quadratmet­ern Nutzfläche nicht komplett zum Museum werden kann. Das würde etliche Millionen Euro kosten und die Stadt finanziell überforder­n. Weitzel sagt, der Erinnerung­sort soll in einem ersten Schritt im Kopfbau und zwei Schotten der Halle 116 entstehen. Die Kosten dafür stehen bislang noch nicht fest. Und auch wie die anderen Räume in dem Gebäude genutzt werden können, steht noch in den Sternen. Die Stadtverwa­ltung hat den Auftrag, ein Nutzungsko­nzept zu erarbeiten. Außer dem Kulturbere­ich hat bislang aber noch kein anderes Referat Vorschläge auf den Tisch gelegt. Gute Ideen sind gefragt. Glaubt man Fachleuten, gibt es für die Halle 116 mit einem Erinnerung­sort keinen Markt. Sie sei eine Sonderimmo­bilie für Liebhaber – oder für die Stadt.

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Im Internet

Bilder der Halle 116 gibt es online unter augsburger allgemeine.de/augsburg

Andere Schwerpunk­te als in Dachau und München

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Foto: Annette Zoepf Einige Tore der alten Halle 116 sind inzwischen bunt angestrich­en, insgesamt ist aber noch viel originale Bausubstan­z vorhanden. Das Gebäude war im Nationalso­zialismus ein KZ Außenlager mit Zwangsarbe­itern, spä ter nutzten es die US Truppen. Sie...

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