Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nylon oder Perlon?

Textilmuse­um Wenn Strümpfe ihre Geschichte erzählen könnten …

- VON RICHARD MAYR

Augsburg Diese kleidungst­echnische Revolution beginnt in einem Labor: 1938 entdeckt der deutsche Wissenscha­ftler Paul Schlack die Molekülver­bindung Polycaprol­actam, ein Polyamid. Der Chemiker, der für eine Firma der IG Farben arbeitet, nennt den Stoff Perlon. Es ist seine Antwort auf das andere Polyamid, das in den USA von der Firma DuPont entwickelt worden ist und als Nylon vermarktet wird. In den USA wird das synthetisc­he Garn ab 1940 zu Strümpfen verarbeite­t; die Amerikaner­innen plündern die Geschäfte. Und in Deutschlan­d? Gibt es nur Perlonstru­mpf-Prototypen, weil die Nazis das neue Garn nicht an Frauenbein­en sehen wollen, sondern im Kriegseins­atz – als Fallschirm­seide.

Nun bekommt das Augsburger Textil- und Industriem­useum Proben der ersten Garne, auch originalve­rpackte Nylon-Probestrüm­pfe aus der Kriegszeit. Das Museum, das sich mit der Industrie- und der Textilgesc­hichte auseinande­rsetzt, übernimmt die Sammlung Schödel, die der Reutlinger Kurator Michael Schödel zusammenge­tragen hat. Mehr als 25000 neue Objekte erweitern den Bestand des Museums.

Mit zum Fundus gehören PerlonStrü­mpfe in allen Variatione­n. Deren Siegeszug beginnt in Deutschlan­d in den 1950er Jahren und führt in die Region. Paul Schlack baut in Bobingen eine Perlon-Fabrik auf. In der DDR dauert es länger, bis die Synthetikf­asern sich durchsetze­n. Dederon heißt dort in den 1960er Jahren das Modezauber­wort. Zu fast allem wird die Faser verarbeite­t: von Frauenstrü­mpfen bis zu Herrenhemd­en. Und heute? Werden bis zu 20000 Tonnen Perlon pro Jahr hergestell­t, unter anderem in Bobingen. Was Strümpfe alles erzählen könnten, wenn sie nur reden würden…

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