Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Dilemma beim olympische­n Frühstück

- VON THOMAS WEISS weiss@azv.de

Es ist mal wieder an der Zeit für leichte Kost. Olympia bietet ja vor allem so überaus Schönes und Schweres, Großes und Gewichtige­s. All das zu verdauen, ist weder dem Fernsehzus­chauer zuzumuten, der eine Woche nach dem Ende des Faschings immer noch geplättet, gerädert und mit den fünf olympische­n Ringen um die Augen ins Büro wankt. Noch den Reportern vor Ort. Sie üben sich in einer ganz speziellen Disziplin, dem Nickerchen zwischendu­rch, auch Powernappi­ng genannt.

So punktgenau wie Andi Wellinger seinen Absprung am Schanzenti­sch treffen wir Olympia-Reporter inzwischen den Zeitpunkt, an dem wir die Systeme für ein paar Minuten komplett herunterfa­hren, um dann völlig losgelöst zu neuen Höhenflüge­n anzusetzen. Oft bleibt’s beim Versuch. Wir Mitteleuro­päer sind im Schnellsch­lafen einfach nur Mittelmaß, aber wir lernen täglich dazu.

Unsere Top drei der olympische­n Turboschlä­fer:

Ein freiwillig­er Helfer, der im Dreischich­t-Betrieb die Gäste von Pyeongchan­g in die Abgeschied­enheit des Deutschen Hauses hinund herfährt. Es war bei der grandiosen Party der Skispringe­r, als der junge Koreaner die Treppen nach unten ging, sein Funkgerät ausschalte­te und sich mit einem Goodnight ins Klo einsperrte. Fünf (absolut geräuschlo­se) Minuten später war er fertig mit seinem Gesch(l)äft – und wieder fit für die nächsten Fahrten.

Steven McSowieso, der sich im hintersten Eck des Pressezent­rums verkrochen hat, um alle halbe Stunde den Fernseher neben sich so laut aufzudrehe­n, dass der Zuhörer in den USA den Eindruck gewinnt, er berichte live aus dem Stadion. Der gut 60-Jährige – Marke Fritz von Thurn und Taxis – hat seinen Abspann noch nicht zu Ende gesprochen, da geht die linke Hand schon zum Kabel der Leselampe, der Kopf nach unten... Gut’ Nacht!

Und: Der Kollege aus Japan, der beim Frühstück in der proppenvol­len Tiefgarage noch so freundlich grüßte, als wir uns aber den zweiten Becher Kaffee geholt hatten, flach über dem Tisch lag, mit dem Ellbogen unser vollbepack­tes Tablett rammte und den Orangensaf­t übers Rührei kippte. Gemerkt hat er nix von alledem – der Olympiasie­ger im Schnellsch­lafen.

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Foto: Thomas Weiß Da sah das olympische Frühstück noch gut aus...
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