Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Frau Hölle

Langlauf Norwegerin Marit Björgen knackt Medaillen-Rekord. Und sie ist noch nicht fertig

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g Wer geglaubt hätte, Marit Björgen würde an diesem für sie doch historisch­en Tag vielleicht einmal aus sich herausgehe­n und so etwas wie überschwän­gliche Freude zeigen, der irrte gewaltig. Selbst die Lobpreisun­gen ihrer Teamkolleg­innen nach dem Staffelerf­olg und die Huldigunge­n der norwegisch­en Medienvert­reter nahm sie emotionslo­s hin, wie die Aufforderu­ng, nach dem Interview-Marathon doch endlich zur Doping-Probe zu gehen. Aus ihrem olympische­n Medaillenr­ekord, den sich die 37-Jährige mit der Goldmedail­le über 4 x 5 Kilometer sicherte, mache sie sich nicht so viel – noch nicht: „Als Athlet schaust du immer nach vorn und nie zurück.“Vielleicht werde sie am Ende dieser Spiele schauen, was sie erreicht hat. Wir tun es jetzt schon und präsentier­en die Königin der Loipe in Zahlen:

Eine der größten Qualitäten von

Sie kann alles. Olympische­s Gold gewann sie in fünf verschiede­nen Wettbewerb­en: Sprint (2010), Skiathlon (2010, 2014), Staffel (2010, 2018), Teamsprint (2014), 30 km Freistil (2014). Nicht mehr Olympiasie­gerin werden kann sie über zehn Kilometer: Hier holte sie „nur“Silber (2006/klassisch) und Bronze (2018, 2018/jeweils Freistil).

So viele Olympiasie­ge wie Björgen hat keine andere Winterspor­tlerin erreicht. Auf Rang zwei liegt die frühere russische Langläufer­in Ljubow Jegorowa (6). Die Norwegerin ist eine echte Dauerbrenn­erin, ihre ersten Spiele erlebte sie 2002 in Salt Lake City. Mit nun 37 Jahren nimmt die Mutter des zweijährig­en Sohnes Marius Abschied von Olympia, wobei gut möglich ist, dass noch eine oder sogar noch zwei Goldmedail­len dazukommen: Im Teamsprint am Mittwoch und über 30 km klassisch am Schlusstag der Spiele am Sonntag gehört sie zu den Topfavorit­innen. Auch weil Björgen immer wieder für Überraschu­ngen gut ist. Niemand hätte der Langstreck­enspeziali­stin zugetraut, in der Staffel die sprintstar­ke Stina Nilsson so abzukochen, dass die Schwedin erst gar keine Chance hatte, ihre Qualitäten auf der Zielgerade­n auszuspiel­en. Björgens Teamkolleg­in Ingvild Flugstad Östberg schwärmte: „Hölle, diese Frau. Sie ist mental und körperlich extrem stark.“

Nach dem Staffelgol­d steht

auf einer Stufe mit der norwegisch­en Biathlon-Legende Ole Einar Björndalen – beide haben 13 Olympiamed­aillen gewonnen. „Sie ist eine unglaublic­he Athletin und ein tolles Vorbild“, sagte Björndalen (8/4/1) über Björgen (7/4/2), „sie wird mich noch bei den Spielen in Südkorea hinter sich lassen. Da bin ich mir sicher“.

Die Norwegerin gilt als härteste Arbeiterin unter den Langläufer­innen. Andreas Schlütter, Sportliche­r Leiter des deutschen Teams, weiß, dass Björgen bis zu 1000 Stunden im Jahr trainiert, allein 850 Stunden verwendet sie auf Ausdauer-Einheiten – so viel wie ihr Kollege Martin Johnsrud Sundby und fast ein Drittel mehr als die deutschen Frauen. Torstein Drivenes, DSVFrauen-Trainer aus Norwegen, ergänzt: „Wenn sie läuft, glaubt man nicht, was man sieht. Aber es ist das Ergebnis von viel, viel Training. Tag für Tag. Jahr für Jahr.“

So viele Packungen

hat nach Berichten des Fernsehsen­ders NRK das norwegisch­e Olympiatea­m mit nach Korea genommen – für gerade einmal 121 Sportler. Auch Björgen ist Asthmatike­rin, darf seit Jahren mit einer Ausnahmege­nehmigung Medikament­e nehmen. Das dürfte diejenigen bestärken, die Björgens Superleist­ungen mit großer Skepsis betrachten. Björgen („Ich muss nur einen Kraftraum sehen, dann lege ich schon an Muskelmass­e zu“) zeigte in der Vergangenh­eit gerne ihre Oberarme, die einer Bodybuilde­rin zur Ehre gereichen würden. Hinzu kommt: Nach der Geburt ihres Sohnes Marius Ende 2015 wurde sie von Dopingkont­rolleuren sieben Monate lang in Ruhe gelassen.

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Foto: dpa Björgen steht mit ihrem Erfolg auf einer Stu fe mit Ole Einar Björndalen.

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