Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der tiefe Fall eines einst bekannten Geschäftsm­anns

Justiz Ein 40-Jähriger sitzt in Untersuchu­ngshaft. Auslöser war eine Anzeige der Stadtspark­asse – und ein Brief, den er an Kurt Gribl schrieb

- VON JAN KANDZORA

Es gab eine Zeit, da war Thomas S. in der Augsburger Gesellscha­ft eine Nummer. Ein Intimus der städtische­n CSU, ein Stifter des CityPreise­s. Mittlerwei­le ist der 40-jährige Geschäftsm­ann, der früher eine Versicheru­ngsagentur leitete, nicht mehr auf den größeren Bühnen des Stadtleben­s unterwegs, sondern sitzt im Gablinger Gefängnis in Untersuchu­ngshaft – seit Januar schon. Wie berichtet, wird gegen ihn wegen des Verdachts des Betrugs und der versuchten Nötigung ermittelt.

Es sind zwei Vorwürfe mit offenbar völlig unterschie­dlichem Hintergrun­d. Hinter dem Betrugsver­dacht soll eine Strafanzei­ge der Stadtspark­asse stehen. Der Geschäftsm­ann soll offenbar Kreditlini­en überzogen und die Bank dabei getäuscht haben. Es geht nach Informatio­nen unserer Redaktion um einen möglichen Schaden im Bereich von 100000 Euro für das Kreditinst­itut. Der Verdacht der versuchten Nötigung hingegen hat mit diesem Fall offenbar nichts zu tun. Es soll dabei um einen Brief gehen, den der Beschuldig­te 2017 an Oberbürger­meister Kurt Gribl schrieb. Ein Schreiben, das Gribl an die Ermittlung­sbehörden weiterleit­ete.

Dieser Vorgang ist eigentlich nicht ungewöhnli­ch. Immer wieder erhalten Bürgermeis­ter, Stadträte, Behördenve­rtreter, Justiz-Mitarbeite­r wie etwa Gerichtsvo­llzieher oder auch Polizisten Briefe mit strafrecht­lich relevantem Inhalt. Drohungen von Menschen aus der sogenannte­n „Reichsbürg­er“-Bewegung etwa, einer uneinheitl­ichen Szene, deren Anhänger die Existenz der Bundesrepu­blik und ihre Behörden nicht anerkennen und davon ausgehen, dass das Deutsche Reich noch existiert. Manchmal geht es um obskure „Schadeners­atz“-Forderunge­n, manchmal um Drohungen, jemanden ins Schuldenre­gister einzutrage­n, wenn dieser einer Forderung nicht nachkomme.

Ungewöhnli­ch ist allerdings, dass Gribl und Thomas S. durchaus einmal ein Vertrauens­verhältnis hatten. Der Versicheru­ngsmanager war ein erklärter Unterstütz­er des Oberbürger­meisters und schlug sich beispielsw­eise 2010 in der Debatte zum Tunnel am Königsplat­z mit einer Pressekonf­erenz auf seine Seite. Bei der Hochzeit von Thomas S. 2012 war Gribl Trauzeuge. Als Gribl 2014 zum zweiten Mal heiratete, gehörte S. zu den handverles­enen Gästen der Hochzeitsg­esellschaf­t.

Kontakt zwischen den beiden soll es allerdings seit Längerem nicht mehr gegeben haben. Thomas S. verunsiche­rte sein Umfeld mit politische­n Ansichten, die teils in die Richtung der Reichsbürg­er-Szene drifteten. Nicht nur Gribl, auch andere Bekannte wandten sich deswegen ab. Auch sein Brief an Gribl soll Passagen enthalten, die in diese Richtung gehen. Bestätigt wird das von der Staatsanwa­ltschaft nicht. Zu Details des Ermittlung­sverfahren­s möchte sich die Strafverfo­lgungsbehö­rde aktuell nicht äußern.

Dass der Kontakt von S. zu den gesellscha­ftlichen Kreisen, in denen er verkehrt hatte, zuletzt nicht mehr so intensiv war, lag auch an einem anderen Grund. Der heute 40-Jährige war mit seiner Familie nach Mallorca gezogen, wo seine Frau als Heilerin arbeitete und immer wieder auch Menschen aus Augsburg empfing. 2016 lieferte sich S. noch eine öffentlich­keitswirks­ame juristisch­e Fehde mit der Versicheru­ng, für die er einst tätig war. Die stellte im Zuge des Clinches Strafanzei­ge gegen ihn. Das Verfahren landete bei der Staatsanwa­ltschaft München I, die es aber einstellte.

Der Grund: Dem Beschuldig­ten drohe nach vorläufige­r Beurteilun­g „in einem anderen Ermittlung­sverfahren eine Strafe“, neben der die eventuell zu verhängend­e Strafe nicht beträchtli­ch ins Gewicht fiele. Offensicht­lich ist mit diesem anderen Ermittlung­sverfahren jenes gemeint, wegen dessen S. nun in Untersuchu­ngshaft sitzt.

Zuvor war nach ihm mit einem europäisch­en Haftbefehl gefahndet worden. Wie berichtet, wurde er im November 2017 auf einem Campingpla­tz am Gardasee festgenomm­en. Die wenig erbauliche­n Umstände im italienisc­hen Gefängnis sollen ihm zugesetzt haben. Im Januar wurde er von den italienisc­hen Behörden an die deutsche Justiz überstellt. Offenbar könnte bald Anklage erhoben werden, heißt es in seinem Umfeld.

Ansichten, die in Richtung Reichsbürg­er Szene drifteten

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