Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie Augsburg zum Geburtsort des Diesel wurde
Geschichte Im Februar vor 125 Jahren beginnt in der Maschinenfabrik Augsburg die Entwicklung eines neuen Motors. Der Ingenieur Rudolf Diesel schreibt damit Technik-Geschichte, doch die Erfindung macht ihn nicht glücklich
Der erste Versuchstyp des Motors, über den in diesen Tagen so viel diskutiert wird, steht noch immer in Augsburg. Entwickelt wurde er in den Jahren 1893 bis 1895 in der Maschinenfabrik Augsburg. Es ist eine Jahrhundert-Erfindung. Der Ingenieur Rudolf Diesel ist 34 Jahre alt, als am 23. Februar 1893 die Patenturkunde für seine „Wärmekraftmaschine“ausgestellt wird. Wenige Tage zuvor, ebenfalls im Februar 1893, hat Diesel mit der Augsburger Maschinenfabrik einen Vertrag zur Entwicklung des von ihm erdachten Motors unterzeichnet. Es ist der Beginn eines Welterfolgs, von dem auch seine Vaterstadt Augsburg profitiert. Noch immer werden hier bei MAN Diesel & Turbo große Dieselmotoren gebaut.
Doch der Ruf des Antriebs hat erheblich gelitten. Mit dem Begriff „Diesel“verbinden viele nicht mehr große Ingenieurskunst, sondern Umweltverschmutzung. Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe nennen ihn nur noch mit dem Beiwort „schmutzig“. Der VW-AbgasSkandal mit gefälschten Werten zum Ausstoß von Schadstoffen hat das Image des Diesels beschädigt und die Autoindustrie in eine Vertrauenskrise rutschen lassen. Immer weniger Kunden entscheiden sich für einen Diesel als Neuwagen, die Neuzulassungen sind seit Monaten auf Talfahrt. Und nun drohen auch noch Fahrverbote in Städten, in denen Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag darüber verhandelt.
Der Diesel werde als „Übergangstechnologie“aber noch gebraucht – davon ist in Konzernzentralen der Autofirmen derzeit oft die Rede. „Totgesagte leben länger“, ist auch Thomas Koch überzeugt. Er leitet das Institut für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie. Alle Fragen des Schadstoffausstoßes seien in den neuesten Ausbaustufen gelöst, der Diesel werde lange bleiben. Und noch gibt es das Dieselprivileg, der Sprit wird an der Tankstelle geringer besteuert als Benzin. Als Schiffsantrieb und damit für den weltweiten Handel gelten Dieselmotoren sowieso als vorerst wohl unersetzlich, ebenfalls im Schienenverkehr und als Notstromaggregate.
Skepsis gab es auch schon, als der erste Motor noch nicht mal entwickelt war. Rudolf Diesel hatte mit seinen Ideen anfangs keinen leichten Stand. Aufwärts ging es, als der Direktor der Maschinenfabrik Augsburg – eine der Wurzeln des heutigen MAN-Konzerns – ihm einen Entwicklungsvertrag anbot, der am 23. Februar 1893 unterzeichnet wurde. Gemeinsam mit den damaligen Krupp-Werken in Essen wurde ein Versuchsmotor gebaut. Der Erfinder war endlich seinem „Lebenstraum“nahe: Den Menschen die schwere Arbeit vor allem in den Kleinbetrieben abzunehmen, wo Dampfmaschinen aus technischen Gründen kaum zum Einsatz kamen.
Mit der Stadt Augsburg verbindet den Ingenieur aber viel mehr, als die Entwicklung „seines“Motors. Rudolf Diesel wurde zwar am 18. März 1858 in Paris geboren, doch sein Vater war der Augsburger Buchbinder Theodor Diesel. Im September 1870, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, musste die fünfköpfige Familie Diesel Hals über Kopf Frankreich verlassen. Bürger des Königreichs Bayern, dessen Heer auf Paris vorrückte, waren dort nicht mehr geduldet. Die Familie übersiedelte fast mittellos nach London. Der zwölfjährige Rudolf wurde im November 1870 nach Augsburg geschickt. Eine Cousine des Vaters und deren Mann nahmen ihn auf.
Rudolf Diesel beendete die Augsburger Gewerbeschule als Bester und durfte ab Oktober 1873 die Industrieschule besuchen. Dank Stipendien konnte er am Polytechnikum in München studieren. Dort legte er 1880 das beste Examen seit Bestehen der Studienanstalt ab. Sein Lehrer Carl Linde („Linde’s Eismaschinen“) engagierte ihn sofort. Ein Jahr später wurde Rudolf Diesel Direktor von Lindes Eisfabrik in Paris. 1881 kam er erstmals mit Heinrich Buz, dem Leiter der Maschinenfabrik Augsburg, in Kontakt.
Der 17. Februar 1897 gilt als Geburtstag des „Diesel“-Motors. Es war der Tag der offiziellen Abnahme. Der bei 154 Umdrehungen pro Minute etwa 20 PS leistende EinZylinder-Motor mit einem Wirkungsgrad von 26 Prozent ging als erster gebrauchsfähiger „Diesel“in die Technik-Geschichte ein. Dieser Prototyp der damals wirtschaftlichsten „Wärmekraftmaschine“der Welt hat seinen Platz im Deutschen Museum in München, während im MAN-Museum in Augsburg ein zwischen 1893 und 1895 mehrfach umgebauter Versuchsmotor zu sehen ist.
Die Reaktion auf die Erfindung war enorm. Auf der Weltausstellung in Paris 1900 wurde der Motor mit dem „Grand Prix“ausgezeichnet. Der Diesel wurde – nach Anlaufschwierigkeiten – ein Erfolgsmodell. Für Rudolf Diesel war die Erfindung aber auch eine Last. Er musste sich schon 1898 wegen chronischer Erschöpfung behandeln lassen. Später setzten ihm Patentstreitigkeiten zu. Auch wirtschaftlich musste er Rückschläge verkraften.
Sein Tod bleibt ungeklärt. Am 29. September 1913 will Rudolf Diesel mit dem Schiff vom belgischen Antwerpen aus nach England übersetzen. Er verschwindet nach dem Abendessen von Bord. Rund zehn Tage später entdecken Seeleute eine Leiche im Meer. Sie bergen die Leiche nicht, sichern aber einige Gegenstände, auch eine Geldbörse. Sie gehört Rudolf Diesel.
Die Umstände seines Todes bleiben ungeklärt