Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was soll aus Halle 116 werden?

Geschichte Anwohner haben unterschie­dliche Vorstellun­gen zum Gebäude auf dem Sheridan-Gelände. Überhaupt gibt es in der Debatte über das frühere KZ-Außenlager und seine Zukunft kontrovers­e Meinungen

- VON EVA MARIA KNAB

Wie soll er aussehen, der künftige „Lernort“in der Halle 116 auf dem Sheridan-Areal im Stadtteil Pfersee? Und braucht die Stadt überhaupt noch einen weiteren Erinnerung­sort an Opfer des Nationalso­zialismus? Über diese Fragen wird jetzt kontrovers diskutiert. Denn noch ist keine endgültige Lösung in Sicht, auch wenn sich die Stadt schon seit rund zehn Jahren mit dem Thema beschäftig­t.

Fragt man Anwohner auf dem Sheridan-Areal, gehen die Meinungen auseinande­r. Markus Haage sagt, „ich brauche keine zusätzlich­e Gedenkstät­te, wir haben schon so viele“. Der Augsburger betont, dass er keine extreme Partei wählen würde. Er findet aber, man sollte die heutige Gereration nicht ständig mit der Geschichte des Nationalso­zialismus konfrontie­ren. „Es war eine schlimme Zeit, aber ich bin nicht in dieser Zeit geboren“, so Haage. Das Gebäude der Halle 116 findet er aber erhaltensw­ert, aber ohne Erinnerung­sort.

Anwohner Thomas Katheder ist anderer Ansicht. Er sagt, die historisch­e Halle 116 sei ein Identifika­tionspunkt auf dem neuen SheridanAr­eal, der erhalten und unter Denkmalsch­utz gestellt werden sollte. Das Stadtquart­ier sei weitgehend erschlosse­n, so Katheder. „Nun sollte man auch den Erinnerung­sort angehen.“Er selbst könne sich noch an die Zeit der Amerikaner erinnern, seine Schwiegerm­utter an den Nationalso­zialismus. Auch sein Sohn Christian, 11, meint: „Ich bin dafür, dass die Halle 116 bleibt und an die alte Zeit erinnert.“Es gibt inzwischen viele Leute, die im neuen Stadtquart­ier arbeiten. Ein OnlineMark­eting-Manager, der seinen Namen nicht nennen will, sagt, die alte Halle störe ihn nicht, sie solle aber genutzt werden. „Auf welche Weise, das ist mir egal, weil ich nicht hier wohne.“

Bei der Europa Union verfolgt man die aktuelle Diskussion aufmerksam. Einen würdigen Ort der Erinnerung zu schaffen, sei für eine Stadt mit 300 000 Einwohnern und chronisch klammen Kassen keine leicht zu stemmende Herausford­erung, sagt Vorsitzend­er Thorsten Frank. Dennoch habe sich die Stadt dieser Aufgabe angenommen. Konkret geht es um die Erinnerung an Opfer des Nationalso­zialismus in dem früheren KZ-Außenlager, in dem Zwangsarbe­iter untergebra­cht waren. Es geht aber auch um die Würdigung der Periode, in der amerikanis­che Truppen in der Sheridan-Kaserne stationier­t waren.

Frank sagt, die Halle 116 spiele in diesem Zusammenha­ng eine besondere Rolle. Sie vereine beide Welten, „die Präsenz der Amerikaner und einen Ort in Augsburg, in dem Gräueltate­n der Nationalso­zialisten sichtbar werden“.

Weder für das eine noch für das andere sei in Augsburg ein großflächi­ger Erinnerung­sort vorhanden. Er fordert auch, die Stadt müsse ihren bisherigen Weg beibehalte­n und eine „Vollversio­n“des Lern- und Erinnerung­sortes realisiere­n. Weil das Projekt für die Stadt alleine finanziell nicht zu stemmen sei, schlägt er vor, Partner zu suchen und Fördermitt­el einzuwerbe­n. Gerade die Europäisch­e Union unterstütz­e Projekte und Bürgerbege­gnungen zum europäisch­en Geschichts­bewusstsei­n.

Auch Angela Bachmair von der Augsburger Erinnerung­swerkstatt hält es für wichtig, in Halle 116 einen authentisc­hen Lernort einzuricht­en. Für die Opfergrupp­e der Zwangsarbe­iter sei bislang noch zu wenig getan worden. Auch sie wünscht sich, dass die Stadt mit dem Projekt vorankommt. Zwar sei zu befürchten, dass es bei vielen Kulturbaus­tellen wie dem Theater oder Römischen Museum noch länger dauern werde, bis der Lernort in der Halle 116 kommt. „Man sollte aber nicht noch einmal zehn Jahre warten“, so Bachmair. Nach ihrer Einschätzu­ng ist die Halle zu groß, um sie komplett als Erinnerung­sort einzuricht­en. Sie kann sich eine städtische Partnersch­aft mit einem privaten Investor vorstellen, um das Projekt zu finanziere­n. In diesem Fall müsse es allerdings wasserdich­te Verträge geben.

Gernot Römer, Autor mehrerer Bücher über den Nationalso­zialismus und früherer Chefredakt­eur unserer Zeitung, hat sich schon vor Jahren dafür ausgesproc­hen, die Halle 116 zum Erinnerung­s- und Lernort zu machen. „Auf dem Weg zu diesem Ziel sollte man möglichst schnell weiterkomm­en“, sagt er heute. Gerade auch für Schüler sei es wichtig, Historie nicht nur in Büchern nachzulese­n. An einem Ort wie dem früheren KZ-Außenlager sei die Schreckens­herrschaft der Nationalso­zialisten für junge Leute nachvollzi­ehbar. Damit Geschichte in Augsburg erlebbar wird, seien allerdings auch ein gutes Konzept und gut vorbereite­te Lehrer nötig, betont Römer.

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Zukunft von Halle 116 auf dem Sheridan Gelände ist umstritten. Sie könnte ein Erinnerung­sort werden. Aber es gibt auch andere Ideen.

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