Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nylon oder Perlon?
Textilmuseum Wenn Strümpfe ihre Geschichte erzählen könnten …
Augsburg Diese kleidungstechnische Revolution beginnt in einem Labor: 1938 entdeckt der deutsche Wissenschaftler Paul Schlack die Molekülverbindung Polycaprolactam, ein Polyamid. Der Chemiker, der für eine Firma der IG Farben arbeitet, nennt den Stoff Perlon. Es ist seine Antwort auf das andere Polyamid, das in den USA von der Firma DuPont entwickelt worden ist und als Nylon vermarktet wird. In den USA wird das synthetische Garn ab 1940 zu Strümpfen verarbeitet; die Amerikanerinnen plündern die Geschäfte. Und in Deutschland? Gibt es nur Perlonstrumpf-Prototypen, weil die Nazis das neue Garn nicht an Frauenbeinen sehen wollen, sondern im Kriegseinsatz – als Fallschirmseide.
Nun bekommt das Augsburger Textil- und Industriemuseum Proben der ersten Garne, auch originalverpackte Nylon-Probestrümpfe aus der Kriegszeit. Das Museum, das sich mit der Industrie- und der Textilgeschichte auseinandersetzt, übernimmt die Sammlung Schödel, die der Reutlinger Kurator Michael Schödel zusammengetragen hat. Mehr als 25000 neue Objekte erweitern den Bestand des Museums.
Mit zum Fundus gehören PerlonStrümpfe in allen Variationen. Deren Siegeszug beginnt in Deutschland in den 1950er Jahren und führt in die Region. Paul Schlack baut in Bobingen eine Perlon-Fabrik auf. In der DDR dauert es länger, bis die Synthetikfasern sich durchsetzen. Dederon heißt dort in den 1960er Jahren das Modezauberwort. Zu fast allem wird die Faser verarbeitet: von Frauenstrümpfen bis zu Herrenhemden. Und heute? Werden bis zu 20000 Tonnen Perlon pro Jahr hergestellt, unter anderem in Bobingen. Was Strümpfe alles erzählen könnten, wenn sie nur reden würden…